Die Zeit der grünen Hegemonie ist vorbei. Die Wahlergebnisse in Österreich und Ostdeutschland haben gezeigt, was die Wähler von der ständigen Bevormundung und der Besserwisserei der Grünen denken. Die auf einer Moralisierung gründende Politik macht leider an den Landesgrenzen nicht Halt. Vielmehr kleidet sie sich im Gewand der „wertebasierten“ oder „feministischen“ Außenpolitik und will die ganze Welt belehren. Doch damit macht sich der Westen keine Freunde. Statt ideologisch Gefolgschaft zu verlangen und westliche Ideen anderen oktroyieren zu wollen, sollte eine auf Respekt beruhende internationale Politik verwirklicht werden.

Dabei sollten nicht irgendwelche Werte stipuliert und eingefordert werden, sondern eine vernünftige Bewertung des Gegenübers erfolgen. Dies kann nur mit einer interessenbasierten Außenpolitik erfolgen. Kenne ich die Interessen und die Motivationen des anderen, so kann ich mit ihm aufgrund wohlverstandener Beweggründe einen Ausgleich finden. Mit einer Beharrung auf von uns vertretenen, von den anderen Ländern aber nicht geteilten Werten steuern wir in eine Sackgasse und machen uns global keine Freunde. Insbesondere gilt dies für die von der linken Identitätspolitik favorisierte Woke-Ideologie, mit der der Großteil der Welt gar nichts anfangen kann. „Wir sind Europäer, aber wir sind normal“ muss die Devise lauten.

Aus diesem Grund müssen wir der Realität der geopolitischen Ordnung mutig ins Gesicht blicken. Es bringt nichts, nur darüber zu reden, dass Russland der Schuldige ist und die Ukraine attackiert hat. Es stimmt, dass der Krieg gegen die Ukraine von Russland ausgegangen ist. Statt aber Sanktionen zu etablieren, die Welt in Gut und Böse einzuteilen und damit Russland von Europa abzutrennen, sollten wir darüber nachdenken, wie dieser schreckliche Krieg beendet werden kann. Dem Krieg ist nur mit Diplomatie beizukommen. Es müssen Gesprächskanäle in alle Richtungen aufgebaut werden. Dabei muss man auch mit Moskau sprechen. Wenn wir uns dem Dialog verschließen, verliert Europa eine Chance, global als eine respektierte Friedensmacht aufzutreten – ein Ziel, das enorm wichtig war bei der Gründung der Europäischen Union. An dieses Ziel wieder anzuknüpfen, muss die Verpflichtung unseres ganzen Kontinents sein. Europa kann dann wieder groß werden, wenn es sich und andere ernstnimmt.

Bence Bauer ist der Direktor des Deutsch-Ungarischen Instituts für Europäische Zusammenarbeit am Mathias Corvinus Collegium in Budapest/Ungarn. Er publiziert zu zeitgenössischen internationalen Fragen in deutscher, englischer und ungarischer Sprache in vielen verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften, zudem ist er Mitherausgeber von „Hungarian Conservative“. Kürzlich ist sein Buch „Ungarn ist anders“ bei MCC Press erschienen.