Brisante US-Studie: Darum drängt Biden auf einen Waffenstillstand in der Ukraine
Russland erhält 20 Prozent der Ukraine gegen Frieden: Diesen Deal schlug Bidens CIA-Chef kürzlich Kiew und Moskau vor. Offenbar folgte er dabei dem Rat eines der einflussreichsten US-Think-Tanks. Demnach sollten die USA von nun an auf baldigen Waffenstillstand und Verhandlungen hinarbeiten.
Land gegen Frieden, und zwar entlang der jetzigen Kriegsfront: Diesen Vorschlag hat CIA-Chef William Burns im Jänner Kiew und Moskau unterbreitet, doch beide Seiten lehnten ab – der eXXpress berichtete. Entscheidende Gründe für diesen Strategiewechsel Washingtons enthält die neue Studie „Einen langen Krieg vermeiden“. Ihr zufolge sollten sich die Vereinigten Staaten mit den bisherigen Rückgewinnen Kiews zufriedengeben und auf einen Waffenstillstand samt Verhandlungen drängen – je früher, je besser. Die knallharte Schlussfolgerung: Die Vermeidung eines langen Krieges muss für die USA eine höhere Priorität haben als weitere Rückeroberungen Kiews.
Die Studie stammt von der RAND Corporation, einem der einflussreichsten US-Think-Tanks, speziell in militärischen Fragen. RAND berät seit Ende des Zweiten Weltkriegs die US-Streitkräfte. Das Papier enthält brisante Aussagen. Es analysiert eiskalt wahrscheinliche Szenarien und vorrangige Interessen der USA – und die stimmen in wichtigen Punkten mit den offiziellen Zielen Kiews nicht überein.
Zugewinne von Land bringen der Ukraine nicht mehr Stabilität
Die Debatte über den Ukrainekrieg werde zu eindimensional geführt, kritisieren die Studienautoren Samuel Charap und Miranda Priebe: „Obwohl die Kontrolle des Territoriums für die Ukraine immens wichtig ist, stellt sie für die Vereinigten Staaten nicht die wichtigste Dimension der Zukunft des Krieges dar.“ Vielmehr habe „die Vermeidung eines langen Krieges für die Vereinigten Staaten eine höhere Priorität als die Ermöglichung einer wesentlich stärkeren territorialen Kontrolle der Ukraine“.
Der Hauptgrund: Mit dem Krieg steigt das Risiko einer Eskalation durch den Einsatz von Nuklearwaffen oder durch eine direkte Konfrontation zwischen Russland und NATO. Um beide Horror-Szenarien zu vermeiden, sollte ein rasches Kriegsende für die USA ab jetzt oberste Priorität haben. Keineswegs klar sei hingegen, weshalb weitere Eroberungen bis zu den Grenzen vom 23. Februar im Interesse der USA sind. Erstens wäre der Schaden für die internationale Ordnung nicht geringer als vorher. Russland hätte weiterhin rechtswidrig neues Land erobert und „verletzt die Norm der territorialen Integrität“. Zweitens würden diese Zugewinne der Ukraine keine Stabilität bringen.
Nur Verhandlungen können diesen Krieg beenden
Dass die Ukraine das gesamte Gebiet zurückerobert, halten die Studienautoren für „ein höchst unwahrscheinliches Ergebnis“ – und selbst wenn: Russland könnte weiterhin das Land angreifen. Um den Krieg zu beenden, müsste Kiew einen absoluten Sieg erringen. Das ginge nur, wenn erstens Putin durch einen neuen Staatschef ausgetauscht wird, der danach zweitens alle Forderungen der Ukraine erfüllt. Die Studienautoren halten es für abwegig, auf zwei Szenarien zu hoffen, die beide so unwahrscheinlich sind. Allerdings sei auch ein absoluter Sieg Russlands über die Ukraine, wie ihn Putin zunächst angestrebt haben dürfte, mittlerweile unrealistisch.
Die logische Konsequenz: Der Krieg lässt sich kurzfristig nur durch einen Waffenstillstand, langfristig durch eine politische Einigung beenden. Ein Kriegsende ohne Verhandlungen ist so gut wie undenkbar. Beide Seiten müssen davon überzeugt werden, dass ihnen Verhandlungen mehr bringen als noch mehr Krieg. Der Westen könnte Russland eine Lockerung der Sanktionen in Aussicht stellen, falls es einlenkt, und am Ende eine neutrale Ukraine. Ebenso müssten sämtliche Staaten Kiew massive Hilfsleistungen sowie „starke Sicherheitsgarantien“ versprechen. Solange das Kämpfen weitergeht, seien langfristige Unterstützungszusagen an Kiew sinnvoller als die jetzigen kurzfristigen, sagt RAND. Gleichzeitig sollte die Hilfe an strengere Bedingungen geknüpft werden. Wenn etwa die Ukraine Verhandlungsangebote ausschlägt, könnten die Unterstützungen reduziert werden.
Die Gefahr einer atomaren Eskalation ist deutlicher höher, solange das Kämpfen weitergeht
RAND widerspricht entschieden Analysten, denen zufolge Russland niemals Nuklearwaffen in diesem Krieg einsetzen wird. Die Ukraine sei für Moskau von existenziellem Interesse. Das würden die enormen Kosten und Risiken belegen, die der Kreml seit den Krim-Sanktionen eingegangen ist. Darüber hinaus halten russische Strategen den Einsatz taktischer Nuklearwaffen ausdrücklich für nützlich. Sollte Russland weitere Verluste erleiden, die seine Möglichkeiten in konventioneller Kriegsführung verringern, könnten „hochrangige Kreml-Entscheidungsträger“ auf den Einsatz von Nuklearwaffen drängen.
Darüber hinaus ist „das Ausmaß der indirekten Beteiligung der NATO-Verbündeten an diesem Krieg atemberaubend“. Russland könnte daher einen NATO-Mitgliedsstaat bestrafen wollen. Auch ein russischer Präventivschlag gegen die NATO sei denkbar, „wenn Russland den Eindruck hat, dass eine NATO-Intervention in der Ukraine unmittelbar bevorsteht.“ All das erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Eskalation.
Ein langer Krieg hat zahlreiche weitere Nachteile – auch für Europa?
Ein lang anhaltender Ukraine-Krieg hat demnach für die USA auf Dauer mehr Nach- als Vorteile. Die Schwächung Moskaus sei zwar von Nutzen, wie die Studie offen zugibt, allerdings habe Russland bereits massive Schäden erlitten. Die künftigen seien weit weniger relevant. Eine wachsende Abhängigkeit Russlands von China sei überdies ebensowenig erstrebenswert für Washington. Gleichzeitig würden die USA von anderen Herausforderungen abgelenkt, Leid und Zerstörung in der Ukraine würden wachsen und ebenso beträchtliche wirtschaftliche Schäden: „Der Ausbruch des Krieges führte zu einem starken Anstieg der Energiepreise, die ihrerseits zur Inflation und zur Verlangsamung des weltweiten Wirtschaftswachstums beigetragen haben. Diese Trends werden voraussichtlich Europa am härtesten treffen.“
Gestützt auf die Ratschläge von RAND könnte das Weiße Haus künftig seine Interessen präzisieren. Bisher sandte Washington widersprüchliche Signale aus. Auch für Europa wird es langsam Zeit, seine Ziele zu konkretisieren. Möglicherweise werden Interessensunterschiede zwischen den europäischen Staaten dann noch deutlicher zutage treten. Doch selbst wenn Europas vielbeschworene Einigkeit brüchig werden sollte: Es braucht einen konkreten und vorausschauenden Plan, gestützt auf Realismus und Güterabwägung. Denn eines steht fest: Schädlicher als eine schlechte Strategie ist gar keine Strategie.
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