
Brüssel vs. Budapest: Verfahren gegen Ungarn wegen Pride-Verbot
Beim Treffen der EU-Europaminister in Brüssel steht Ungarn erneut am Pranger: Wegen Verbot der Pride Parade droht ein Vertragsverletzungsverfahren. 16 Staaten, darunter auch Österreich, fordern am Dienstag ein hartes Vorgehen.

Beim Treffen der EU-Europaministerinnen und -minister am Dienstag in Brüssel wird es die bereits achte Anhörung Ungarns im Zuge des sogenannten Artikel-7-Verfahrens wegen Problemen mit Rechtsstaatlichkeit, Minderheitenrechten und Unabhängigkeit der Justiz geben. Auch das Verbot der “Pride Parade” wird diskutiert; 16 EU-Staaten – darunter Österreich – forderten die Kommission dazu zum Handeln auf. Europaministerin Claudia Plakolm (ÖVP) nimmt am Ratstreffen teil.
16 Länder – darunter Österreich – hatten im Vorfeld des Treffens eine Erklärung unterzeichnet, um Ungarn zum Aufheben seines Verbotes der Pride Parade zu bewegen. Die ungarische Polizei hatte am Montag einen für den 1. Juni in Budapest geplanten Marsch für die Rechte der LGBTQIA+ Gemeinschaft verboten, wie das Onlineportal “444.hu” berichtete. Die EU-Kommission wird in der von den Niederlanden koordinierten Erklärung aufgefordert, ihre “Tool Box” der Rechtsstaatlichkeit voll auszuschöpfen.
Kommission fordert Ungarn auf, Gesetz zurückzuziehen
Der Gesetzentwurf zur Pride Parade verstoße gegen EU-Recht und die Charta der Grundrechte, sagte der zuständige EU-Kommissar Michael McGrath. Die Kommission habe die ungarische Regierung daher aufgefordert, diesen zurückzuziehen. Sollte Budapest das Gesetz in Kraft setzen, “sind wir bereit, die uns zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen”, so der Ire. Als Beispiel nannte er Vertragsverletzungsverfahren. Er richte eine “entschlossene Botschaft an die ungarische Regierung”: “Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um sicherzustellen, dass die Rechtsstaatlichkeit und die Rechte der ungarischen Bürger in vollem Umfang gewahrt werden.” Das Recht, “sich frei und friedlich zu versammeln”, müsse jederzeit garantiert sein.
Die Rechtsstaatlichkeit sei eines “unserer Grundprinzipien” und “unverhandelbar”, betonte Europaministerin Plakolm vor dem Treffen: “Ich unterstütze diese Erklärung, weil wir Teil dieser gleichgesinnten Gruppe sind, wenn es um das Thema Rechtsstaatlichkeit geht.” Sie betonte aber, dass der Dialog auch mit Ungarn selbst geführt werden müsse, was sie vergangene Woche mit ihrem Amtskollegen auch getan habe. Eine gute nachbarschaftliche Beziehung müsse auch “Dissens in manchen Fragen” aushalten. Rechte von Minderheiten, die Versammlungsfreiheit, das Demonstrationsrecht müssten auch in Zukunft gewahrt bleiben.
Boka: Es gibt kein Verbot der Pride Parade
Ungarns Europaminister Janos Boka erklärte in Brüssel, es gebe kein Verbot der “Pride Parade”. Die heutige Anhörung werde ihm die “Gelegenheit geben, meinen Kollegen den verfassungsrechtlichen und rechtlichen Rahmen” zu erklären. Sein polnischer Amtskollege und derzeitiger Vertreter des Ratsvorsitzes Adam Szlapka erwartet sich eine “lange Diskussion” zum Thema Ungarn. Polen habe die Erklärung zur Pride Parade nicht unterschrieben, weil “wir das als Präsidentschaft nicht sollten”.
Ungarn habe heute Gelegenheit, darzulegen, “wie sie zu den Dingen stehen, welche Reformen sie einleiten”, sagte Plakolm zur bereits achten Anhörung Ungarns im Rahmen des Artikel-7-Verfahrens. Die Anhörungen sind für sie ein “wichtiges Instrument, dass den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, ihre Vorstellungen und Ideen darzulegen, wie Reformen eingeleitet werden können”. Die ÖVP-Politikerin betonte die Wichtigkeit des direkten Gesprächs und des Austausches, die “Fingerzeigdiplomatie hat bisher zu keinem Ergebnis geführt”.
Rosencrantz "zutiefst besorgt"
Ihre schwedische Amtskollegin Jessica Rosencrantz zeigte sich hingegen “zutiefst besorgt über die jüngsten Entwicklungen” in Ungarn. Sie sprach von Rückschritten in Sachen Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und einem harten Durchgreifen gegen die Zivilgesellschaft. Nach sieben Jahren Anhörungen ist es für sie an der Zeit, “über die nächsten Schritte nachzudenken”, es sei denn, “wir sehen heute eine völlig neue Haltung von ungarischer Seite”.
Das Artikel-7-Verfahren kann gegen einen EU-Mitgliedstaat eröffnet werden, wenn dieser gegen die Grundwerte der EU verstößt. Die letzte Phase des Artikel-7-Verfahrens, die sogenannte “nukleare Option”, mit der auch ein Entzug der Stimmrechte einhergehen kann, wurde bisher noch nie eingeleitet. Erst vergangene Woche hatte die EU-Kommission Ungarn wegen eines geplanten Gesetzes, das die Rechte von NGOs einschränken würde, gewarnt. Eine Gruppe von 26 Abgeordneten des EU-Parlaments hatte die EU-Kommission zudem aufgefordert, die Überweisung jeglicher EU-Gelder an Ungarn auszusetzen.

Scharfe Kritik an den Beratungen der Europaminister übte die FPÖ. “Es ist untragbar, dass eine demokratisch gewählte Regierung von Brüssel wie eine Sau durchs Dorf getrieben wird”, betonte der FPÖ-Delegationsleiter im Europaparlament, Harald Vilimsky, in einer Aussendung. Die ungarische Bevölkerung habe ihren “Präsidenten (gemeint ist offenbar Ministerpräsident Viktor Orban, Anm.) nicht aus einer Laune heraus gewählt” und die EU habe “kein Mandat, darüber zu urteilen, welche politischen Überzeugungen in einem Mitgliedsstaat legitim sind und welche nicht”, so Vilimsky.
Plakolm bekräftigt Vorstoß zu Menschenrechtsgericht
Plakolm betonte vor dem Rat auch die Bedeutung der von Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) angeregten Diskussion über die Europäischen Menschenrechtskonvention (EMKR). Die Asyl- und Migrationspolitik funktioniere nur, wenn es die Möglichkeit gebe, straffällige Asylwerber abschieben zu können: “Aufgrund der EMRK sind uns die Hände gebunden”, so Plakolm.
Neun europäische Länder, darunter Österreich, haben dazu aufgerufen, die Ausweisung ausländischer Straftäter zu vereinfachen. Einen entsprechenden offenen Brief auf Initiative Dänemarks und Italiens über die Neuauslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention im Bereich Migration unterzeichnete vergangene Woche auch Bundeskanzler Stocker.
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