Causa Pilnacek: WKStA übernimmt Pilz-Erzählung – und schont seine Hauptzeugin
Laptop und Unterlagen des verstorbenen Sektionschefs Christian Pilnacek interessieren die WKStA ganz besonders. Sie vermutet politische Einflussnahme auf Ermittlungen. Skurril: Dabei stützt sie sich ausgerechnet auf eine von Peter Pilz aufgebaute Hauptzeugin, die sich schon mehrfach widersprochen hat.
Ermittlungen durch die Brille von Ex-Grünen-Politiker Peter Pilz? Ilse-Maria Vrabl-Sanda (l.), Leiterin der WKStA, erweckt den Eindruck.APA/HANS KLAUS TECHT/HERBERT PFARRHOFER/GETTYIMAGES
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt weiter zur Causa des verstorbenen Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek – aus zwei Gründen: Politiker sollen versucht haben, über den einstigen Spitzenjuristen Ermittlungen zu verhindern. Zweitens sollen zwei Zeuginnen falsche Angaben zu seinem Laptop gemacht haben. Brisant: Die WKStA stützt sich auffallend stark auf Peter Pilz – genauer: auf Berichte seines Portals ZackZack, auf sein Buch „Pilnacek: Der Tod des Sektionschefs“ und auf jene Frau, die Pilz zur Hauptbelastungszeugin aufgebaut hat: Karin Wurm. Drei Mal Pilz.
Wurm dürfte die letzte Frau gewesen sein, die Christian Pilnacek vor seinem Tod im Oktober 2023 lebend gesehen hat. Ihre mehrfach wechselnden Aussagen wurden für Pilz zur Basis seiner „Enthüllungen“. Zu Lebzeiten inszenierte er sich als Pilnaceks Gegenspieler – seit dessen Tod nutzt er Wurms Aussagen, um die Causa weiter anzuheizen.
Pilz, Wurm und die Konstruktion eines Skandals
In ZackZack-Artikeln wird Wurm bemerkenswert prominent gefeiert: Sie habe „entscheidend zur Aufklärung der Affäre ‚Pilnacek‘ beigetragen“, heißt es dort. Oder: „Karin Wurm packt aus.“ In einem weiteren Bericht liest man: „Ein knappes Jahr lang hat Pilz recherchiert. Dafür besuchte er viele Male den Tatort in Rossatz, sprach mit Pilnaceks Freundin Karin Wurm.“ Voilà.
Bei Pilz ist die Rollenverteilung klar: Gut ist, wer ihm beim Aufdecken seiner „größten Skandale der Zweiten Republik“ hilft – und davon gab es bisher viele. Böse ist, wer dahinter nur jene heiße Luft ortet, mit der Pilz seine Entdeckungen zu Luftschlössern aufbläst. Aktuell hilft ihm vor allem Frau Wurm. (Gut!) Seit zwei Jahren dreht sich bei ZackZack daher alles um Pilnacek, Wurm, einen Laptop – und wieder Wurm.
Der merkwürdige Kurs der WKStA: Eine Staatsanwaltschaft übernimmt die Pilz-Logik
Wie Pilz seine Skandale konstruiert, bevor er sie „enthüllt“, ist bekannt. Dass die WKStA nun offenbar dieselbe Herangehensweise wählt, sorgt in Justizkreisen für Kopfschütteln. Denn nicht nur die Texte von Pilz sind Grundlage zweier laufender Ermittlungsverfahren – auch den widersprüchlichen Aussagen seiner „Hauptbelastungszeugin“ Wurm wird erstaunlich viel Gewicht beigemessen, während gegenteilige Zeugenaussagen und Vorwürfe gegen sie weitgehend unbeachtet bleiben.
Fall 1: Anzeigen von Wurm – Ermittlungen gegen LKA-Beamte, aber nicht gegen sie
Monatelang ermittelte die WKStA mit großem Aufwand gegen zwei Beamte des Landeskriminalamts Niederösterreich – gestützt auf eine Anzeige von Karin Wurm. Ihnen wurde vorgeworfen, nach Pilnaceks Tod ohne rechtliche Grundlage persönliche Gegenstände – Laptop, Handy, Autoschlüssel – sichergestellt zu haben.
Im Mai 2024 wurde das Verfahren auf Weisung der Oberstaatsanwaltschaft Wien nach § 190 Z 2 StPO eingestellt: Der Tatbestand des Amtsmissbrauchs sei „schon objektiv nicht erfüllt“. Brisant ist ein zentrales Zitat der OStA Wien: „Die ganz konkreten Behauptungen (…) der im Namen Karin Wurms eingebrachten Sachverhaltsdarstellung (…) finden in den Ermittlungsergebnissen, allen voran in den Vernehmungen der Anzeigerin Karin Wurm selbst, schlechterdings keinen Halt.“
Kein Verfahren gegen Wurm – trotz Falschangaben
Wurm erklärte später unter Wahrheitspflicht in einem medienrechtlichen Verfahren, der Inhalt ihrer Anzeige sei unrichtig. Gleichzeitig behauptete sie, die Anzeige nie gesehen zu haben – ihr Anwalt widersprach jedoch deutlich: Wurm habe mehrfach Änderungen verlangt und die Letztfassung erhalten.
Trotzdem leitete die WKStA bis heute kein Verfahren wegen Verleumdungsverdachts gegen Wurm ein – nachdem sie zuvor mit großem Aufwand, aber ohne Ergebnis gegen die LKA-Beamten ermittelt hatte.
Fall 2: Pilnaceks Witwe erhebt schwere Vorwürfe
Die Laptop-Spur führte zu neuen, brisanten Hinweisen: Bei ihrer Zeugenvernehmung am 12. Juni 2024 erhob Pilnaceks Witwe Caroline List, Präsidentin des Grazer Straflandesgerichts, strafrechtlich relevante Vorwürfe gegen Karin Wurm, Peter Pilz und Krone-Journalist Erich Vogl – wegen des Verbleibs von Pilnaceks Privat-Laptop.
WKStA fragt – und legt den Fall ad acta
Die Reaktion der WKStA: eine bloße Nachfrage, ob List bereits eine Anzeige eingebracht habe. Sie verneinte. Die Vorwürfe wurden nicht geprüft und auch nicht gemäß § 78 StPO an eine zuständige Staatsanwaltschaft weitergeleitet.
Erst später brachte List selbst Anzeige ein – mit schwerem Vorwurf: Wurm habe die Beziehung zu Pilnacek genutzt, um gezielt an Daten und Datenträger zu gelangen, die anschließend an Pilz und Vogl weitergegeben worden seien. Diese hätten sie „gehackt und ausgewertet“.
Pilz kontert – und attackiert die Witwe
Pilz reagierte sofort auf ZackZack, wo er öfters Aktivist und Journalist in Personalunion ist, und seine eigenen Umtriebe ins richtige Licht zu rücken. Unter dem Titel „Die Unwahrheiten von Gerichtspräsidentin List“ attackierte er Pilnaceks Witwe und stellte sich erneut als Opfer dar.
Fall 3: Das Laptop-Treffen – Tonband überführt Wurm
Am 9. Dezember 2023, sechs Wochen nach Pilnaceks Tod, trafen sich laut Ermittlungsakten Karin Wurm, ihre Mitbewohnerin Anna P., Ex-Lobbyist Peter Hochegger, Unternehmer Christian Mattura und Journalist Michael Nikbakhsh. Thema: Was soll mit Pilnaceks Laptop geschehen?
Zeuge Hochegger sagte aus: Der mittlerweile verstorbene Unternehmer Wolfgang Rauball habe den Laptop gehabt – „entweder in Abstimmung mit Wurm oder P. Er hat mich gefragt, was man mit dem Gerät macht. Ich sagte: ‚Der gehört zur WKStA.‘“ Man habe sogar mit Anwälten darüber gesprochen; einer habe angekündigt, die Staatsanwaltschaft werde sich melden, „ob wer den Laptop haben möchte“. Die Stimmung sei angespannt gewesen.
Wurm widerspricht – Tonband und Zeugen sagen etwas anderes
Wurm behauptete später, sie habe kaum teilgenommen und den Raum gemeinsam mit Hochegger verlassen. Doch das heimlich aufgezeichnete Tonband von Nikbakhsh und mehrere Zeugen belegen das Gegenteil: Wurm diskutierte aktiv mit und blieb bis zum Schluss. Hochegger stellte ebenfalls klar: „Ich habe Wurm nicht nach draußen begleitet. Wurm ist neben mir gesessen.“
Auch Wurms Behauptung, Caroline List habe gesagt, auf dem Laptop befänden sich „30 Jahre Justizgeschichte“, ist laut mehreren Zeugen frei erfunden – der Satz stamme von Wurm selbst.
Trotz dieser klaren Widersprüche und einer eindeutigen Tonaufnahme leitete die WKStA kein Verfahren gegen Wurm wegen falscher Beweisaussage (§ 288 StGB) ein.
Fall 4: Bargeld, Sparbuch, Darlehen – schwere Vorwürfe von Anna P.
In ihren Beschuldigtenvernehmungen belastete Anna P. ihre ehemalige Mitbewohnerin Karin Wurm massiv: Diese habe ein Sparbuch mit 10.000 Euro und ein Kuvert mit 5.000 Euro Bargeld aus Pilnaceks Aktentasche an sich genommen und ihr außerdem ein Darlehen über 50.000 Euro „herausgelockt“.
Doch auch diese möglichen Vermögens- und Urkundendelikte wurden von der WKStA nie geprüft – und nicht an eine zuständige Staatsanwaltschaft weitergeleitet.
Fall 5: Verspätete Ermittlungen – und wieder im Zentrum: der Laptop
Bei einem der beiden Pilnacek-Verfahren ermittelt die WKStA tatsächlich gegen Karin Wurm – allerdings erst Wochen später, nachdem sie wegen desselben Verdachts der falschen Beweisaussage (§ 288 StGB) bereits gegen Anna P. aktiv geworden war. Es geht um widersprüchliche Aussagen beider Frauen zum Verbleib von Pilnaceks Laptop: P. soll am 23. Mai 2024 vor dem BAK falsch ausgesagt haben, sie habe keine Wahrnehmungen über das Gerät.
Wurm wurde am 4. April 2024 von der WKStA vernommen – und machte laut Akten ebenfalls unrichtige Angaben zu Besitz und Zugriff nach Pilnaceks Tod.
Forensik belastet Wurm – trotzdem späte Ermittlungen
Schon damals lagen forensische Auswertungen vor: Auf USB-Sticks wurden gelöschte Dateien gefunden, die am 10. November 2023 – also nach Pilnaceks Tod – wiederhergestellt wurden. Laut Zeuge Christian Mattura befand sich der Laptop zu diesem Zeitpunkt „in seiner Verwahrung“.
Die Analyse der „Kreutner-Kommission“ ergab: „Auffällig ist, dass sich auf dem Gerät eine Mischung aus Daten befindet, die nachweislich von Anna P. stammen, aber auch Teile von Karin Wurm.“ Sogar Metadaten weisen den Autorennamen „Karin“ auf – in Dokumenten, die sich direkt auf Pilnacek beziehen. Wurm behauptete später, sie habe „bis heute keinen Laptop“. Laut forensischem Bericht ist das nicht plausibel.
Trotz dieser Beweise wurde das Verfahren gegen Wurm erst Wochen nach jenem gegen P. eingeleitet – und offenbar nicht mit dem gleichen Nachdruck geführt.
WKStA sieht kein Problem – verweist auf OStA Wien
Auf exxpress-Anfrage, wie die WKStA dem Eindruck der Einseitigkeit begegne, hieß es knapp: Man führe Ermittlungen „gegen zwei Personen wegen des Vorwurfs der falschen Beweisaussage“, Namen könne man „aus Persönlichkeitsschutzgründen“ nicht nennen.
Die Ermittlungsführung sei von der Oberstaatsanwaltschaft Wien geprüft und nicht beanstandet worden. Ob andere Staatsanwaltschaften im Sprengel der OStA Wien in denselben Sachverhalten ermitteln, müsse man dort erfragen – die WKStA verwies auf die Medienstelle der OStA Wien. Wurms Anwalt war zu keiner Stellungnahme bereit.
Eine Frage kann die WKStA nicht beantworten: Viel betreibt sie so viel Aufwand, wenn es um Vorwürfe von Wurm geht, warum gibt es kaum Bewegung, wenn sich die Vorwürfe gegen Wurm selbst richten? Die zentrale Belastungszeugin von Pilz steht im Mittelpunkt mehrerer Widersprüche, doch die WKStA bleibt erstaunlich zurückhaltend.
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