Parlamente, so sollte man jedenfalls meinen, sind nicht zuletzt Orte, an denen die Abgeordneten über jene Themen debattieren, die ihren Wählern am Herzen liegen.

Deshalb ist auch nachvollziehbar, dass im Europäischen Parlament der FP-Abgeordnete Gerald Hauser dieser Tage über jenes Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) diskutieren wollte, mit dem praktisch alle Frauen aus Afghanistan Asyl in der EU bekommen können, mit weitreichenden Folgen, aber davon später.

Allein: alle anderen Parteien hatten ofenkundig wenig Lust auf eine derartige Diskussion.  „Während die ÖVP im Wahlkampf den Bürgern weismachen wollte, dass sie sich für eine restriktive Asylpolitik einsetze, ist nun einmal mehr der Beweis des Gegenteils erbracht. Die ÖVP-Abgeordneten haben in Straßburg ebenso wie ihre Kollegen von SPÖ, Grünen und Neos dagegen gestimmt, die Auswirkungen dieses Urteils zu debattieren“, ärgerte sich der Abgeordnete Hauser. Man muss kein Fanboy der FPÖ sein, um ihm da Recht zu geben.

Ein Hinweis darauf, dass die Verliererparteien der jüngsten Wahl ihre Lektion gelernt haben, ist das nicht eben.

Die Vorgeschichte im Zeitraffer: Nur wenige Tage, nachdem die FPÖ einen triumphalen Wahlsieg errungen hatte, vor allem wegen der gescheiterten Migrationspolitik seit 2015, verkündete der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Urteil, das an Absurdität und Weltfremdheit nicht zu überbieten ist. Demnach hat grundsätzlich jede Frau aus Afghanistan Anrecht auf Asyl in Österreich, unabhängig davon, ob sie nachweisen kann, in ihrer Heimat verfolgt zu werden oder nicht.

Das heißt also: Frau zu sein und aus Afghanistan zu stammen gibt automatisch das Recht sich hierzulande niederzulassen und de facto für immer die hiesigen hohen Sozialleistungen zu beziehen, also in Wien so um die 1000 Euro im Monat. Das ist für Personen aus einem Land mit 350 Euro Durchschnittsgehalt pro Jahr eventuell ein eher attraktives Angebot.

Jetzt dürfen alle kommen

Noch viel verrückter ist freilich die Konsequenz, die dieses Urteil nach sich zieht. Denn sobald eine Frau aus Afghanistan hier angekommen ist, hat sie das Recht, im Wege des Familiennachzuges auch allfällige Ehemänner und natürlich Kinder, gerne auch adoptierte, nach Österreich zu holen.

Salopp gesagt bedeutet dieses Urteil: die nahezu gante Bevölkerung Afghanistans, abgesehen von ein paar alleinstehenden greisen Männern hat de facto einen Rechtsanspruch darauf, nach Österreich zu übersiedeln und sich hier bis an ihr Lebensende von der einheimischen Bevölkerung alimentieren zu lassen. Rund 40 Millionen Afghanen wird damit vom europäischen Höchstgericht das Recht eingeräumt, es sich in einem Staat von neun Millionen Einwohnern gemütlich einzurichten. Dass das in der Praxis so nicht kommen wird, etwa weil Frauen das Land nicht so ohne weiteres verlassen könne, ändert nichts am verheerenden Signal, das da in die Welt gesendet wird.

Ich weiß ja nicht, ob die EU eines nicht allzu fernen Tages von den immer stärker werdenden unionskritischen Parteien wie FPÖ oder AfD demontiert werden wird oder nicht – aber Urteile wie dieses sind unschlagbare Argumente für alle Fundamentalkritiker des europäischen Projektes. Eine Union, deren Recht allen Ernstes so etwas zulässt, wird von der Bevölkerung leider verständlicher Weise als gegen ihre ureigensten Interessen gerichtetes Projekt verstanden.

Leider nix gelernt

Nun sollte man meinen, dass Sozialdemokraten, Christdemokraten und Grüne sowohl in Deutschland als auch in Österreich nach den für sie nahezu lebensbedrohliche Wahlergebnissen endlich begriffen haben, was die Menschen so gegen sie aufbringt: in erster, zweiter und dritter Linie die Migrationskrise und ihre Folgen für den Alltag der Menschen. Kleine Stupser auf den Hinterkopf verbessern ja angeblich das Denkvermögen.

Und wie reagieren also diese Parteien nun im Lichte ihrer Niederlage und des allenfalls daraus Gelernten auf das Skandal-Urteil des EuGH? Etwa mit der naheliegenden Forderung, dass jene Gesetze und internationalen Vereinbarungen, auf deren Basis die Richter des EuGH urteilten, eben entsprechend geändert werden müssen, um einen derartigen Unfug abzustellen?

Von wegen. Die SPÖ, vom Wähler gerade (auch) wegen ihrer gescheiterte Willkommenskultur auf den ärmlichen dritten Platz verwiesen, zeigte eine eher flache Lernkurve. Die SPÖ-Europaabgeordnete Elisabeth Grossmann begrüßte das Urteil sogar ausdrücklich. Es sei ein „richtiger Schritt, um ein Zeichen gegen die jüngsten antifeministischen und explizit frauenfeindlichen Strukturen im Land zu setzen“ Nun ist zwar nicht ganz klar, ob sie damit Afghanistan oder doch Österreich meinte – aber, dass die SPÖ solcherart die an die FPÖ verlorenen Wähler aus Favoriten oder Donaustadt wird zurückholen können, erscheint eher wenig wahrscheinlich.

Die ÖVP wiederum begnügte sich damit, ihren Innenminister Karner sagen zu lassen, hierzulande werde es auch in Zukunft keine pauschalen Asylzusagen für afghanische Frauen geben, sondern eine Einzelfallprüfung. Dass die negativ ausgeht, ist freilich angesichts des EuGH-Urteile eher nicht sehr wahrscheinlich, das Argument überzeugt daher nicht.

Auch dass der designierte Migrations-Kommissar Magnus Brunner (ÖVP) die Chance verstreichen ließ, seine Partei angesichts des Afghaninnen-Urteils etwas vorteilhafter zu positionieren vorüberziehen ließ und nur vornehm schwieg, überrascht wenig.

Und ewig grüßt das Murmeltier

Die richtigen Worte fand hingegen – erraten – einzig eine Vertreterin der FPÖ. „Es ist offensichtlich, dass Frauen in islamistisch regierten Staaten unterdrückt werden – und zwar nicht nur in Afghanistan. Daraus aber ein generelles Asylrecht für sämtliche Frauen abzuleiten, beweist, dass der EuGH mit seinen Urteilen den ursprünglichen Gedanken des Schutzes im nächstgelegenen sicheren Land sabotiert.“, meinte die blaue RU-Abgeordnete Petra Steger zu dem EuGH-Urteil. Sie hat damit, egal ob man die FPÖ mag oder nicht, schlicht und einfach Recht.

Das betreten Schweigen der anderen Parteien in den ersten Tagen nach der Veröffentlichung des Urteils deutet jedenfalls nicht wirklich darauf hin, dass dort die Botschaft des Souveräns vom 29.September auch nur annähernd verstanden worden ist. Sich mehr oder weniger auf den Standpunkt zurückzuziehen, die Rechtslage sei eben so wie sie ist, da könne man leider nicht machen, wir nämlich von immer mehr Wählern als nicht akzeptabel zurückgewiesen.

Das scheint aber die Verlierer der letzten Wahl nicht besonders zu beeindrucken. Das erinnert mich ein wenig an die berühmte Definition von Wahnsinn als immer wieder das Gleiche zu tun, aber sich davon immer wieder andere Ergebnisse zu erwarten.