Deutschlands Fall Zadic zieht immer weitere Kreise: Täuscht CDU-Politikerin Kinnert mit ihrem Lebenslauf?
Die deutsche CDU-Politikerin Diana Kinnert hat in ihren beiden Büchern 200 mal abgeschrieben, wie Plagiatsprüfer Stefan Weber aufgezeigt hat. Sie selbst redet das als “Versehen” klein. Nun zeigt sich: Auch in ihrem Lebenslauf dürfte Kinnert zu Übertreibungen neigen. Zunächst klingt vieles dort spektakulär.
Der österreichische Plagiatsprüfer Stefan Weber hat für gewisse Verhaltensmuster mittlerweile einen Riecher entwickelt. Wenn jemand kein Problem damit hat, großflächig von woanders abzuschreiben, lohnt es sich, auch seinen Lebenslauf näher unter die Lupe zu nehmen. Meistens neigt so jemand nämlich zu Übertreibungen.
So ist Weber nun bei der “CDU-Nachwuchspolitikerin, Publizistin und Unternehmerin Diana Kinnert” vorgegangen, die in ihren beiden Büchern “in mehr als 200 Passagen mitunter großflächig plagiiert”, wie Weber herausgefunden hat. Nun interessiert sich der Medienwissenschaftler auch für Kinnerts Lebenslauf.
Mehrfache "Gründerin" und "Unternehmerin"?
Auch hier ist Weber auf Bemerkenswertes gestoßen – oder besser gesagt: Er ist darauf gerade eben nicht gestoßen, sobald er weiterrecherchiert hat. Vieles klingt zunächst geradezu spektakulär, ob man nun die Wikipedia-Version heranzieht, oder die Kurzfassung. Doch dann kommen Zweifel.
Mehrfach wird Diana Kinnert als “Gründerin” und “Unternehmerin” bezeichnet. Konkret sei sie “Vizepräsidenten” (woanders schlicht “Mitglied”) der “Global Media House GmbH”, darüber hinaus “Gründerin und Geschäftsführerin” der “Globalo News Publishing GmbH” und schließlich noch “Gründerin und Geschäftsführerin” der “newsgreen GmbH”.
Weber bemerkt dazu nicht ohne Sarkasmus: “Nun, alle drei Companys dürften stark im Hintergrund ihre Fäden ziehen, denn sie haben nicht einmal Webauftritte und nach einer Google-Recherche sind bis auf eine grafisch eher diskutable WordPress-Site von newsgreen keine Produkte auffindbar. Das erscheint mir ein wenig dubios für Unternehmen, die sich mit der Vermarktung von Digital-Content beschäftigen.”
Rätselraten auf Wikipedia
Diese schiefe Optik war auch Wikipedia-Diskutanten nicht entgangen. Einer sprach schon 2021 von einer “Ein-Personen-Gmbh”: “Woher kommt die Aussage, dass Diana Kinnert Unternehmerin ist? Weil sie Geschäftsführerin einer Ein-Personen-GmbH ist?”. Ein anderer antwortete: “Sehe ich auch so. Sie ist erfolgreiche Selbstvermarkterin und wird bestimmt noch ganz groß Karriere in Politik und Medien machen, aber Unternehmerin ist was anderes.” Ein dritter Mit-Diskutant stellte schließlich fest: “Beide Firmen-Seiten im Netz sind seit 2018 bzw. 2020 tot, ein eingefügter Hinweis darauf wurde wieder entfernt.”
Bei anderen Passagen hat der Faktencheck erst begonnen. “Besonders wirkmächtig und hochgradig vernetzt beschreibt sich Diana Kinnert auf ihrer eigenen Website, da kann man nur erstaunt sagen: Hut ab für eine 31-Jährige!”, meint Stefan Weber. Als Regierungsberaterin und Fakultätsmitglied stellt sich die Nachwuchspolitikerin dar. Die wichtigste Beleg dazu bleibt freilich ihre Homepage.
Beraterin der britischen Regierung?
“Kinnert berät verschiedene Regierungsstellen und Stiftungen aus dem Ausland, darunter das weltweit erste Anti-Einsamkeitsministerium unter der ehemaligen Premierministerin Theresa May in Großbritannien sowie Parlamentskreise in der Schweiz, in Australien, Kanada und Japan”, heißt es auf der Homepage. Auch dazu wird auf Wikipedia mittlerweile recherchiert. Ergebnis: Anscheinend hat Kinnert nie die britische Regierung beraten, sondern war nur in einer Stiftung im Vorfeld beteiligt, wobei unklar ist wie weit und in welcher Form.
In den Medienberichten entstehe der Eindruck, “dass die Einrichtung eines Ministeriums für Einsamkeit durch die britische Regierung hauptsächlich das Resultat von Kinnerts Beratungstätigkeit sei”, bemerkt ein Wikipedia-Diskutant, “obwohl das relevante Papier dazu nur von der Stiftung veröffentlicht wurde. Offenbar war Kinnert für die Stiftung tätig – aber hat sie auch das relevante Papier zumindest mitverfasst?”
"Fakultätsmitglied" eines neu gegründeten Instituts?
Dann steht Kinnert noch: “Kinnert ist Fakultätsmitglied des im Dezember 2017 neu gegründeten European Institute of Exponential Technologies and Desirable Futures Futur/io mit Sitzen in Berlin, Salzburg und Venedig.” Dazu Stefan Weber: “Ein ‘Sitz’ in Salzburg ist mir als Salzburger nicht bekannt. Offenbar waren 2017 einige Kurse in Salzburg geplant oder wurden tatsächlich durchgeführt. Der von Harald Neidhardt gegründete Think Tank liest sich bei Kinnert so, als wäre er eine akademische Institution an verschiedenen fixen Standorten in Europa.”
Vieles bleibt auch offen bei der akademischen Laufbahn. Auf vier Studienorte, zwei bis drei Studienrichtungen und einen Bachelor stößt man in den Lebensläufen. Allerdings bleibt gerade beim Bachelor einiges im Unklaren: Er wird nicht überall erwähnt. Auf der Website etwa steht nur: “Nach dem Abitur studierte Kinnert Politikwissenschaft und Philosophie sowie Sozialwissenschaften an den Universitäten Göttingen, Amsterdam (NL), Köln und Berlin.” Der Facebook-Hinweis auf einen Bachelor-Abschluss in Göttingen 2013 passt darüber hinaus nicht zu einem anderen Lebenslauf, demzufolge Diana Kinnert auch nach 2015 noch als Studentin “an der Humboldt-Universität zu Berlin” bezeichnet wird. “Oder war dort ein Master geplant”, fragt Weber.
Am Ende bleiben auch hier mehr offene Fragen.
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