Regungslos verfolgte Ursula von der Leyen am Montagabend die Debatte im Straßburger Europaparlament. Eine Fraktion nach der anderen rechnete mit ihr ab. Die Linken warfen ihr vor, die EU habe „durch Feigheit und Untätigkeit den Genozid in Gaza begleitet“, wie die französische Abgeordnete Manon Aubry laut NZZ rief. Statt „Geld für Panzer“ brauche es „Geld für Spitäler“, so ihre scharfe Kritik.

Von rechts kam nicht weniger Gegenwind. Jordan Bardella, Chef des französischen Rassemblement National und Erstunterzeichner des Misstrauensantrags der „Patrioten für Europa“ (zu denen auch die FPÖ zählt), warf von der Leyen vor, mit ihrer Klimapolitik die europäische Autoindustrie „getötet“ zu haben. Auch die Migrationspolitik und die EU-Erweiterung standen im Kreuzfeuer: Die Union drohe, „zu einer seelenlosen Flagge“ zu verkommen, so Bardella.

Streit um Trump-Zölle und Mercosur-Abkommen

Selten waren sich politische Gegensätze so einig wie in dieser Debatte: Linke und Rechte attackierten gemeinsam von der Leyens Handelspolitik. Der Zoll-Deal mit den USA unter Donald Trump und das Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten sorgen für Empörung quer durch das Parlament.
Die EU habe, so der Vorwurf, gegenüber Trump „kapituliert“ und Kleinbauern geopfert, um Handelsfrieden mit Washington und Südamerika zu sichern.

Von der Leyen konterte ruhig – und mahnte zur Einheit: Europa befinde sich „in einer der gefährlichsten Situationen seit Jahrzehnten“. Spaltungen, warnte sie, würden nur den Gegnern nutzen.

Misstrauensanträge chancenlos – aber die Kritik wächst

Dass die Kommissionspräsidentin tatsächlich gestürzt wird, gilt als ausgeschlossen. Beide Anträge – von der Linksfraktion und den Patrioten für Europa – werden am Donnerstag im Parlament abgestimmt. Für eine Absetzung müssten zwei Drittel der Abgeordneten zustimmen. Die großen Fraktionen – EVP, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne – wollen geschlossen dagegen stimmen.

Doch die Angriffe bleiben nicht folgenlos. Auch in den eigenen Reihen wächst die Unzufriedenheit. Innerhalb der Europäischen Volkspartei (EVP) und der Sozialdemokraten regt sich Widerstand gegen von der Leyens Pläne für eine radikale Budgetreform. Die Idee: Ab 2028 sollen EU-Gelder nicht mehr in einzelne Fonds fließen, sondern in nationale Programme, deren Auszahlung an Zielvorgaben geknüpft wird. Besonders die EVP warnt, damit werde die bewährte Unterstützung für Landwirte gefährdet.

„Schaut auf die Schweiz, die hat 39 Prozent!“

Unterstützung erhielt von der Leyen in der hitzigen Debatte von EVP-Fraktionschef Manfred Weber, der gegen den Vorwurf der „Unterwürfigkeit“ beim Zollabkommen mit den USA austeilte:
„Ihr erzählt uns, ein Nationalstaat sei stärker als die EU. Schaut auf die Schweiz – die hat 39 Prozent!“ sagte Weber im Plenum.

Am Ende dürfte Ursula von der Leyen auch dieses Mal die Abstimmungen überstehen. Doch der Druck wächst. Denn das Signal aus Straßburg ist eindeutig: Von links bis rechts bröckelt das Vertrauen in ihre Führung.