
EU-Experten: „Kontrolle von Migration und Radikalisierung ist eine Illusion“
Ein Interview mit zwei EU-Experten in Brüssel lässt tief blicken. Zwar zeigt sich Brüssel erleichtert über die Verhinderung einer FPÖ-Regierung, doch während Österreich härtere Maßnahmen bei Asyl und Migration plant, zeichnen die Experten ein anderes Bild: Migration sei „nicht kontrollierbar“, Grenzschließungen „nicht möglich“.
Während die kommende Regierung noch vor ihrer Angelobung von breiten Teilen der Bevölkerung abgelehnt wird und die FPÖ in Umfragen weiterhin unangefochten auf dem ersten Platz liegt, ist man in Brüssel erleichtert über das Verhindern einer freiheitlichen Regierungsbeteiligung.
So sei „bei vielen Vertretenden der EU-Institutionen in Brüssel eine große Erleichterung über die neue Mitte-Regierung in Österreich zu spüren”, erklärt der Geschäftsführer des Brüsseler ‚Centre for European Policy Studies’ (CEPS) Karel Lannoo in einem Interview mit der APA. „Auch rechtsgerichtete Länder wie Polen werden nun merken, dass sie sich nicht mehr auf ihre besonderen Beziehungen zu Amerika verlassen können”, so Lannoo weiter.
Neutralität ist „klare Schwäche"
Besonders freut sich Lannoo über das im neuen Regierungsprogramm festgehaltene Bekenntnis zu einer „starken und besseren Europäischen Union” und macht wieder einmal deutlich, wie weit die Denker und Lenker in Parlament und Brüssel von der Stimmung in der Bevölkerung entfernt sind.
Aber es kommt noch besser: Laut Lannoo könne nur „ein starkes, geeintes Europa in einer Welt voller Feinde bestehen.” Deshalb müsse Österreich vielleicht seinen Status als neutrales Land ändern, denn „dieser ist eine klare Schwäche”.

Richtig interessant werden die Ansichten des CEPS-Chefs, wenn es um Migration und islamistischen Terror in Europa geht. „Wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, dass wir Migration oder Radikalisierung kontrollieren können”, gibt Lannoo tiefe Einblicke in die EU. Um geplante Terroranschläge vereiteln zu können, steht Österreich sowieso die Neutralität im Weg: „Wie kann man als neutrales Land an EU-Geheimdienstprogrammen teilnehmen?”

Rückendeckung erhält der EU-Experte von der EU-Expertin beim Brüsseler Think Tank Europe Jacques Delors, Sophie Pornschlegel. „Die Grenzen zu schließen ist auch einfach nicht möglich”, erklärt Pornschlegel und sieht die Gründe an den „vielen Attacken in Österreich und Deutschland” in einer „verfehlten Integrationspolitik”. Die Lösung wäre die Investition in eine „gute Integrationspolitik. Das würde aber viel Geld kosten.” Auf gut Deutsch: Schuld an den islamistischen Angriffen sind also die Österreicher und Deutschen selbst, da sie zu wenig Geld für eine „gute Integrationspolitik” in die Hand nehmen.
Flüchtende müssen korrekt aufgeteilt werden
Die geplanten Verschärfungen der neuen Regierung im Bereich Asyl und Migration werden von Brüssel bislang nicht kommentiert. Auch Lannoo reagiert nur mit einem „Jeder muss seinen Anteil der Last tragen.” Die EU werde laut dem Experten darauf achten, dass der neue Asyl- und Migrationspakt und der Solidaritätsmechanismus zur Aufteilung der Flüchtenden korrekt angewandt werde.
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