Ein Gesetz zur EU-Chatkontrolle, das die Privatsphäre von Millionen Bürgern gefährden könnte, soll nun doch verabschiedet werden – und das hinter verschlossenen Türen. Der Entwurf steht am Mittwoch auf der Tagesordnung der EU-Botschafter, und „ohne Diskussion“ könnte er durchgewunken werden, wie der EU-Abgeordnete Martin Sonneborn (Die Partei) berichtet.

Zunächst schien es, als würde die EU die umstrittene Überwachungsmaßnahme zurückziehen. Doch nun könnte das Gesetz zur Chat-Kontrolle in Europa doch noch Realität werden – auch wenn die ursprünglich geplante verpflichtende Überwachung offiziell gestrichen wurde.

Gefährliches Schlupfloch: Hintertür für Kontrolle bleibt offen

Trotz der Streichung der verpflichtenden Scans bleibt ein Schlupfloch: „Freiwillige Risikominderungsmaßnahmen“ sollen jetzt die Anbieter wie WhatsApp oder Signal dazu zwingen, private Nachrichten zu scannen – auch bei Ende-zu-Ende-verschlüsselten Kommunikationsdiensten. Digitalrechtsexperten warnen vor dem Ende sicherer Verschlüsselung.

Patrick Breyer, ein führender Digitalrechtsexperte, erklärte in einer Stellungnahme gegenüber der Berliner Zeitung, dass „clientseitiges Scannen auf unseren Smartphones bald Pflicht werden könnte, was das Vertrauen in Kommunikationsdienste enorm beschädigen würde.“

Brüssel spricht von Kinderschutz und Kampf gegen Missbrauch

Die EU-Kommission begründet den Entwurf mit dem Ziel, Kinderschutz und die Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch zu verbessern. Doch Experten und Datenschützer sehen die Gefahr, dass dieser Ansatz als Vorwand genutzt wird, um staatlich angeordnete Überwachung auf breiter Front zu legitimieren.

Die Freiwilligkeit der Maßnahmen wird als potenziell täuschend angesehen, da die Dienste gezwungen sein könnten, Maßnahmen zu ergreifen, die de facto zu einer flächendeckenden Überwachung führen.

Die FPÖ warnt vor Generalangriff auf Grundrechte

Auch die FPÖ lässt nicht locker: Petra Steger, EU-Abgeordnete der Freiheitlichen Partei, spricht von einem „Generalangriff auf Grund- und Freiheitsrechte“. Steger: „Die geplante Chatkontrolle ist ein massiver Eingriff in die Privatsphäre der Bürger, der die verschlüsselte Kommunikation gefährdet und uns alle der Überwachung aussetzt“, unterstreicht sie.

Die FPÖ sei entschieden dagegen, dass staatliche Kontrolle über private Kommunikation zur Norm wird – selbst wenn die Maßnahmen offiziell als „freiwillig“ bezeichnet werden.

Technologische Herausforderungen und Bedenken

Ein weiteres Problem ist die potenziell verheerende Wirkung auf die Sicherheit. Das clientseitige Scannen würde nicht nur die Verschlüsselung umgehen, sondern auch Sicherheitslücken schaffen, die von Cyberkriminellen ausgenutzt werden könnten. Dies könnte zu einem massiven Vertrauensverlust in digitale Kommunikationsmittel führen, warnen Experten.

Patrick Breyer warnt: „Diese Technik könnte das Vertrauen in Online-Dienste zerstören, weil sie den Nutzern das Gefühl gibt, ständig überwacht zu werden.“

Uneinigkeit in EU

Selbst wenn das Gesetz keine verpflichtende Kontrolle einführt, könnte die EU-Kommission hinter den Kulissen Entscheidungen treffen, die wieder zu einer staatlich angeordneten Überwachung führen. Dies könnte durch eine Überprüfungsklausel (Artikel 85) in Zukunft ermöglicht werden, in der die EU-Kommission die „Notwendigkeit“ und „Machbarkeit“ der Einführung verpflichtender Erkennungsmaßnahmen evaluiert.

Der Widerstand gegen das Gesetz kommt nicht nur aus Österreich, sondern auch aus anderen EU-Staaten wie Polen, Niederlanden und Deutschland, die sich gegen die Chatkontrolle aussprechen. Dennoch gibt es auch EU-Mitgliedstaaten wie Dänemark, Frankreich und Spanien, die diese Maßnahmen weiterhin unterstützen und eine dauerhafte Implementierung der „freiwilligen“ Scans anstreben.