Experte: Kronzeugen-Status für Thomas Schmid dauerte "ungewöhnlich lange"
Zwei Jahre hat es gedauert, bis die WKStA ihren neuesten Coup medienwirksam veröffentlichen konnten: Thomas Schmid erhält in der Chat-Affäre den schützenden Kronzeugenstatus. Für die Ermittler und ihn ist das aber durchaus auch ein Risiko, denn dass er tatsächlich straffrei bleibt, ist deswegen längst nicht in Stein gemeißelt, wie der Strafverfahrensrecht-Experte Prof. Hubert Hinterhofer weiß. Der Fall sei eher ungewöhnlich …
Exxpress: Ganz grundsätzlich: Wer kann denn so eine weitreichende Entscheidung über die Zuerkennung eines Kronzeugenstatus treffen?
Prof. Hubert Hinterhofer: “Die Frage der Anwendung liegt bei der Staatsanwaltschaft, allerdings handelt es sich hierbei um eine berichtspflichtige Angelegenheit. Die Wksta muss in dem Fall im Vorfeld an die Oberstaatsanwaltschaft berichten und um die Genehmigung des Vorhabens ersuchen. In dem konkreten Fall ist es sogar eine Sache für den Weisungsrates des Bundesministeriums für Justiz gewesen, um sich nach oben hin abzusichern.”
Warum ist das im konkreten Fall so, dass sogar das Justizministerium involviert worden ist?
“Weil es sich hierbei um Beschuldigte handelte, die Personen des öffentlichen Lebens sind und da muss die Staatsanwaltschaft nach oben hin berichten und sich solche Vorgänge absegnen lassen. Das greift etwa wenn Politiker oder Schauspieler, also Personen des öffentlichen Lebens, betroffen sind und daher auch ein öffentliches Interesse besteht.”
Jetzt besteht ja bei einer Kronzeugenregelung die Gefahr, dass ein Beschuldigter in Hoffnung auf Straffreiheit womöglich überzogene Anschuldigungen gegen Dritte präsentiert, um sich selber maximal zu schützen …
“Die Gefahr besteht tatsächlich immer. Die Staatsanwaltschaft muss hier genau unterscheiden. Zum Einen muss der Kronzeuge zu seiner Kronzeugentat, also den Vorwurf, der ihn selbst betrifft, ein reumütiges Geständnis ablegen.
Und dann muss er zusätzlich Tatsachen oder Beweise im Zuge einer Aufklärungstat, darunter versteht man die Tat eines Dritten, an die Staatsanwaltschaft liefern. Und er muss damit auch einen wesentlichen Beitrag liefern, dass diese Tat tatsächlich aufgeklärt wird. Es kann aber dann für den Kronzeugen ein Problem werden, wenn sich dann nachträglich herausstellt, seine Offenlegungen haben jetzt doch keinen wesentlichen Beitrag geleistet. Dann kann das Strafverfahren gegen ihn wieder weitergehen. Da bleibt einfach ein Restrisiko. Genauso besteht daher auch das Risiko, dass übertrieben denunziert wird. Da muss die Staatsanwaltschaft wirklich seriös und genau prüfen.”
Sprich: Es kann passieren, dass der Kronzeugenstatus nachträglich wieder aberkannt wird und dann trotz Geständnis mit einer Verurteilung gerechnet werden muss?
“Ja, das ist korrekt. Aus diesem Grund ist diese Regelung bislang auch hierzulande nicht sonderlich beliebt gewesen, weil einfach ein Restrisiko bleibt und die Strafverfolgung wieder eröffnet werden könnte.”
Wenn also jene Person, die der Kronzeuge beschuldigt, freigesprochen wird, muss der Kronzeuge damit rechnen, dass er doch nicht straffrei rauskommt?
“Exakt. Das kann auch eintreten, wenn der Kronzeuge Unwahrheiten von sich gegeben hat, die sich nicht bestätigen lassen. In der Telekom-Affäre etwa hat der Betroffene drei Jahre lang warten müssen auf die Entscheidung. Im aktuellen Fall sind es zwei Jahre. Auch aus diesem Grund war die Kronzeugenregelung bislang nicht sonderlich beliebt in der Anwendung.”
Eine Wartezeit von zwei Jahren wie jetzt im Fall von Thomas Schmid ist jetzt aus Ihrer Expertensicht weniger ungewöhnlich?
“Doch. Meines Erachtens ist das zu lange – auch wenn es ein umfangreicher Akt ist. Ob ein Kronzeugenangebot gemacht wird, bedarf einer Sonderprüfung. Und da müsste man eigentlich schneller sein, um eine Entscheidung zu fällen. Das ist ja für alle Beteiligten ein wichtiges Thema.”
Was denken Sie woran das liegt, dass es so lange gedauert hat?
“Die Wksta wird es richterweise mit der umfangreichen Aktenlage begründen, trotzdem glaube ich, dass zwei Jahre einfach zu lange sind.”
Zur Person: Prof. Hubert Hinterhofer stammt aus Salzburg und ist Universitätsprofessor für Straf- und Strafverfahrensrecht Sein Schwerpunkt ist Wirtschafts- und Europastrafrecht.
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