Gericht stellt klar: Kritik an Islamisten ist nicht islamophob
16 mutmaßliche Muslimbrüder, gegen die im Rahmen der Operation Luxor ermittelt wird, haben erfolglos die Enthebung der Sachverständigen beantragt. Ihren Vorwurf, die beiden Gutachter hätten eine “islamophobe Einstellung”, lässt das Landesgericht Graz nicht gelten.
Kritik an islamistischen Gruppierungen wie den Muslimbrüdern, der Hamas und Milli Görüs ist nicht islamophob. Ermittlungen gegen Personen, die diesen Organisationen mutmaßlich angehören, sind es daher auch nicht. Wer das Gegenteil behauptet, setzt implizit Kritik am Islamismus mit Kritik am Islam gleich. Mit dieser Argumentation tritt – kurz gefasst – die in der “Operation Luxor” ermittelnde Staatsanwaltschaft Graz den Anträgen jener 16 mutmaßlichen Muslimbrüder entgegen, die eine Enthebung der beiden Sachverständigen beantragt hatten – unter anderem mit dem Islamophobie-Vorwurf. Das Grazer Landesgericht hat sich, wie der dem eXXpress vorliegende Beschluss zeigt, dieser Argumentation angeschlossen.
Islamophobie-Vorwurf wird "als Kampfbegriff" verwendet, "um der inhaltlichen Diskussion auszuweichen"
Seit den Hausdurchsuchungen gegen 30 mutmaßliche Muslimbrüder kritisieren einige Beschuldigte die Ermittlungen pauschal als islamophob und richten diesen Vorwurf (neben anderen) auch gegen die beiden Sachverständigen – die Politikwissenschaftlerin Nina Scholz und den Historiker Heiko Heinisch. Wie der eXXpress bereits berichtete, hat das Gericht diese Anträge abgewiesen und keinen Grund für Befangenheit gesehen. In dem Beschluss, der dem eXXpress vorliegt, erhält die Auseinandersetzung mit dem Islamophobie-Vorwurf viel Raum. Die Staatsanwaltschaft Graz kommt dabei ausführlich zu Wort.
Zur behaupteten Befangenheit der Sachverständigen erklärt die Staatsanwaltschaft: “Den Begriff der Islamophobie erörtern sie (Anm. die Beschuldigten) nicht, sondern verwenden ihn als Kampfbegriff, um der inhaltlichen Diskussion ausweichen zu können.” Das Gutachten der Sachverständigen befasse sich nicht mit der “Religion Islam”, sondern mit “radikal-islamistischen Ideologien”. Die Staatsanwaltschaft weist mehrmals auf die implizite Gleichsetzung von islamistischen Ideologien mit dem Islam von Seiten der Beschuldigten hin und zieht daraus Rückschlüsse über eben diese Beschuldigten:
"Die Beschuldigten sehen in politischen Organisationen Repräsentanten der Religion des Islam"
“Die genannten Beschuldigten werten die Ermittlungen zum Gegenstand des Verfahrens, insbesondere zu den Vereinigungen Muslimbruderschaft, Hamas und Milli Görüs und deren Wirken in Österreich nicht nachvollziehbar als Kritik an der Religion Islam. Daraus ist zu schließen, dass die genannten Beschuldigten diese Vereinigungen nicht als politische, sich an der Ideologie des radikalen Islamismus orientierende Organisationen, sondern … als alleinige Repräsentanten der Religion des Islam werten.”
Einige Beschuldigte versuchen den Islamophobie-Vorwurf mit Verweis auf die Internetseite der Bridge Initiative zu belegen. Diese Website widmet sich der Islamophobie und ihren vermeintlichen Protagonisten, darunter auch einem der beiden Gutachter. Pikant: Ein Beschuldigter – der Politikwissenschaftler Farid Hafez – gehört selbst zum Team der Bridge Initiative, wie die Grazer Staatsanwaltschaft anmerkt. In einem Text auf dieser Homepage machen sich Akademiker und Juristen für Hafez stark und werten die Ermittlungen gegen ihn und andere mutmaßliche Muslimbrüder tatsächlich als islamophob – mit, höflich formuliert, gewagten Unterstellungen.
"Die Religion des Islam ist für das gegenständliche Verfahre ohne Bedeutung"
So werden dort die Hausdurchsuchungen als “Anwendung von Anti-Terror-Befugnissen durch die österreichische Regierung” bezeichnet. Nach dem Terroranschlag vom 2. November 2020 habe man “die Atmosphäre der Angst genutzt, um Massenrazzien gegen Professor Hafez und 29 weitere Personen zu legitimieren”. Und: “Die Razzien sind Ausdruck der Verschärfung der staatlichen Islamophobie in Österreich”. Die österreichische Regierung wolle so “Kritik an dieser Politik, die sich in staatlicher Islamophobie manifestiert” zensieren und unsichtbar machen.
Die Staatsanwaltschaft Graz entgegnet: “Die Ermittlungen richten sich jedoch nicht gegen den Islam oder Personen, weil diese Muslime sind”. Es gehe um eine “Verdachtslage auf Grundlage der genannten radikal islamistischen Ideologien handelnden Vereinigungen Muslimbruderschaft, Hamas und Milli Görüs”. Ermittelt werde gegen die Verdächtigen, unter anderem wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. “Die Religion des Islam ist für das gegenständliche Verfahren ohne Bedeutung, ebenso die religiöse Einstellung der Beschuldigten. Geprüft wird inwieweit die Beschuldigten sich als Mitglieder an der als terroristische Vereinigung anzusehenden Muslimbruderschaft beteiligt haben.”
Landesgericht hält die Argumentation der Staatsanwaltschaft für "überzeugend"
Das Landesgericht Graz hält am Ende fest: Hier “überzeugt die Argumentationslinie der Anklagebehörde”, auch die beiden Sachverständigen hätten “jegliche Befangenheit überzeugend in Abrede” gestellt.
Die Behauptung, das Landesgericht Graz habe die Sachverständigen tatsächlich abgezogen, die zunächst die Runde machte, hat sich bereits als Fake News herausgestellt. Aufgeben will der Politikwissenschaftler Farid Hafez – er war einer der 16 Antragsteller – aber nicht, wie er auf Twitter unterstreicht:
Das LG, welches die rechtswidrige Durchsuchung genehmigt hatte, ging auf keinen einzigen meiner Kritikpunkte an dem Gutachten ein. Soviel zum Rechtsschutz. Anstatt dessen will sie ein eigenes Gutachten von den beiden Autoren in Auftrag geben. Davor wird es Einspruch geben.
— Farid Hafez (@ferithafez) October 4, 2021
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