Großer Ukraine-Friedensgipfel in Wien – scharfe Kritik von ukrainischem Botschafter
Vom „größten internationalen Friedenskongress seit Beginn des Krieges“ sprechen die Veranstalter, von pro-russischer Propaganda der ukrainische Botschafter. Am Wochenende diskutieren in Wien Persönlichkeiten aus aller Welt – auch aus der Ukraine und aus Russland – über Chancen auf einen Frieden.
Prominente Persönlichkeiten kamen beim Wiener „Friedensgipfel“ bisher zu Wort, teilweise auch betroffene Stimmen aus der Ukraine selbst. Teils hagelte es scharfe Kritik an Washington und an der NATO, etwa von Seiten des berühmten US-Wirtschaftswissenschaftlers Jeffrey Sachs, dessen Videobotschaft eingangs gezeigt wurde. Doch auch Ukrainer forderten einen sofortigen Waffenstillstand – im Gegensatz zur Regierung in Kiew. Über die Lage in Russland und die dortige Berieselung mit Staatspropaganda klagte ein russischer Friedensaktivist.
Entschieden gegen die Konferenz hatte sich im Vorfeld der ukrainische Botschafter in Österreich, Vasyl Khymynets, ausgesprochen. Ihm zufolge hätte sie gar nicht stattfinden sollen. Der Friedensgipfel sei „russische Propaganda“, meinte er gegenüber der „Krone“. Er glaubt an Russlands Einflussnahme, denn die Konferenz stehe „eindeutig im Einklang mit russischer Propaganda“. Die Teilnehmer seien „Friedens-Pseudo-Aktivisten“, die „Russlands Verbrechen und diesen Krieg“ rechtfertigen würden. Der Grund: Die Organisatoren der Konferenz würden nicht „den vollen Abzug aller russischen Truppen fordern“. Doch genau das sei für den Frieden notwendig.
Sachs: Westen lehnte Russlands diplomatische Angebote ab
Unter dem Titel „Internationaler Gipfel für Frieden in der Ukraine“ finden sich zurzeit sämtliche internationale Gäste in Wien ein. Co-Organisator ist Reiner Braun, ein Veteran der westdeutschen Friedensbewegung, sowie zahlreiche internationale und österreichische Friedensinitiativen und linke NGOs.
US-Ökonom Jeffrey Sachs bezeichnete eingangs den Krieg in einem 24-minütigen Video als Desaster, das aus der unbeugsamen Arroganz der USA resultiere, sowie aus ihren Provokationen und ihrer Ablehnung diplomatischer Vorschläge. Der Krieg hätte in den vergangenen 30 Jahren unzählige Male verhindert werden können.
Diplomatische Angebote Russlands, einen Krieg zu vermeiden, seien von Washington zuletzt im Dezember 2021 und im März 2022 zurückgewiesen worden, klagte der Starredner, der überdies die von den USA betriebene NATO-Osterweiterung anprangerte. „Unsere Mainstreammedien erzählen die falsche Geschichte, dass dieser Krieg mit einer ‚unprovozierten Invasion‘ durch Putin am 24. Februar 2022 begonnen habe“, sagte der prominente Wirtschaftswissenschafter.
Der globale Süden auf der Seite der Friedensbewegung
Kritik an Russlands Präsident Wladimir Putin vermied der US-Amerikaner – im Gegensatz zum russischen Ingenieur Oleg Bodrow. Er warnte zum einen vor der Gefahr, die nun inmitten des Krieges von Kernkraftwerken ausgehe. Zum anderen schilderte er die dramatische Lage der russischen Zivilgesellschaft. Staatsmedien würden rund um die Uhr für die „Militärische Spezialoperation“ Werbung machen und unabhängige Medien geschlossen.
Ähnlich wie Sachs argumentierte die indische Universitätsprofessorin Anuradha Chenoy, der zufolge der globale Süden generell auf der Seite der Friedensbewegung stehe und Washingtons Kurs nicht befürwortet. Der globale Süden wolle sich als neutral in der Auseinandersetzung zwischen Westen und Russland positionieren, sei an guten Beziehungen zu Russland interessiert und sehe mehrheitlich die Hauptverantwortung für Krieg in der Ukraine bei USA und NATO, sagte sie. „An dem Tag, an dem der Westen das will, kann der Frieden eintreten“, sagte die Russland-Expertin.
Zwei Stimmen aus der Ukraine fordern bedingungslosen Waffenstilstand
Auch Ukrainer kamen zu Wort. Die in Österreich lebende ukrainische Aktivistin Kateryna Radtschenko und der aus Kiew zugeschaltete Pazifist Jurij Schelljaschenko forderten – anders als der ukrainische Botschafter – bedingungslosen Waffenstillstand, wofür sie umgehend Applaus im Saal erhielten. Andere äußerte sich die per Video zugeschaltete ukrainische Friedensaktivistin Nina Potarska. Ein derartiger Schritt sei auch mit hohe Kosten verbunden, warnte sie „Ein Waffenstillstand jetzt würde bedeuten, man akzeptiert, dass sich Familien nie mehr wiedervereinigen werden: Die Kontaktlinie würde zu einer spaltenden Grenze“, sagte sie.
Bereits im Vorfeld hatte die ukrainische Botschaft und andere Stimmen immer schärfere Kritik am „Friedensgipfel“ geübt. Die Veranstaltung hätte eigentlich in den Räumlichkeiten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) stattfinden sollen. Kurzfristig hat der ÖGB schließlich einen Rückzieher gemacht und die Räumlichkeiten nicht länger zur Verfügung gestellt. Die Veranstaltung findet nun am Wochenende in Wien-Penzing statt.
Ein Ziel des Friedensgipfels ist die Veröffentlichung eines globalen Appells für Waffenstillstand und Verhandlungen in der Ukraine.
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