Die neue EU-Jobformel: Beziehungen statt Bilanzen. Nicht Fachwissen oder Erfahrung zählen, sondern das richtige Parteibuch – und ein paar Kaffeekränzchen in Brüssel. Ex-Kanzler Karl Nehammer winkt ab September ein Spitzenjob bei der Europäischen Investitionsbank (EIB). 31.000 Euro Monatsgehalt, wie exxpress berichtete. Und warum? Weil er laut SPÖ in der EU „gut vernetzt“ ist.

Bedanken können sich Christian Stocker (l.) und Karl Nehammer (r.) vor allem bei Brüssel – und bei den Steuerzahlern.APA/MAX SLOVENCIK

Das reicht, meint Wirtschaftsexperte Ewald Nowotny, ehemaliger EIB-Direktor und SPÖ-Urgestein. Die Begründung: Nehammer sei zwar kein Banker, aber er kenne sich in Brüssel aus. Willkommen im Karriere-Turbo der EU! Einmal Kanzler – und dann Banker.

„Gut vernetzt“ statt gut qualifiziert?

Die Nominierung Nehammers zum EIB-Vizepräsidenten wurde von SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer unterzeichnet. Für viele ein Fall von Postenschacher alter Schule. Doch nun rückt die SPÖ aus, um die Entscheidung öffentlich zu verteidigen.

Im Ö1-Morgenjournal sagte Nowotny wörtlich: „Es ist sicherlich auch ein Vorteil, dass Herr Nehammer durch seine Zeit als Kanzler auf der europäischen Ebene bestens vernetzt ist. Natürlich, die Aufgabe der Bank selber ist eine Bankaufgabe, aber ich glaube, da kann er sich auch auf sehr gute Expertinnen und Experten in der Bank selber stützen.“

In der Corona-Zeit berief sich Karl Nehammer ständig auf „die Expertinnen und Experten“. Die werden ihm auch jetzt helfen, versichert SPÖ-Mann Ewald Nowotny (Bild).APA/HANS PUNZ

Das ist kein Ausrutscher – sondern offenbar die offizielle Argumentationslinie. Denn laut der EIB-Geschäftsordnung gilt: „Die Mitglieder des Direktoriums sind Persönlichkeiten, die sich durch Unabhängigkeit, Kompetenz und Erfahrungen speziell im Finanz- und Bankwesen und/oder mit Themen der Europäischen Union auszeichnen.“

Mit anderen Worten: Man braucht zwar keine Ahnung von Finanzen zu haben, aber bitte zumindest ein paar Händedrücke in Brüssel. Networking statt Know-how lautet die Devise. Das reicht offenbar für einen der einflussreichsten Jobs im EU-Finanzapparat.

Auffallend gut gelaunt war Nehammer beim ÖVP-Bundesparteitag Ende März (im Bild an der Seite von Kanzler Stocker). Jetzt wissen wir warum!APA/MAX SLOVENCIK

Der Deal: SPÖ kriegt das Ministerium, die ÖVP den Tob-Job in Luxemburg

Hinter der Nominierung steht ein klassischer Koalitionsdeal. Ö1-Morgenjournal berichtete: „Molterer hat seine Partei, die ÖVP, vor geraumer Zeit daran erinnert, dass da bald ein wichtiger EU-Posten für Österreich frei wird, und der neue ÖVP-Chef Christian Stocker hat das offenbar in die Verhandlungen mit der SPÖ eingebracht. Die bekam den Finanzminister, Nehammer den EIB-Job. Ob der Deal noch weitreichender ist, weiß man nicht.“

Und weiter: „Finanzminister Marterbauer wurde dem Vernehmen nach mit der Tatsache Nehammer konfrontiert – und hatte nichts dagegen.“ Das offizielle Schreiben zur Nominierung wurde diese Woche abgeschickt. Nehammers künftiger Arbeitsplatz: Luxemburg. Dort wird er ab Herbst nicht nur Europas Milliarden mitverwalten, sondern auch mit einem Gehalt von mindestens 31.000 Euro monatlich belohnt – rund 7.000 Euro mehr als als Kanzler, und sogar mehr als der Bundespräsident.

Nehammer mit Olaf Scholz (SPD): Was dabei herauskommt? Offenbar wichtige Vorarbeiten für die spätere Karriere!APA/AFP/Attila KISBENEDEK

Überraschung aus der Zeitung – und kein Kommentar

Bemerkenswert: Der dritte Regierungspartner, die NEOS, wusste nichts von der Nominierung. Die Pinken erfuhren davon aus der Zeitung  – und waren gelinde gesagt überrascht. Mit öffentlicher Kritik halten sie sich aber zurück.

Gegenüber dem exxpress erklärte der NEOS-Parlamentsklub: „Die Position im Direktorium der EIB ist keine Position, die in die gemeinsame Kompetenz der Bundesregierung fällt. Das alleinige Nominierungsrecht obliegt dem Bundesministerium für Finanzen.”

FPÖ: „Rekordverschuldung und jetzt Banker – das ist ungeheuerlich“

Nicht so zurückhaltend zeigt sich die in der Opposition befindliche FPÖ: Generalsekretär Christian Hafenecker spricht vom „rot-schwarz-pinken Postenschacher im Retro-Stil der 1990er“. Besonders bitter: Ausgerechnet Nehammer, so Hafenecker, sei als Kanzler mitverantwortlich für die Rekordverschuldung Österreichs – und soll nun bei der EU-Bank über Milliarden entscheiden?

„Eine solche Vorgangsweise ist schlichtweg ungeheuerlich.“ Hafenecker fordert die Regierung auf, die Entscheidung umgehend zurückzunehmen, und richtet einen klaren Appell an NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger: „Ich erwarte mir von der NEOS-Chefin eine klare und unmissverständliche Stellungnahme zu diesem unrühmlichen Postenschacher. Traten doch die NEOS in der Opposition rigoros gegen Postenschacher auf.“