Islamismus-Schock – und der Geheimdienst-Chef flieht: eine verheerende Optik
Ein zeitlicher Zusammenhang, der Fragen aufwirft: Erst der Rücktritt von DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner, dann der Maulwurf-Skandal. War der Verdacht intern längst bekannt? Die Vertrauenskrise im Staatsschutz ist massiv – und Österreichs Nachrichtendienst seit Jahren von Pannen geprägt.
Rücktritt vor dem Skandal: DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner verließ die Behörde – kurz bevor ein Islamist im Nachrichtendienst aufflog.APA/ALEX HALADA
Möglicherweise hat DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner rechtzeitig die Flucht angetreten. Im September kündigte er überraschend seinen Rücktritt bis Jahresende an – aus „privaten Gründen“, wie es hieß. Doch nur wenige Wochen später erschüttert ein handfester Eklat das Vertrauen in die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN): Ein Mitarbeiter soll geheime Informationen an die extremistische Muslimbruderschaft weitergegeben haben.
Der zeitliche Zusammenhang ist brisant – und wirft naheliegende Fragen auf: War der Skandal intern längst bekannt?
Der Maulwurf im Nachrichtendienst
Ein Maulwurf in den eigenen Reihen – der exxpress berichtete. Der enttarnte DSN-Mitarbeiter wurde als Spion der radikal-islamischen Organisation Muslimbruderschaft identifiziert, suspendiert und angezeigt. Die Ermittlungen laufen weiter. Angeblich soll der Mann ägyptischer Herkunft sein. Über ihn gelangten geheime Informationen an die Bruderschaft. Wochenlang wurde er beobachtet, nach einem Treffen mit der verfassungsfeindlichen Gruppierung schließlich gestoppt.
Von einer „unglaublichen Meldung“ spricht der deutsche Extremismus-Experte Ahmad Mansour: „Ein schwerer Verrat aus den eigenen Reihen – mitten in einer Zeit akuter Terrorgefahr“, kommentiert er.
Eine unglaubliche Meldung, die in Deutschland kaum Beachtung fand:
— Ahmad Mansour 🎗️ (@AhmadMansour__) October 9, 2025
In Österreich wurde ein Mitarbeiter der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) verhaftet – er soll Islamisten, darunter Mitglieder der Muslimbruderschaft, über laufende Ermittlungen informiert
Ein…
Auch die Wiener Politikwissenschaftlerin Nina Scholz zeigt sich alarmiert: „Die Infiltration staatlicher Sicherheitsbehörden durch radikalislamische Organisationen ist ein massives Risiko für die nationale und europäische Sicherheit.“
Die Muslimbruderschaft: Infiltration als Strategie
Scholz verweist auf die ideologische Agenda der Muslimbruderschaft, die über ein weit verzweigtes Netzwerk in Europa und den USA verfügt. Deren erklärtes Ziel sei die schrittweise Islamisierung des Westens – durch Infiltration von Parteien, Institutionen und NGOs. „Europa soll durch den Marsch durch die Institutionen transformiert werden“, unterstreicht Scholz.
Die Bruderschaft hat im Lauf ihrer Geschichte auch mehrere terroristische Ableger gegründet – etwa die Hamas, erklärt die Politologin.
In Österreich wurde lt. Medien ein Mitarbeiter der Verfassungsschutzes (DSN) als Spion der Muslimbruderschaft enttarnt, suspendiert und angezeigt. Er soll geheime Informationen an die extremistische Organisation weitergegeben haben. Nach wochenlanger Beobachtung wurde er nach… pic.twitter.com/QVsE2LneEr
— Nina Scholz (@NinaaScholz) October 8, 2025
DSN unter Druck: Vertrauen verspielt
Das Innenministerium bemüht sich, zu beschwichtigen. Gegenüber dem exxpress heißt es: „Die internen Kontrollmechanismen, die im Zuge der Neuaufstellung der DSN 2021 implementiert wurden, haben gegriffen und maßgeblich dazu beigetragen, das Fehlverhalten aufzudecken.“
Der enttarnte Mitarbeiter habe keinen Zugriff auf nachrichtendienstliche Informationen gehabt, betont das Ministerium. Doch selbst diese Erklärung kann nicht darüber hinwegtäuschen: Der Vorfall bringt die junge Behörde in schwere Bedrängnis – und weckt Zweifel an ihrer Funktionsfähigkeit.
Vom BVT zum DSN: Ein Neuanfang, der keiner war
Die DSN wurde 2021 als Konsequenz aus den schweren Pannen beim Wiener Terroranschlag vom 2. November 2020 gegründet. Damals geriet das alte Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) massiv in Kritik – es habe entscheidende Warnsignale übersehen. Unter Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) wurde der Staatsschutz neu aufgestellt: Die DSN sollte politische Einflussnahme beenden und das Vertrauen in Österreichs Sicherheitsbehörden wiederherstellen.
Doch schon der Start verlief chaotisch. Zwei neu geschaffene Außenstellen hatten keine eigenen Büros, Beamte arbeiteten provisorisch von zu Hause – auf privaten Laptops. Offiziell sollten sie extremistisches Gedankengut im Netz beobachten, inoffiziell fehlte es an allem: Infrastruktur, Zugangssystemen, Koordination – der exxpress berichtete. Das war kaum die Verbesserung, die versprochen worden war.
Falsche Prioritäten und fragwürdige Auftritte
Statt auf die wachsende islamistische Bedrohung konzentrierte sich die DSN zu Beginn primär auf Corona-Protestgruppen – was selbst in islamistischen Kreisen mit Häme kommentiert wurde. Doch damit nicht genug.
2023 sorgte dann ein anonymes Interview eines DSN-Beamten im profil für Empörung: Darin forderte er, „Fake News“ unter Strafe zu stellen, was faktisch auf ein Ende der Meinungsfreiheit hinausgelaufen wäre. Das Innenministerium musste öffentlich dementieren. Ein kommunikativer Totalschaden, der Zweifel an der Kompetenz der Behörde verstärkte.
Personalchaos und Vertrauensverlust
Auch personell blieb die DSN instabil: Der Vize-Direktor David Blum verließ die Behörde bereits Anfang 2023 nach nur 14 Monaten. Der zweite Vize, Michael Lohnegger, wechselte 2024 ins Landeskriminalamt Steiermark. Und nun kündigte auch Direktor Haijawi-Pirchner selbst seinen Rücktritt an.
Drei Spitzenkräfte in drei Jahren – ein deutliches Zeichen struktureller Probleme. Gleichzeitig warnte die NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper vor einem „Aderlass an Fachwissen“ und schleppendem Recruiting.
Das große Versprechen – und die bittere Realität
Schon 2015 hatte die Neue Zürcher Zeitung in einem ausführlichen Artikel („Im Schatten der Muslimbruderschaft“) auf Personen mit mutmaßlicher Nähe zur Bruderschaft in Österreichs Präventionsarbeit hingewiesen. Experten warnten damals vor dem „Bock-zum-Gärtner“-Effekt: Wer Islamismus bekämpfen will, darf keine Islamisten einstellen. Offenbar hat man auch im neuen Staatsschutz diese Lektion nicht gelernt.
Mit seinem Abtritt hinterlässt Omar Haijawi-Pirchner keinen starken Nachrichtendienst, sondern eine Behörde im Krisenmodus – überfordert, von Pannen gezeichnet und nun durch einen Islamismus-Skandal erschüttert. Eine schlechte Nachricht für Österreich.
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