In Israel herrscht große Erleichterung – aber auch stille Trauer. Kommunikationsberater Daniel Kapp, der bis zuletzt mit den Familien der Geiseln in Kontakt stand, schildert im exxpressTV-Gespräch, was sich in diesen Tagen in Israel abspielt – und warum Donald Trump das Lob für diesen Deal voll und ganz verdient.

Hunderte Tage in einem ein Meter breiten Tunnel

Kapp stand zunächst mit der Familie des österreichisch-israelischen Staatsbürgers Tal Shoham in Kontakt, der im Februar freigelassen wurde. Shoham hatte 481 Tage in einem Tunnel, kaum einen Meter breit und sieben Meter lang, verbracht – gemeinsam mit Eviatar David und Gai Gilboa Dalal, die erst jetzt im Trump-Deal freikamen. Auf Shohams Bitte unterstützte der Politikberater auch deren Familien, weil er erkannt hatte, wie wichtig internationale Netzwerke für die Freilassung waren.

Eviatar David während seiner Geiselhaft und nach der Freilassung: Der junge Israeli musste abgemagert sein eigenes Grab schaufeln. Daniel Kapp unterstützte seine Familie.X/Screenshot

„Heute ist ein Tag der Freude“, sagt Kapp. „Alle noch lebenden Geiseln sind wieder auf israelischem Boden.“ Die jungen Männer waren beim Nova-Musikfestival im Süden Israels, als die Hamas das Friedensfest überfiel und hunderte Menschen tötete. „Eviatar war Musiker, Gai ein begeisterter Japan-Fan“, erzählt Kapp. „Sie waren lebensfrohe, charismatische Burschen.“

Unmenschliche Haftbedingungen – „Tal blieb mental unglaublich stark“

Die Bedingungen in den Tunneln seien laut Shoham „grauenhaft“ gewesen: kein Licht, kaum Luft, minimale Nahrung. „Die Hamas hortete Hilfsgüter und nutzte zivile Infrastruktur – sogar Krankenwagen des Roten Halbmonds – für ihre Zwecke“, berichtet Kapp.

Tal Shoham (l.) nach seiner Freilassung mit Daniel Kapp (r.)Georges Schneider/Foto

Trotz dieser Tortur sei Shoham gefasst geblieben: „Er hat keine Panikattacken, keine Flashbacks – er hat eine innere Ruhe, die ihn gerettet hat.“ Für die jüngeren Geiseln sei er wie ein Mentor gewesen.

Israel, sagt Kapp, habe diesen Krieg nicht gewollt: „Er wurde von der Hamas provoziert – geführt wurde er, um die Geiseln zu befreien. Jetzt, mit ihrer Rückkehr, kann der Krieg enden.“

„Eine dunkle Wolke ist gefallen“

Auch die Familien seien zutiefst bewegt. „Gestern Abend habe ich sie gesehen – Menschen, die ich monatelang nur versteinert erlebt habe. Plötzlich strahlen sie“, erzählt Kapp.

Zwei Jahre lang hätten sie zwischen Angst und Hoffnung gelebt, belastet von Propagandavideos, in denen ihre Kinder ausgemergelt vorgeführt wurden. „Jetzt ist diese Last weg – und die Gesichter leuchten.“

Auch Guy Gilboa Dalal ist wieder mit seiner Familie vereint.X/Screenshot

Trump als Schlüsselfigur: „Frieden durch Stärke“

Kapp spart nicht mit Lob für Donald Trump: „Ohne ihn und das strategische Geschick seines Schwiegersohns Jared Kushner wäre dieser Deal nie zustande gekommen. Frieden durch Stärke – das ist die Formel, die funktioniert hat.“

Trump habe die arabischen Staaten, darunter Katar und die Türkei, mit diplomatischem Druck und klarem Machtbewusstsein eingebunden. „Viele in der Region haben die Nase voll von der Hamas. Sie wollen Stabilität, nicht ewigen Krieg.“

Der frühere US-Präsident habe – anders als Joe Biden oder Kamala Harris – „die Sprache des Nahen Ostens verstanden“, betont Kapp. „Er hat durch Stärke verhandelt und jedem potenziellen Störenfried, besonders dem Mullah-Regime in Teheran, Grenzen aufgezeigt.“

Kamal Harris und Joe Biden als US-Präsident? Daniel Kapp möchte sich gar nicht vorstellen, was das bedeutet hätte.APA/AFP/Drew ANGERER

Europa auf dem falschen Dampfer

Scharfe Worte findet Kapp für Europa: „Die EU hat eine traurige Rolle gespielt – allen voran Spanien, Irland und Frankreich. Manche westliche Regierungen haben eine fast feindliche Haltung gegenüber Israel eingenommen.“

Auch Organisationen wie Amnesty International hätten mit ihrer Einseitigkeit der Hamas-Propaganda in die Hände gespielt. „Manche arabische Staaten haben heute einen klareren Blick auf die Hamas als viele Europäer“, sagt Kapp. „Israel wird sich merken, wer in diesen zwei Jahren Freund war – und wer nicht. Österreich zählt zu den Freunden.“

„Die Menschen in Gaza müssen entscheiden, unter welcher Herrschaft sie leben wollen“

Mit der Freilassung der Geiseln habe die Hamas ihr stärkstes Druckmittel verloren, meint Kapp. „Jetzt beginnen die Kämpfe in Gaza – zwischen der Hamas und anderen Gruppen, die sich gegen sie stellen. Die Bevölkerung wird entscheiden müssen, ob sie weiter Terror oder endlich Zukunft will.“

Die Kontrolle über Waffen und Finanzströme – vor allem über Ägypten – werde entscheidend sein. „Hier kann man den Hebel ansetzen.“

Zwischen Erleichterung und Schmerz

Kapp bleibt noch kurz in Israel, um die Familien weiter zu begleiten. Am Sheba-Krankenhaus in Ramat Gan werden die Rückkehrer medizinisch untersucht. Die Freude ist groß, doch die seelischen Wunden bleiben: „Ich habe vier Geiselfamilien kennengelernt – ihre Geschichten sind nur ein Bruchteil des Gesamtleids. Über 1.200 Tote, 250 Entführte – unfassbar viele Schicksale.“

Klar sei auch: „Das Happy End gibt es im Kino – wenn der Cowboy in den Sonnenuntergang reitet. Im echten Leben beginnt am Tag danach die Mühe der Ebene.“ Jetzt gehe es darum, dass die Hamas Israel endlich in Ruhe lässt und im Gazastreifen eine Zukunft entsteht, „in der die Menschen aufhören zu kämpfen und anfangen, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen.“