Die jüngsten Proteste gegen die geplante Austro-Ampel sind offenbar nicht spurlos an ÖVP-Chef Karl Nehammer vorbeigegangen. In der ersten Folge seines neuen Podcasts “Karl, wie geht’s?” spricht er an gleich mehreren Stellen über politische Versäumnisse in der jüngeren Vergangenheit. Und er räumt offen auch eigene Fehler ein, besonders die Kommunikation betreffend. So sei die missglückte ÖVP-Kampagne zur “österreichischen Leitkultur” zwar grundsätzlich gut und richtig gewesen, aber in der Vermittlung sei zu Fehlern gekommen, so der ÖVP-Chef. “Wir haben da den Fehler gemacht von parteipolitischer Seite aus mit drei verunglückten Online-Sujets in der Darstellung, was wir unter Leitkultur verstehen. Da war ein großer Shitstorm und dann ist die Diskussion völlig falsch abgebogen”, erinnert sich Nehammer.

Und auch im hier und jetzt habe er mit Problemen zu kämpfen, denn es sei “alles andere als einfach” in den laufenden Regierungsverhandlungen mit SPÖ und NEOS Kompromisse zu finden, um eine “Koalition der Mehrheit” zu bilden. Ob das wirklich in den kommenden Wochen gelingen kann, stuft Karl Nehammer mittlerweile zurückhaltend ein. Die Chancen schätzt er “50 : 50” ein, wie er in der ersten Podcast-Folge erklärt.

Das Problem sei demnach in erster Linie, die eigenen Positionen nicht aufgeben zu wollen und trotzdem gemeinsame Lösungen zu finden. Ohne es konkret auszusprechen, dürfte er auf den jüngsten Disput um die von der SPÖ geforderten Vermögens- und Erbschaftssteuern anspielen, die für ihn und die ÖVP “eine rote Linie” darstellen.

Kickl habe Forderungen gestellt, denen Nehammer nicht zustimmen konnte

Warum also schließt er also nicht einfach einen Pakt mit Wahlgewinner FPÖ, mit der es inhaltlich mehr Überschneidungen gibt? “Das ist vielleicht eine gute Chance, um mit gewissen Mythen aufzuräumen”, so der Bundeskanzler. “Diese vermeintliche Nähe zwischen Volkspartei und FPÖ in Wirtschaftspunkten ist tatsächlich nur eine vermeintliche. Ich hab ein Angebot von Herbert Kickl bekommen, dass wir eine Koalition eingehen sollen. Darin waren mehrere Punkte aufgeführt, meine Punkte hat er gar nicht erst zur Kenntnis genommen”, erinnert sich der ÖVP-Chef.”In diesem Vorschlag (der FPÖ, Anm. d. Red) stand unter anderem drin, dass wir uns gemeinsam zum EWR bekennen. Das war unsere Warteplatz bevor wir Vollmitglied der Europäischen Union geworden sind. (…) Wir als Österreicher bestimmen in Brüssel über die Gesetze mit, währenddessen die Mitglieder im EWR die Beschlüsse einfach annehmen müssen. Das heißt, das ist ein Rückschritt und kein Fortschritt.” Der Vorschlag der FPÖ sei angesichts der Stärkung Österreichs “untauglich”, betont Nehammer.

Außerdem habe die FPÖ gefordert, dass alle internationalen Verträge geprüft werden müssen. “Österreich hat 52 solcher Verträge. Fange ich jetzt an, jeden neu zu verhandeln, bedeutet das Unsicherheit und Destabilisierung.”

Nicht alles, was unter Türkis-Blau passiert ist, sei fortschrittlich gewesen: “Es ist damals nicht gelungen, die Mindestsicherung und die Sozialhilfe zu reformieren. Da waren die Freiheitlichen schnell dagegen. Und bis heute ist es uns nicht gelungen, die Sicherheit in Österreich zu erhöhen, indem wir der Polizei und der Justiz die Möglichkeit geben, Verschlüsselungsdienste wie Signal, Whatsapp oder Telegram zu entschlüsseln, wo sich Terroristen, organisierte Kriminalität und radikale Gruppen austauschen. All das geht eben nicht mit einer FPÖ”, so der ehemalige Innenminister. Die Freiheitlichen seien eben “inhaltlich keine Alternative”, so sein Fazit.

Nehammer verspürt intern "Druck" wegen Pakt mit Babler

Es sei zwar inhaltlich mit SPÖ und NEOS nicht wirklich leichter, “aber es ist seriöser, weil in Fragen der Problemdefinition und -lösung Diskussionsbereitschaft besteht sowie ein gleiches Verständnis von Demokratie und Umgang miteinander.”

Nehammer würde aktuell sehr wohl einen “Druck” in der Volkspartei verspüren, weil er sich mit SPÖ-Chef Andreas Babler an einen Verhandlungstisch gesetzt hat, der sich im Wahlkampf “sehr radikal” präsentiert habe. “Die Wahrheit ist, er ist in den Verhandlungen als Sozialdemokrat auch sehr pragmatisch. Und so gehen wir jetzt an diese Problemstellungen heran.”

In Anbetracht der Alternativen sei die Austro-Ampel aus seiner Sicht “noch die beste Variante”, die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler mitzunehmen.