
Kickl bleibt hart: Brauchen einen Kurswechsel bei Finanzen und Sicherheit
Die Ressortverteilung sorgt derzeit für Streit zwischen FPÖ und ÖVP. Nun hat sich erstmals FPÖ-Chef Herbert Kickl dazu geäußert. Er pocht auf das Finanz- und das Innenministerium. Seine Begründung: Angesichts des Budgetlochs und der Fehler in der Migrationspolitik wollen die Menschen einen Kurswechsel.

Vier Schlüsselministerien sind – von kurzen Unterbrechungen abgesehen – seit Jahrzehnten in der Hand der ÖVP (siehe Info-Kasten unten). Obwohl die Volkspartei in den Koalitionen mit der SPÖ stets Zweiter war, konnte sie zuletzt ihre Kandidaten im zentralen Finanzministerium sowie im Innen-, Außen- und Justizministerium unterbringen.
Doch an zwei Ministerien entzündet sich nun der Streit mit den Blauen. FPÖ-Chef Herbert Kickl will Finanzen und Inneres künftig in freiheitlicher Hand sehen. Dabei gehe es aber nicht „um Posten und Macht“, wie Kickl auf Facebook betont: „Genau dieses ‚alte Regieren‘ wurde am 29. September abgewählt“. Vielmehr gehe es der FPÖ um eine Wende, die sich die Österreicher in diesen beiden Bereichen wünschten, wie das Wahlergebnis zeige.
Es gehe um Dienst, nicht um Macht
Für den freiheitliche Bundesparteiobmann steht fest: „Die Menschen in Österreich sehnen sich nach politischer Veränderung. … Sie wollen einen ehrlichen Kampf gegen die Teuerung, sie wollen ein ordentliches und ehrliches Budget statt einem Schuldenberg und sie wollen eine ehrliche Migrations- und Sicherheitspolitik, die endlich wieder klar macht, dass Österreich Herr im eigenen Haus ist.“
Es gehe nicht um „Überschriften“, denn: „Politik, das heißt arbeiten.“ Es sei falsch, alles unter dem Gesichtspunkt der Machtverteilung zu sehen, denn: Ein guter Minister und ein guter Kanzler müssten „ein Diener, ein Mittel“, sein, „um dem Willen der Österreicher in ganz bestimmten politischen Bereichen umzusetzen“.
Kickl kritisiert Fehler bisheriger Innen- und Finanzminister der ÖVP
Deshalb sei es auch so wichtig, „dass wir die Verantwortung für die Finanzen und den Staatshaushalt haben. Die letzten Finanzminister waren es ja, die dieses Budget mit Milliardenschulden zu verantworten haben. Da kann es kein ‚Weiter wie bisher‘ geben. Dort muss wieder mit Hausverstand gespart werden, dort gilt ‚zuerst sanieren, dann investieren‘ als Grundsatz der Politik. Dann wird es eine gute Zukunft geben.“
Ebenso sei es bei Sicherheit und Migration. „Ja, ich weiß, dass der ÖVP diese Bereiche auch wichtig sind.“ Allerdings seien auch hier „ganz viele Fehler seit 2015 in Österreich, Deutschland und Europa von Vertretern der konservativen Parteien, zu denen auch die ÖVP gehört, verursacht wurden.“ Herbert Kickl nennt die Namen „Merkel, Juncker oder von der Leyen“.
ÖVP „überrascht“ über Kickls Facebook-Posting
Der freiheitliche Bundesparteiobmann zeigt sich hier – zumindest nach außen – nicht kompromissbereit: „Die FPÖ und ich, wir wollen einen Kurswechsel in der Sicherheitspolitik und beim Asylkurs.“ Hier wolle die FPÖ auch Verantworten übernehmen. „Aber wenn wir die Ergebnisse verantworten, dann müssen wir zuvor auch diejenigen sein, die die Möglichkeit haben, diesen Kurs zu gestalten und Schritt für Schritt umzusetzen. Deshalb ist das Innenministerium wichtig.“
Fazit: „Wir wollen den notwendigen Kurswechsel schaffen, den ihr am 29. September gewählt habt.“
Die ÖVP reagierte verwundert auf Kickls Facebook-Statement: „Wir haben uns vor einigen Wochen dazu entschieden, ehrlich und konstruktiv mit der FPÖ über die Bildung einer Regierung zu verhandeln“, erklärte sie .Vieles habe gelöst werden können, „wichtige Punkte“ seien noch offen. „Das heutige Facebook-Posting von Herbert Kickl hat uns daher überrascht“, heißt es in dem Statement weiter. „Wenn man einen Partner für eine gemeinsame Regierung finden will, sollte man auf diesen zugehen und ein Angebot auf Augenhöhe unterbreiten.“
Fazit: „Herbert Kickl hat den Auftrag angenommen, eine Regierung zu bilden. Daher liegt der Ball bei ihm.“
Insider sprechen bereits von einem Kompromiss
Bevor sich Kickl via Facebook an seine Wähler wandte, kolportierten Insider bereits einen Kompromiss, der aus dem Umfeld der Verhandler zu hören war: Demnach bekommt die FPÖ das Finanzministerium, das Innenministerium bleibt aber bei der ÖVP. Auch die EU-Agenden, die Kickl gerne im Kanzleramt sehen würde, dürften wieder ins Außenministerium wandern, das bei der Volkspartei bleibt. Dafür könnte die FPÖ einen Staatssekretär im Innenministerium stellen, der etwa die Agenden des Verfassungsschutzes übernimmt.
Dass die FPÖ beide Ministerien – Finanzen und Inneres – bekommt, halten viele auch nach der Stellungnahme des FPÖ-Chefs für unrealistisch.
Wie Schlüssel-Ministerien nach und nach zur ÖVP wanderten
Seit Jahrzehnten waren vier Schüssel-Ministerien – von kurzen Unterbrechungen abgesehen – fast immer in der Hand der Volkspartei, am längsten das Außenministerium, dann folgten – in chronologischer Reihenfolge – das Innen-, das Finanz- und zuletzt das Justizministerium.
Seit 1987, als Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) nach der Wahl Jörg Haiders zum FPÖ-Bundesparteiobmann den fliegenden Wechsel zur Volkspartei vollzog, kamen alle Außenminister ausnahmslos aus den Reihen der ÖVP; nur in den türkis-blauen Jahren (2017 bis 2019) übernahm Karin Kneissl als von der FPÖ nominierte, aber parteiunabhängige Ministerin dieses Amt. Dass die Sozialdemokraten dieses Ressort an die Volkspartei abtraten, schmerzten damals den ehemaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ).
Das Innenministerium ging erst später, im Jahr 2000, mit der ersten schwarz-blauen Regierung an die Volkspartei. Dort blieb es seither auch – wieder von der kurzen türkis-blauen Regierung (2017 bis 2019) abgesehen, in der Kickl Innenminister war.
Den Finanzminister stellten seit Kreisky bis Ende der 1990er Jahre stets die Sozialdemokraten. Unter Schüssel I wanderte er schließlich zur FPÖ, doch der zuständige Minister Karl-Heinz Grasser wechselte schließlich die Seiten, war aber 2003 parteiunabhängiger Minister, allerdings von der ÖVP nominiert. Zum Ärger mancher Sozialdemokraten konnte die ÖVP auch in der Neuauflage der rot-schwarzen Koalition unter Bundeskanzler Alfred Gusenbauer das Finanzministerium für sich beanspruchen.
Das Justizministerium ging erst später, im Jahr 2008, an die ÖVP, wobei die Minister Claudia Bandion-Ortner, Wolfgang Brandstetter und Josef Moser zwar keine Parteimitglieder waren, aber von der ÖVP nominiert wurden. Erst 2020 ging das Justizministerium an die Grünen und Alma Zadic – zum Leidwesen der Volkspartei, wie sich später herausstellen sollte.
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