Ein X-Thread sprengt die ukrainische Polit-Szene: Die US-Journalistin Katie Livingstone enthüllt, dass Ex-General und heutiger UK-Botschafter Walerij Saluschnyj längst an einer politischen Gegenmacht zu Präsident Selenskyj baut. Von einem aktiven Hauptquartier in London ist die Rede – sogar Rekrutierungen für ein Wahlkampfteam sollen bereits laufen.

Offiziell wird alles abgestritten. Doch Livingstones Quelle spricht Klartext: „Das ist keine Spekulation.“ Der Zeitpunkt sei bewusst gewählt: Weil Trumps Friedensinitiativen das diplomatische Tempo vorantreiben, rücken mögliche Neuwahlen plötzlich näher. Saluschnyj wolle dann bereit sein.

Noch Schulter an Schulter: Selenskyj und Saluschnyj 2023 in Kiew. Zwei Jahre später formiert der Ex-General in London sein eigenes Macht-Team.IMAGO/ ZUMA Press Wire

Geheime Strategie – leise, aber entschlossen

Anders als ein klassischer Wahlkampf läuft die Mission bisher unter dem Radar. Keine großen Reden, keine Wahlplakate, keine Kundgebungen. Stattdessen setzt Saluschnyjs Team auf „PR by other means“ – diskrete Foren, gezielte Auftritte, Hintergrundrunden. Schon im nächsten Monat soll in London ein Veteranen-Forum stattfinden, das sich leicht zur Bühne eines „Nicht-Wahlkampfs“ verwandeln könnte.

Das Londoner Macht-Team

Livingstone legt sich fest: Die Strippenzieher stehen längst bereit. Ex-General Serhij Naiev soll als Kampagnenchef fungieren – heikel, da er wegen umstrittener Minenräum-Befehle 2022 in der Kritik steht. Politische Erfahrung bringt er kaum mit.

Den wahren Motor im Hintergrund gebe jedoch die erfahrende Oppositions-Politikerin Wiktorija Syumar, Abgeordnete der Partei „Europäische Solidarität“. Während Männer wie Generäle die Schlagzeilen liefern, ist sie es, die angeblich den Apparat ordnet.

Wiktorija Syumar (Bild) arbeitet zurzeit als Journalistin und verfügt über jahrelange Erfahrung in der Politik.IMAGO/Depositphotos

Dazu kommt Oksana Torop, einst Journalistin bei BBC Ukraine. Sie soll die Medienstrategie kontrollieren – und ihren Chef als ruhig, souverän und präsidiabel inszenieren. Den internationalen Draht zieht wiederum Polina Lysenko, ehemalige Leiterin des Desinformations-Zentrums und heutige Vize-Chefin des Antikorruptionsbüros NABU. Pikant: Genau diese Behörde wollte Selenskyj zuletzt zurechtschneiden, bevor massive Proteste ihn zu einem Rückzieher zwangen.

Gesichert, dementiert, unklar

Während Livingstones Thread den Eindruck einer fast fertigen Schatten-Kampagne erweckt, schießen die Dementis nur so aus dem Boden. Torop etwa erklärt, es gebe kein Wahlkampf-Hauptquartier – „wir arbeiten im Krieg an der Erhaltung des Landes, nicht an Wahlen.“ Auch aus Syumars Umfeld kommen Zurückweisungen.

Unabhängige Bestätigungen fehlen bislang. Doch Livingstones Thread gilt als präzise genug, um mehr zu sein als bloßes Rauschen: Namen, Rollen und Orte sind konkret. Das allein gibt ihrer Recherche Sprengkraft.

Kontext: eine Rivalität wie ein Riss durch Kiew

Der Hintergrund ist bekannt: Schon 2023 schrieb Saluschnyj in einem Essay für The Economist von einer möglichen Pattsituation im Krieg. Selenskyj reagierte empört, forderte ihn auf, Ambitionen „zurückzustellen“. Wenige Monate später wurde der General aus dem Amt entfernt. 2024 folgte die Versetzung nach London.

Dazu kommt die politische Realität: Unter Kriegsrecht sind reguläre Wahlen derzeit blockiert. Offizielle Kampagnen sind verboten. Wer Ambitionen hat, muss also inoffiziell agieren – und genau das wirft Livingstones Scoop Saluschnyj nun vor.

Putsch oder Machtpoker?

Von einem gewaltsamen Umsturz gibt es bisher keine Belege. Doch die Enthüllungen zeigen: In London sammelt sich ein Team, das Selenskyj gefährlich werden könnte – politisch, strategisch, kommunikativ.

Die explosive Frage lautet: Verwandelt sich dieses Schatten-Netzwerk nach dem Krieg in eine echte Kampagne – und wird Selenskyj dann von seinem populärsten Widersacher attackiert? Der Putsch hat noch nicht begonnen, ein dramatischer Machtpoker aber schon längst. Der Nachkriegs-Wahlkampf ist bereits Realität.