Österreich als Hamas-Rückzugsort? Ex-Mossad-Offizier warnt vor Anschlägen
Österreich rückt ins Visier der Hamas: Monate vor dem 7. Oktober 2023 baute die Terrorgruppe ein bewaffnetes Netz in Europa auf, sagt Oded Eilam, Ex-Anti-Terror-Leiter des Mossad. Islamisten, anderswo verfolgt, wichen nach Österreich aus, berichtet Forscherin Dina Lisnyansky. Sie warnt vor Tarnvereinen und Gesetzeslücken.
Hamas in Wien? Ein Report des israelischen TV-Senders KAN-11 warnt vor Terror-Netzen in Österreich.GETTYIMAGES/Abid Katib/nick1803
Ein Report des israelischen TV-Senders KAN 11 warnt: Österreich sei für islamistische Netzwerke ein Standort mit zu vielen Schlupflöchern. Anlass ist ein konkreter Sicherheitsfall: Der Staatsschutz fand in Wien – in Zusammenarbeit mit dem Mossad – ein Hamas-nahes Waffenlager mit fünf Pistolen und Munition. Der Verdacht: Vorbereitung möglicher Anschläge in Europa – der exxpress berichtete.
Von Gaza nach Europa: Eine zweite Front entsteht
Der frühere Leiter der Anti-Terror-Abteilung des Mossad, Oded Ailam, spricht von einem langfristigen Europa-Programm als Bestandteil einer neuen Hamas-Strategie: „Irgendwann um 2019 traf die Hamas eine dramatische Entscheidung: Sie wollte zu Anschlägen im Ausland übergehen.“ Seit rund 2019 bereite die Organisation systematisch den Schritt in Richtung Auslandsterror vor. Europa wurde zum Operationsraum mit Depots und Logistik.
Ailam zufolge baute die Hamas über Jahre hinweg Infrastruktur in mehreren Ländern auf, um sie bei Bedarf zu aktivieren. Hamas-Leute errichteten quer durch Europa Netze, versteckten Waffen und Sprengmittel, markierten Orte und hielten alles „für den Tag X“ bereit – unter anderem in Polen, Bulgarien, Dänemark, Deutschland und Österreich.
Im Sommer 2023 – Monate vor dem Terrormassaker am 7. Oktober – seien diese Strukturen plötzlich rasch geöffnet worden. Für Eilam ist das ein klares Muster: Europa sollte als zweite Front bereitstehen. „Im Juni 2023 – vier Monate vor dem Angriff – schickten sie plötzlich Leute nach Europa, um diese Depots schnell auszuheben und Waffen herauszuholen. Heute, rückblickend, sieht man: Das stand im Zusammenhang mit dem 7. Oktober.“
Ein neues Sicherheitsproblem für Europa
Der Ex-Mossad-Leiter warnt: „Das Hauptproblem für Europa ist Aufhetzung und Radikalisierung – besonders bei jungen Leuten, über soziale Netzwerke und Freitagspredigten in Moscheen.“ Er ergänzt: „Wir sehen, dass die Täter in Europa keine Neu-Einwanderer sind, sondern häufig Angehörige der zweiten oder dritten Generation mit Staatsbürgerschaft.“
Die Gefahr wachse damit im Inneren der Gesellschaften.
„Warum Wien?“ – Lisnyansky: Österreich als Basis der Muslimbruderschaft
Dr. Dina Lisnyansky, israelische Expertin für politischen Islam in Europa, ergänzt: „In Österreich konnte sich eine Basis der Muslimbruderschaft etablieren.“ Mitglieder seien dorthin ausgewichen, die in anderen Ländern bereits unter Druck standen. Lisnyansky: „Dorthin flohen jene ‚Brüder‘, die in anderen europäischen Staaten von Behörden verfolgt wurden.“
Lisnyansky lehrt an der Tel Aviv University und Reichman University und berät Sicherheitsbehörden zu Radikalisierung und Terrornetzwerken. Sie warnt: „Für Hamas-Leute und internationale Netzwerke der Muslimbrüder – gewissermaßen die Dachorganisation der Hamas – ist es in Ländern wie Österreich leichter zu operieren als etwa in Großbritannien.“ Österreich gelte dadurch als „leichteres Pflaster“.
Im exxpress-Interview berichtet Lisnyansky, dass lange Zeit vor allem Graz ein begehrter Rückzugsraum gewesen sei. So haben etwa prominente Akteure einen Umzug von London erwogen. Auch Insider bestätigten: Vor etwa zehn Jahren soll es ein großes Treffen der Muslimbrüder in Graz gegeben haben.
Hamas kommt über Netze der Muslimbrüder
Die Muslimbruderschaft wurde 1928 in Ägypten gegründet. Sie ist gewissermaßen die Dachorganisation der Hamas, ihres palästinensischen Zweiges. Hamas-Mitgliedern gelinge der Einstieg in europäischen Ländern oft über Muslimbruderschafts-nahe Organisationen, die ihre Zugehörigkeit zur Muslimbruderschaft konsequent verschleiern, erzählt Lisnyansky. „Sie verwenden ihre Verbindungen innerhalb der Muslimbruderschafts-Organisationen, die aber offiziell behaupten, nicht zur Muslimbruderschaft zu gehören.“
Das sei in Mitteleuropa leichter als im Vereinigten Königreich, was auch an der Gesetzeslage liege: Wenn Vereine als terrornahe eingestuft werden, könnten rasch neue unter anderem Namen gegründet werden. In Großbritannien sei diese Lücke aufgrund des wachsenden Problems mit IS-Anhängern geschlossen worden. Lisnyansky kritisiert überdies, dass Hamas in Europa teils unterschiedlich behandelt werde.
„Stiller Dschihad“: Da’wa, Demografie, kultureller Druck
Dass die Muslimbruderschaft nicht verboten oder als Terrororganisation eingestuft werde, liege unter anderem an ihrer Taktik, die sich von jener dschihadistischer Gruppen wie dem IS oder Al-Kaida unterscheidet. „Ihre Taktik ist stiller Dschihad – im Verborgenen – und Da’wa.“ Letzteres meint Predigt, Missionierung, Verbreitung – kurz: Propaganda. Ziel sei eine „Infiltration der Köpfe“, während man sich als „normale Muslime“ präsentiere.
Die Politische Islamisierung werde zunächst als normale Religiosität verkauft. Erst wenn aus dieser Ideologie konkrete Verbote im Alltag werden, erkenne die Mehrheitsgesellschaft die Mechanik: „Nur wenn sie anfangen Dinge zu verbieten – etwa wenn Eltern fordern, dass es kein Schweinefleisch in Schulen geben soll – versteht die lokale Bevölkerung, dass sie unter kulturellem, in Wahrheit religiösem Druck steht.“ Dann werde klar, dass es um Islamismus gehe – nicht bloß um Religion.
Eine wichtige Waffe der Muslimbrüder sei der „Islamophobie“-Diskurs: Wer politischen Islam kritisiere, werde sofort als „islamophob“ markiert. Das sei ein Instrument, um Widerstand der nichtmuslimischen Mehrheit zu brechen und die eigene Unterwanderung abzusichern.
Sicherheitsverlust: „Es ist so schon schlimm genug“
Als größtes Langzeitrisiko sieht Lisnyansky Demografie und kulturelle Verschiebung. Es gehe nicht nur um Geburtenraten. Problematisch sei ein europaweiter Trend: Nichtmuslimische Familien ziehen aus den Großstädten weg. „Familien verlassen Wien, Paris, London, ziehen in kleinere Orte, weil dort keine Muslime leben.“ Damit überlasse man die Städte zunehmend muslimischen Milieus – vor allem dort, wo Kinder sind.
Lisnyansky warnt außerdem, dass man nicht nur auf Terror starren dürfe, weil der Sicherheitsverlust längst vorher beginne. Sie erwähnt Straßen, „in die man nachts nicht hineingehen kann“, und Räume, „in denen Frauen nicht sicher gehen können“. Kurz: Selbst ohne offenen Dschihad stehe Europa bereits mitten in einer Sicherheits- und Kulturkrise.
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