Die Landtagswahl in der Steiermark hat gezeigt: Der Absturz der ÖVP ist nicht mehr aufzuhalten. Nach dem Verlust des ersten Platzes bei der Nationalratswahl Ende September wurde die Volkspartei nun auch in der Steiermark von der FPÖ überholt. Die ÖVP fährt unter Karl Nehammer eine Niederlage nach der anderen ein; der interne Druck auf den Kanzler wird immer größer. 2021 wurde Karl Nehammer angelobt, er übernahm von Sebastian Kurz eine wiedererstarkte „Neue Volkspartei” – und seitdem geht es bergab.

Acht Wahlen fanden bisher unter Karl Nehammer statt und außer den Landtagswahlen in Kärnten 2023 ist das Minus an jedem Wahlabend erschreckend:

  • 10 Prozent minus in Tirol,
  • 10 Prozent minus in Niederösterreich,
  • 7 Prozent minus in Salzburg,
  • 10 Prozent minus bei der EU-Wahl,
  • 11 Prozent minus bei der Nationalratswahl,
  • 5 Prozent minus in Vorarlberg,
  • 9 Prozent minus in der Steiermark.
In der Zeit im Bild verdeutlichte eine Grafik die Wahl-Ergebnisse der ÖVP unter den Obmännern Sebastian Kurz und Karl Nehammer. „Wurden unter Bundesobmann Sebastian Kurz beinahe alle Wahlen teils fulminant gewonnen, geht es seit drei Jahren nach unten und das oft dramatisch", kommentierte Armin Wolf.ORF/ZIB2/ORF

Inwiefern wirklich die Person Karl Nehammer an dem Abwärtstrend der Volkspartei schuld ist und wieviel den Krisen wie Ukraine-Krieg oder Teuerungswelle geschuldet ist, kann nicht klar definiert werden. Allerdings ist das „Neue” längst aus dem Namen der Volkspartei verschwunden, man spricht wieder von Schwarz statt von Türkis und auch die interne Personalauswahl hat wenig mit der Partei unter Sebastian Kurz zu tun. Nehammers Koalitionsgespräche mit der Babler-SPÖ tun nun ihr Übriges zur derzeitigen geringen Beliebtheit der Volkspartei, das Ausschließen einer Koalition mit der FPÖ ist für viele ÖVP-Wähler nicht nachvollziehbar.

Wieviel Einfluss hingegen Sebastian Kurz nach wie vor bei den Wählern hat, wurde ebenfalls bei der Steiermark-Wahl offensichtlich. Nur zwei Bezirke sind Türkis geblieben, während sich das restliche Bundesland komplett blau einfärbte: Einzig in Graz und Hartberg-Fürstenfeld ist die ÖVP die Nummer eins. Interessant: Hartberg-Fürstenfeld ist bei der Nationalratswahl Ende September bereits an die FPÖ gefallen. Im September erreichte dort die FPÖ 36,1 Prozent, die ÖVP 35,4 Prozent.

Nur in Graz und Hartberg-Fürstenfeld ist die ÖVP noch die Nummer eins, alle anderen Bezirke wanderten zur FPÖ.Land Steiermark/Land Steiermark

Der Dreh der ÖVP zurück auf Platz eins bei der Landtagswahl dürfte auf ein Facebook-Posting des Altkanzlers zurückzuführen sein. Zu einem gemeinsamen Foto mit Hartbergs Vizebürgermeister Lukas Schnitzer aus JVP-Tagen schrieb Kurz, dass Schnitzer nichts an seiner politischen Linie und den Inhalten, für die sich auch der Altkanzler eingesetzt hat, geändert hat. „Der Kampf gegen illegale Migration und die richtigen Maßnahmen für einen starken Wirtschaftsstandort Steiermark”, so Kurz und drückte explizit seine Wertschätzung für den steirischen Politiker aus.

Eine Wahlempfehlung, die nicht nur den Wahl-Erfolg für die ÖVP-Hartberg nach sich zog, sondern auch das Standing von Sebastian Kurz in der Bevölkerung unterstrich. Eventuell hat der Popstar unter den Politikern etwas von seinem jugendlichen Glanz verloren, doch die Österreicher vertrauen Kurz offensichtlich immer noch.

Facebook/Facebook/Sebastian Kurz

Eine Entwicklung, die auch die Volkspartei nicht ignorieren kann. Allerdings werden keine Anstrengungen unternommen, den einst so schäbig davongejagten Stimmenbringer zurückzuholen, sondern es wird fest an Karl Nehammer und der Austro-Ampel festgehalten. Zu Gast in der Zeit im Bild 2, bekräftigt ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker den eingeschlagenen Weg.

Den Bauernopfer-Sager des steirischen Landeshauptmannes Christopher Drexler dürfe man nicht überbewerten, es handle sich gegenwärtig um besondere Wahlen in einem besonderem Umfeld. Natürlich habe Karl Nehammer die Botschaft der Wähler verstanden und nein, es gibt ganz sicher kein Weiter-wie-bisher.

Nachgefragt von Moderator Armin Wolf, wie denn die Botschaft von der ÖVP verstanden werden kann, wenn es nach keiner verlorenen Wahl Konsequenzen oder Rücktritte gibt, entgegnet Stocker: „Alle regierenden Parteien verlieren, das Vertrauen für Regierende ist schwer zu gewinnen.” Stattdessen werde an den Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ und den NEOS festgehalten, auch wenn Nehammer selbst die Chancen, am Ende wirklich eine gemeinsame Regierung zu bilden, mit fifty-fifty eingeschätzt.

Viele ÖVP-Wähler wünschen sich Sebastian Kurz (rechts) statt Karl Nehammer (links) an der Spitze der Partei zurück.APA/APA/HERBERT NEUBAUER

Generalsekretär Stocker sieht keinen Rücktritt an der Parteispitze und dem von Armin Wolf skizzierten Bild, dass es Neuwahlen geben und die ÖVP dafür auf ein Comeback von Sebastian Kurz setzen könnte, kann Stocker nichts abgewinnen: „Das kann ich nicht nachvollziehen.”