Populisten auf Erfolgskurs in Europa? Italien könnte nur der Anfang sein
Am Sonntag, den 25. September, blickt ganz Europa nach Italien. Alle rechnen mit einem Sieg der „Fratelli d’Italia“ um Giorgia Meloni. Doch es geht nicht nur um Italien. In Europa sind generell die Bedingungen für einen Aufstieg rechtskonservativer Parteien „perfekt“, sagen linke wie rechte Beobachter.
Rekordinflation, Energiekrise, Deindustrialisierung: Die Wolken über Europa waren schon lange nicht so düster. Wirtschaftsexperten rechnen fix mit einem Wohlstandsverlust, der Zorn über die Eliten wächst. Auch der US-Sender CNN konstatiert: „Die Bedingungen für ein Wiederaufleben der Populisten in Europa sind perfekt.“
Steve Bannon wittert Morgenluft für Europas Populisten
Seve Bannon, der ehemalige Chefberater von US-Präsident Donald Trump sieht das ebenso: „Der Aufstand der Populisten in Europa geht weiter – als nächstes Italien mit Giorgia Meloni“, schreibt er auf der News-Plattform Gettr. Bannon ist schon seit Jahren ein Fan von Meloni. Tatsächlich dürfte sie am Sonntagabend die erste Ministerpräsidentin Italiens werden. Bei der Parlamentswahl am 25. September dürfte Melonis Partei „Fratelli d’Italia“ (Brüder Italiens) mit 25 Prozent der Stimmen rechnen und damit klarer Wahlsieger werden. Einem Bündnis mit Lega und Silvio Berlusconis Forza Italia stünde nichts mehr im Weg.
CNN kommentiert: „Ihr Sieg wäre nicht nur wegen ihres Geschlechts historisch, sondern auch, weil sie eine Partei anführt, die weiter rechts steht als jede andere politische Bewegung, die Italien seit den Tagen des ehemaligen faschistischen Führers Benito Mussolini erlebt hat.“
Italien hat besonders stark unter Corona gelitten
Andere sehen das weniger dramatisch, unter anderem der amtierende Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Er glaube bezüglich Melonis Partei nicht, „dass sie aus der europäischen Solidarität ausscheiden will“, wie er kürzlich bei einem Besuch in Rom feststellte.
Meloni stellte sich im Wahlkampf klar gegen das Establishment rund um Mario Draghi, der „ein gewählter Technokrat ist, der zum Ministerpräsidenten ernannt wurde“, sagt Marianna Griffini, Dozentin an der Abteilung für europäische und internationale Studien am King’s College London. Anti-Establishment-Ideen fruchten zurzeit in Italien, sagt sie: „Wir haben als Land sehr stark unter der Pandemie gelitten, vor allem in der Anfangsphase. Viele Menschen starben, viele Unternehmen mussten schließen. Es war schwierig, Unterstützung vom Rest der EU zu bekommen.“
Mit Erosion des Lebensstandards wächst die Unzufriedenheit
Melonis Sieg könnte erst der Anfang sein. „Es tut sich definitiv etwas. Von Frankreich und Italien, den großen europäischen Mächten, bis hin zu Schweden … es scheint, als ob die Ablehnung der offensichtlich gescheiterten paneuropäischen Orthodoxie bei unseren Bürgern Fuß fasst“, erklärt Gunnar Beck, Abgeordneter im EU-Parlament für die AfD.
Gegenüber CNN analysiert Beck: „Die Lebenshaltungskostenkrise untergräbt die Regierungen und die europäischen Institutionen. Natürlich hat der Krieg in der Ukraine die Lage verschlimmert, aber Dinge wie der europäische Green Deal und die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank haben die Inflation schon vor dem Krieg in die Höhe getrieben. Die Erosion des Lebensstandards bedeutet, dass die Menschen natürlich unzufrieden mit ihren Regierungen und dem politischen Establishment sind.“
Linke warnen vor starkem Führer, Wähler fürchten um Wohlstand
Manche erheben schon warnend die Stimme: „Das Paradoxe am Populismus ist, dass er oft reale Probleme identifiziert, diese aber durch etwas Schlimmeres ersetzen will“, sagt der argentinische Historiker und Kritiker des Populismus Federico Finchelstein („From Fascism to Populism in History“). „Das Versagen der politischen Eliten und Institutionen versuchen sie durch eine mächtige, kultähnliche Führung zu ersetzen.“
Das Fehlen starker Persönlichkeiten unter Europas Staatsmännern beklagen allerdings nicht nur Rechte. Und die Wähler messen Regierung primär an ihren Ergebnissen. Sie interessiert zuerst eins: Ob sich ihr Lebensstand bessert oder nicht.
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