Protokoll des Scheiterns: Nach Mitternacht ist die Ampel-Entscheidung gefallen
Die NEOS haben am Freitag ein politisches Erdbeben mit ihrem Ausstieg aus den Koalitionsverhandlungen ausgelöst. Für die ÖVP kommt der Schritt überraschend, doch er dürfte bereits von langer Hand geplant gewesen sein.
Es dürfte irgendwann über die Feiertage passiert sein, als der NEOS-Spitze allmählich gedämmert ist, dass sie den neuen Regierungsplan niemals von ihrer Mitgliederversammlung durchgewinkt bekommen.
Kein Wunder, statt auf echte Reformen setzte die Babler-SPÖ auf neue Steuern und somit auf eine sozialistische Umverteilung und die ÖVP war währenddessen hauptsächlich damit beschäftigt, ihr Stück der Macht zu sichern. Für die NEOS waren die Verhandlungen alles andere als einfach: Das von ihnen gewünschte Finanzministerium wollten lieber die Schwarzen, ihr geplantes Zukunftsministerium wurde milde belächelt – und überhaupt fehlte die liberale Handschrift im Koalitionsvertrag.
In wenigen Tagen hätte Parteichefin Beate Meinl-Reisinger dann der NEOS-Mitgliederversammlung den Minimal-Konsens als “großen Wurf” verkaufen müssen – und wäre vermutlich gescheitert. Intern haben die NEOS nämlich längst in der Basis vorgefühlt und erfahren, dass es eine deutliche Skepsis gegen die Ampel gibt – allen voran wegen SPÖ-Chef Andreas Babler, der als bekennender Marxist für viele Liberale ein rotes Tuch ist.
So lief der NEOS-Exit im Detail
Es war nicht so, als hätten die NEOS ihre Bedenken am Verhandlungstisch nicht offen formuliert, doch sie wurden tagelang nur “milde belächelt”, wie es Meinl-Reisinger in ihrer Stellungnahme zum Ausdruck gebracht hat. Am Donnerstag gab es schließlich eine finale Verhandlungsrunde zwischen den Parteichefs. Anschließend soll es eine Krisen-Sitzung der NEOS-Spitze gegeben haben, an der laut Exxpress-Infos neben Meinl-Reisinger auch Douglas Hoyos, Niki Scherak und Sepp Schellhorn teilgenommen haben.
In dieser Sitzung ist schließlich die finale Entscheidung gefallen: Die NEOS verlassen die Koalitionsgespräche – und zwar mit einem Paukenschlag! Ein öffentliches Statement wurde für Freitagvormittag abgesetzt, ÖVP und SPÖ wurden hingegen erst am Morgen über die Entscheidung informiert.
Sie dürfte die beiden Parteien kalt erwischt haben. In der aktuellen Ausgabe des “Kurier” hatte ÖVP Wien-Chef Karl Mahrer noch erklärt, dass die Ampel-Regierung auf Schiene sei. Doch noch während die Österreicher die Schlagzeile lesen, tritt Meinl-Reisinger selbstbewusst vor die wartenden Pressevertreter: “Wir stehen vor außergewöhnlichen Zeiten und stehen vor außergewöhnlichen Herausforderungen” – mit diesen Worten leitete sie eine umfassende Erklärung ein, die ein innenpolitisches Erdbeben in Österreich ausgelöst hat. “Wir NEOS waren in den letzten Monaten sehr deutlich: Ändern kann man nur mit Tatkraft und echten Reformwillen. Unser Ziel war immer, Österreich an die Spitze zu bringen”, so die Pinke Frontfrau. “Gerade in den letzten Tagen mussten wir feststellen, dass in zentralen Fragen und bei dieser gemeinsamen Vision nicht nur kein Fortschritt, sondern Rückschritte gemacht wurden.” Gleichzeitig musste man auch feststellen, dass mit Schwarz-Rot keine Chance besteht, “die weiteren Schritte zu gehen.”
Ihr seid einfach unredlich, man kann auch verlogen sagen und befindet Euch noch in den Welten des 20. jhdts https://t.co/fW3gNMezjO
— Sepp Schellhorn (@pepssch) January 3, 2025
Nur Stunden später eskalierte die Stimmung zwischen Rot und Pink: Nachdem die SPÖ auf X (vormals Twitter) geschrieben hat “Die NEOS waren nicht bereit, für Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich einzustehen. Sie wollten bei denen kürzen, die ohnehin schon stark belastet sind. Sie planten Gehaltseinbußen bei Lehrer:innen und Polizist:innen, wollten Pensionen einfrieren und das Antrittsalter erhöhen”, platzte NEOS-Wirt Sepp Schellhorn angesichts des billigen Populismus der Kragen: “Ihr seid einfach unredlich, man kann auch verlogen sagen und befindet euch noch in den Welten des 20. Jahrhunderts.”
So viel ist jetzt schon klar: In dieser Situation gibt es nur einen Gewinner – und zwei Verlierer.
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