Es ist eben das Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Kaum jemand wird unter amerikanischen Linken so verachtet wie der Neffe John F. Kennedys, des beliebten Präsidenten, der 1963 durch ein Attentat ermordet wurde und ein Aushängeschild der demokratischen Partei war. Und nun schlägt der Neffe einen ganz anderen Weg ein, hat das Establishment gegen sich, das ihn als durch und durch irrational schildert – und kommt doch an die Macht.

Teilen seiner berühmten Familie gilt er inzwischen als Nestbeschmutzer. Fünf Familienmitglieder haben eine Erklärung abgegeben, in der sie seine Unterstützung Donald Trumps als „Verrat“ bezeichneten. Kennedy sagte, es stehe seinen Familienmitgliedern frei, seine Entscheidung abzulehnen. Er sagt: „Nicht ich habe die demokratische Partei verlassen – sie verließ mich.“ Die Demokraten-Partei, mit der er aufgewachsen ist, sei noch eine Partei der Bürgerrechte gewesen, die dem Geheimdienst, der Wallstreet und dem militärischen Komplex misstraut hatte. Das sei nun alles anders.

Von der Corona-Demo zur US-Regierung

Während die Demokraten bekanntlich für die Corona-Politik samt ihrer harten Maßnahmen waren, fand Robert F. Kennedy Jr. sich im entgegengesetzten Lager wieder, wodurch er auch in Deutschland recht bekannt wurde. Auf der von Querdenken-Gründer Michael Ballweg organisierten Corona-Demo in Berlin am 29. August 2020 hielt Kennedy eine Rede. Darin stellte er sich gegen falsche Nazivorwürfe, die die Medien Corona-Demonstranten machten sowie gegen übergriffige Regierungen, die mit willkürlichen Maßnahmen Gehorsam in der Bevölkerung erzwingen. Kennedy ist an einer sogenannten Spasmodischen Dysphonie erkrankt, die ihm das Sprechen erschwert – daher die kratzige Stimme.

Er wandte sich auch damals schon gegen den Pharmakomplex: „Wir wollen Gesundheitsbeamte, die keine finanziellen Verbindungen zu den Pharmakonzernen haben. Wir wollen Führungskräfte, die für uns arbeiten und nicht für die großen Pharmakonzerne.“ Nun ist der Mann, an dem Wikipedia kein gutes Haar lässt, was aufgrund der politischen Voreingenommenheit der Enzyklopädie nichts heißt, in der amerikanischen Regierung. Nachdem er zunächst selbst als Präsidentschaftskandidat angetreten war, schloss er sich im August Trump an.

Was hat Kennedy Jr. vor?

In einem Interview sagte er kürzlich: „Präsident Trump hat mich gebeten, drei Dinge zu tun.“

1. „Die Korruption in unseren staatlichen Gesundheitsbehörden zu beseitigen.“
2. „Diese Behörden zu ihrer reichen Tradition höchster, evidenzbasierter Wissenschaft zurückzuführen.“
3. „Amerika wieder gesundzumachen, indem wir die Epidemie chronischer Krankheiten beenden.“

Ende August wurde Kennedy Teil des Trump-Teams.IMAGO/ZUMA Press Wire

Zu Punkt eins führt er näher aus: „Trump möchte, dass ich die Interessenkonflikte angehe, die diese Agenturen zu abhängigen Agenturen der Pharmaindustrie und der übrigen Lebensmittelindustrie in den anderen Branchen gemacht haben, die sie eigentlich regulieren sollten.“

Nähe zwischen FDA und Big Pharma

In der Tat ist der Pharma-Filz in den USA groß. Es kommt häufiger vor, dass Funktionäre aus dem öffentlichen Sektor in die Industrie wechseln und umgekehrt. Man nennt das auch den „Drehtür-Effekt“. Drei Beispiele der letzten Jahre:

Mark Mc Clellan: 2013 wurde der ehemalige FDA-Chef Mitglied im Aufsichtsrat von Johnson & Johnson.

Scott Gottlieb: Von 2017 bis 2019 leitete er die FDA. Inzwischen ist er im Vorstand von Pfizer.

Stephen Hahn: Von 2019 bis 2021 war er FDA-Chef. Jetzt ist er medizinischer Direktor bei einem Unternehmensableger von Moderna.

Auch in Europa besteht das Problem der Verflechtung von Industrie und Aufsichtsbehörden: „In den vergangenen Jahrzehnten entfiel ein Großteil der Lobbying-Investitionen auf die Finanz- und die Pharmabranche“, schreibt der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments. Besonders bezeichnend: Die aktuelle Direktorin der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) arbeitete von 1992 bis 1995 und von 1996 bis 1998 für die Lobbyorganisation European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA). Das strukturelle Problem besteht darin, dass die Aufsichtsbehörden sich ganz wesentlich durch die Pharmaindustrie finanzieren, indem sie ihr etwa Rechnungen stellt für die Bearbeitung von Zulassungsanträgen für neue Medikamente.

Förderung gesunder Ernährung

Dem Problem der Pharmaindustrie gilt seine Aufmerksamkeit aber nicht allein. Robert F. Kennedy Jr. will die Ernährungslage in den USA zu verbessern, insbesondere durch Maßnahmen gegen Übergewicht, Förderung gesünderer Ernährungsgewohnheiten, vor allem in einkommensschwachen Haushalten.

Auf die Frage eines Journalisten, ob er die obersten Ebenen der Bundesgesundheitsbehörden entlassen wolle, sagte Kennedy, dass er dies in „einigen Kategorien“ tun würde. „In einigen Bereichen erfüllen ganze Abteilungen, wie die Ernährungsabteilungen der FDA, ihre Aufgabe nicht. Sie schützen unsere Kinder nicht. Warum haben wir hierzulande Froot Loops, die 18 oder 19 Zutaten haben, während sie in Kanada nur zwei oder drei haben?“, fragte Kennedy beim Nachrichtensender MSNBC.

Er sieht in verarbeiteten Lebensmitteln und industrieller Massentierhaltung erhebliche Risiken für die öffentliche Gesundheit, plädiert für strengere Sicherheitsstandards in der Lebensmittelproduktion, einschließlich schärferer Regeln für den Einsatz von Chemikalien und Pestiziden, etwa bei der in den USA üblichen Zugabe von Fluorid ins Trinkwasser. Insgesamt sollen die Gesundheitsbehörden ihre Aufmerksamkeit von infektiösen Krankheiten hin zu chronischen Erkrankungen wie Diabetes und Adipositas verlagern, die er als Hauptursache der amerikanischen Gesundheitskrise ansieht.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf unserem Partner-Portal NIUS erschienen.