Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt (SPD) und Regierungssprecher Steffen Hebestreit stehen beisammen, auch Scholz Redenschreiber sind vor Ort. Showdown im Kanzleramt. Wird das der letzte Ampel-Abend?

Die Zeichen stehen längst auf Ampel-Aus. Eigentlich hätte an diesem Abend eine Tagung der FDP-Landesschatzmeister in Berlin stattfinden sollen. Doch das Treffen wurde von der Parteispitze kurzfristig abgesagt. „Kümmert euch lieber um die Aufstellung eurer Landeswahllisten“, raunt man den verdutzen Kassenwärtern zu. FDP-Chef Christian Lindner könne jetzt unmöglich noch einen Rückzieher machen, heißt es in der Parteispitze. Der Forderungskatalog seines Wirtschaftspapiers lasse keinen Spielraum für Kompromisse. Selbst wenn SPD und Grüne ihm entgegenkommen sollten, könne er unmöglich noch einmal als Ampel-Bewahrer vor die Öffentlichkeit treten. „Wenn uns noch jemand abnehmen soll, dass wir den Ampel-Irrsinn nicht mitmachen wollen, können wir nicht bis zum letzten Tag mit im Boot sitzen“, heißt es.

FDP-Parteivorsitzender und Bundesfinanzminister Christian LindnerIMAGO/IMAGO / Chris Emil Janßen

Bemerkenswert ist auch, dass CDU-Chef Friedrich Merz am Donnerstag einen Termin bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat. Es handle sich um einen „Routinetermin“, heißt es offiziell. Fakt ist aber auch, dass Steinmeier genau in solchen Krisensituationen Möglichkeiten für den Erhalt einer stabilen Regierung ausloten muss. Wenn die Koalition tatsächlich zerbricht, darf er nicht leichthin den Bundestag auflösen und Neuwahlen ausrufen, sondern muss zuvor mit allen Akteuren zumindest den Versuch unternehmen, etwa die Duldung einer Minderheitsregierung oder das Einspringen eines anderen Koalitionspartners zu prüfen.

„Forderungen, die rote Linien sind“

Gleichzeitig hat die SPD in einem internen Papier ihrer „Arbeitsgruppe Wirtschaft“, die NIUS vorliegt, analysiert, ob und gegebenenfalls wie weit man Lindner in seinen Forderungen entgegenkommen könnte. Das Fazit: allenfalls in Teilen gebe es Möglichkeiten der Annäherung. „Besonders relevant ist, dass es sich bei dem Papier nicht um eine Vision für die Zukunft handelt (so wie beim Wirtschaftsimpulspapier von Habeck), sondern um einen Forderungskatalog für die aktuellen Haushaltsverhandlungen. Während sich einige Forderungen aus SPD-Sicht umsetzen lassen könnten (Bsp.: Verwendung der Intel Mittel zur Reduzierung der GMA (Globale Minderausgabe – Anm. d. Red.), Steuererleichterungen für Unternehmen etc.), gibt es andere Forderungen, die für SPD (und Grüne) rote Linien sind (Bsp.: Bürgergeld, Rente, KTF Förderungen).“

Ist heute der letzte Abend der deutschen Ampel?GETTYIMAGES/Maja Hitij / Staff

Gleichzeitig hat die SPD in einem internen Papier ihrer „Arbeitsgruppe Wirtschaft“, die NIUS vorliegt, analysiert, ob und gegebenenfalls wie weit man Lindner in seinen Forderungen entgegenkommen könnte. Das Fazit: allenfalls in Teilen gebe es Möglichkeiten der Annäherung. „Besonders relevant ist, dass es sich bei dem Papier nicht um eine Vision für die Zukunft handelt (so wie beim Wirtschaftsimpulspapier von Habeck), sondern um einen Forderungskatalog für die aktuellen Haushaltsverhandlungen. Während sich einige Forderungen aus SPD-Sicht umsetzen lassen könnten (Bsp.: Verwendung der Intel Mittel zur Reduzierung der GMA (Globale Minderausgabe – Anm. d. Red.), Steuererleichterungen für Unternehmen etc.), gibt es andere Forderungen, die für SPD (und Grüne) rote Linien sind (Bsp.: Bürgergeld, Rente, KTF Förderungen).“

Abschließend heißt es in dem Papier:

„Neben dem politischen Timing und der zweifelhaften Geschichte der Indiskretion, muss man das Papier inhaltlich kritisieren. Diese inhaltliche Kritik muss differenziert sein, sonst geht sie an den inhaltlich zwar falschen Positionen aber durchaus klug verknüpften Argumenten vorbei. Das Zusammenspiel der Forderungen hat in der Wahrnehmung vieler Volkswirte durchaus das Potenzial, kurzfristig Wirtschaftswachstum auszulösen (die Höhe ist nicht seriös zu quantifizieren). Diesem kurzfristigen Wirtschaftswachstum stehen aber mittel- und langfristig enorme ökonomische Unsicherheiten gegenüber (Bundeshaushalt, Planungs- und Investitionssicherheit, Erhalt wichtiger Industriezweige, D als Standort für Transformationstechnologien). Darüber hinaus wären heftige „Kollateralschäden“ in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik und der Umweltpolitik die Folge. Zentrale, eigentlich anerkannt, Grundsätze,  z.B. Ökonomie, Ökologie und Soziales in der Transformation zusammen zu denken, würden aufgekündigt. Das Papier widerspricht damit auch der langjährigen SPD-Position eines Wirtschaftswachstums nicht um des Wachstums willens, sondern als Grundlage für sozialen Fortschritt.“

In den Spitzen der Ampel-Parteien wurde bis zuletzt gerätselt, wie ein mögliches Ampel-Aus technisch aussehen könnte: Ergreift Kanzler Olaf Scholz die Initiative und entlässt die FDP-Minister? Oder tritt Lindner mit seinen Ministern geschlossen von ihren Ämtern zurück und aus der Koalition aus? Man wird sehen – vielleicht noch heute Abend.

Dieser Beitrag ist ursprünglich bei unserem Partner-Portal Nius erschienen.