Die Gewaltaufrufe der Muslimbruderschaft betreffen längst nicht mehr nur Gaza oder Ägypten – sie sind mitten in Europa angekommen. Die „Internationale Union Muslimischer Gelehrter“ (IUMS) erklärt in einer neuen, durch und durch antisemitischen Fatwa den bewaffneten Kampf gegen Israel zur Pflicht für alle Muslime weltweit – der exxpress berichtete. Wie nun bekannt wurde: Die Netzwerke der IUMS reichen bis in österreichische Moscheen, Vereine und islamische Institutionen.

„Alle Muslime sind verpflichtet, in den Dschihad zu ziehen und die Hamas-Terroristen (Bild) zu unterstützen“: Das erklärt die Fatwa einer Gelehrten-Union, deren Partnerinstitutionen Islamlehrer und Imame für Europa ausbilden.GETTYIMAGES/Ayman Alhesi/Anadolu

Österreichs Islamverbände schweigen

Während Ägypten, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain die IUMS längst als Terrororganisation einstufen, waren ihre Vertreter in Österreich willkommene Gäste in Moscheen. Auch islamische Bildungseinrichtungen und der Europäische Fatwa-Rat sind eng mit der IUMS verflochten, warnt Politikwissenschaftlerin Nina Scholz. Doch bis heute gibt es kein Wort der Distanzierung – weder von der offiziellen Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) noch von anderen Islamverbänden. Alle schweigen zu diesem explosiven Gewaltaufruf.

„Akute Bedrohung“ – Behörden müssen handeln

Für die Islamismus-Expertin und Buchautorin Nina Scholz ist die Lage eindeutig: „Innenministerium, Justiz und IGGÖ sind jetzt gefordert. Vor allem die Sicherheitsbehörden sollten den Aufruf zur Gewalt als das begreifen, was er ist: eine akute und wahrscheinlich langanhaltende Bedrohung der Sicherheit israelischer und jüdischer Einrichtungen auch in unserem Land.“

Ihr Appell an die IGGÖ ist klar: „Sie muss sich dieser Fatwa nicht nur entgegenstellen, sondern Mitgliedsorganisationen mit IUMS-Verbindungen ausschließen. Aufrufe zur Gewalt dürfen keinen Platz haben.“

Der ehemalige Führer der Terrororganisation Hamas, Ismail Haniyya (Bild), gehörte ebenfalls der IUMS an.GETTYIMAGES/Mustafa Hassona/Anadolu Agency

Besuche in Wien und Graz

Die IUMS sei kein abgehobener Gelehrtenzirkel, sondern das strategische Zentrum eines globalen islamistischen Netzwerks. Der in Wien und Graz aktive Verein „Liga Kultur“ etwa habe laut Scholz „Kontakte zur IUMS und lud Mitglieder zu Veranstaltungen ein“. Die Dokumentationsstelle Politischer Islam ortet bei der Liga Kultur eine „Nähe zur Muslimbruderschaft“.

Kaderschmiede in Frankreich, Einfluss in Österreich

Besonders stark ist die IUMS mit dem französischen „Institut Européen des Sciences Humaines“ (IESH) verbunden, das mittlerweile als Kaderschmiede der Muslimbruderschaft gilt. Auch österreichische Lehrkräfte haben dort studiert, etwa Amena Shakir, frühere Leiterin der Islamischen Religionspädagogischen Akademie (IRPA). Heute forscht sie an der Sigmund Freud Privatuniversität. Scholz ergänzt: Shakir kam nach Österreich, nachdem eine Islam-Schule in München, an der sie tätig war, wegen verfassungsfeindlicher Tendenzen geschlossen wurde.

Die größten Islamverbände und ihre IUMS-Verbindungen

ATIB und die Islamischen Föderationen (Milli Görüs) – die größten Islamverbände in Österreich – sind laut Scholz eng mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet verbunden. Diese wiederum kooperiert direkt mit der IUMS. „Die Türkei zählt neben Katar zu den wichtigsten Unterstützern der IUMS“, betont Scholz. Und: „Bis heute sitzen laut Statuten Diyanet-Beamte im Aufsichtsrat der ATIB.“

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (r.) erhält ein Geschenk vom türkischen Präsidenten des Diyanet, Ali Erbas (l.).GETTYIMAGES/Dogukan Keskinkilic/Anadolu

Fatwa-Rat, IUMS und Muslimbrüder unter einem Dach

Ein zentraler Knotenpunkt: der Europäische Fatwa-Rat (ECFR) in Dublin, der engsten mit der IUMS verknüpft ist. Auch Vertreter von Diyanet und Milli Görüs sitzen im ECFR. Scholz: „Bis vor wenigen Jahren war sogar der Mufti der IGGÖ, Mustafa Mullaoglu, dort vertreten.“ Besonders brisant: IUMS und Fatwa-Rat residierten an derselben Adresse in Dublin, berichtet Scholz, im Islamic Cultural Centre of Ireland, „dem Sitz des irischen Ablegers der Muslimbruderschaft“.

Offene Hamas-Unterstützung durch die IUMS

Die IUMS wurde und wird von prominenten Muslimbrüdern geführt: Yusuf al-Qaradawi, Rached Ghannouchi, Ali al-Sallabi, Salman al-Awda – allesamt bekannte islamistische Ideologen. Der jetzige Generalsekretär Ali al-Qaradagh setzt ihre Linie fort. Die IUMS unterstützt offen die Hamas, den palästinensischen Zweig der Muslimbruderschaft. 2009 rief der erste IUMS-Präsident al-Qaradawi im Al-Jazeera-Fernsehen: „O Allah, vernichte Deine Feinde, die Juden, zähle sie und bringe sie alle um – bis zum letzten.“ Nach dem Terror vom 7. Oktober 2023 veröffentlichte die IUMS mehrere Fatwas. Die Botschaft: Der Dschihad gegen Israel sei „Pflicht jedes Muslims“.

Der frühere IUMS-Vorsitzende Yusuf al-Qaradawi (Bild) war glühender Antisemit – und erklärte den Dschihad gegen Israel zur Pflicht für alle Muslime.GETTYIMAGES/Munir Zakiroglu/Anadolu Agency

Hamas & Muslimbrüder: Zwei Seiten derselben Medaille

Die Hamas-Charta enthält klassische antisemitische Verschwörungstheorien – ganz im Stil von Sayyid Qutb, dem Vordenker der Muslimbruderschaft. Während Hamas den militärischen Kampf führt, sorgt die Muslimbruderschaft für politische und finanzielle Unterstützung die IUMS wiederum liefert die religiöse Rechtfertigung. Muslimbruderschafts-nahe Medien feiern regelmäßig Hamas-Raketen als „gerechten Widerstand“. Organisationen wie Islamic Relief sammeln weltweit Spenden, die Hamas-nahen Projekten zugutekommen.

OLG Graz-Urteil sorgt für Kopfschütteln

Inmitten dieser Faktenlage überrascht ein Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 12. Dezember 2023: Die Hamas sei „nicht Teil der Muslimbruderschaft“. Scholz widerspricht: „Das wurde in Expertenkreisen mit Verwunderung und Unverständnis aufgenommen. Mir ist außer diesem Gerichtsbeschluss keine Einschätzung bekannt, in der die Hamas nicht als Teil der Muslimbruderschaft betrachtet wird.“

Gegenüber dem exxpress betont das OLG Graz: Eine Revision sei rechtlich nicht möglich – aber neue Fakten könnten künftige Urteile ändern.

Laut OLG Graz (Bild) gehört die Hamas nicht zur Muslimbruderschaft – eine Einschätzung, die weder Fachleute noch die Hamas selbst teilen.APA/HANS KLAUS TECHT

Verfassungsschutz bestätigt: Muslimbruderschaft unterstützt Hamas

Das Innenministerium bestätigt auf exxpress-Anfrage: Die Hamas steht auf der EU-Terrorliste und wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Der Nachrichtendienst DSN erklärt gegenüber dem exxpress: „Dem Verfassungsschutz ist bekannt, dass die Muslimbruderschaft Kontakt zu terroristischen Vereinigungen wie der Hamas hegt. Die Muslimbruderschaft in Österreich unterstützt die Hamas beispielsweise in Form von finanziellen Zuwendungen.“

Zur IUMS äußert sich das Ministerium nicht konkret – doch die sicherheitspolitische Einschätzung werde „laufend evaluiert“. Der Verfassungsschutzbericht 2023 unterstreicht: Der Nahostkonflikt birgt ein „erhöhtes Mobilisierungs-, Radikalisierungs- und Rekrutierungspotenzial“. Auch gewaltlose Islamisten würden diese Dynamik gezielt ausnutzen.

Nina Scholz warnt eindringlich: „Es braucht längst eine neue Einschätzung der Muslimbruderschaft. Der Gewaltaufruf durch eine Organisation aus ihrem Netzwerk darf nicht folgenlos bleiben. Behörden, Medien und Politik müssen daraus die Konsequenzen ziehen.“

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