Wasser, vor allem Trinkwasser, ist militärisches Ziel. Gleichzeitig ist es eine der mächtigsten Waffen im Arsenal Russlands Streitkräfte. 72 Stunden nach Beginn der Invasion der Ukraine zerstörten russische Truppen einen Damm, der den Wasserzugang der Krim unterbrochen hatte. Er war eines der ersten Ziele des Krieges. Und das war kein Zufall.

Bevölkerung wird ohne Wasser demoralisiert

In der Hafenstadt Mariupol, die zum Synonym für die Grausamkeit dieses Krieges wurde, haben russische Soldaten im Zuge ihrer Belagerung die Wasserversorgung der einst 430.000-Einwohner-Metropole abgestellt. Kein Trinkwasser. Keine sanitären Einrichtungen. Der Wassermangel trug dazu bei, dass die Stadt letztlich in russische Hände gefallen ist.

Humanitäre Katastrophe

Bei landesweiten Luftangriffen hat sich der Kreml ganz generell vorrangig die Wasserinfrastruktur zum Ziel genommen. Leitungen, Kläranlagen und Pumpstationen wurden zerstört. Das erklärt Tobias von Lossow, wissenschaftlicher Mitarbeiter der niederländischen Denkfabrik Clingendael Institute, in der “Welt”. „Nach drei Monaten sehen wir eine humanitäre Katastrophe und das Trockenlegen von Städten – wie Mariupol oder auch die Stadt Mykolaiv, die seit mehr als einem Monat ohne Wasser ist“, sagt von Lossow. „Besonders besorgniserregend ist die Situation in den stark umkämpften oder besetzten Gebieten im Osten und Süden.“

Immer mehr Gewalt in Zusammenhang mit Wasser

Wasser als Waffe einzusetzen, ist vor allem effektiv, wenn es ohnehin knapp ist oder wenn ein Land wie die Ukraine, die als Kornkammer Europas gilt, stark von Landwirtschaft und Bewässerung abhängig ist. Angesichts des Klimawandels wird Wasser in einigen Regionen noch knapper werden und eine immer entscheidendere Rolle in Konflikten spielen, wird Peter Gleick, Mitbegründer der globalen Denkfabrik Pacific Institute in der “Welt” zitiert. Denn laut UN werden bis 2050 fast sechs Milliarden Menschen an den Folgen von Wasserknappheit leiden.

Die brisante Folge: „Wir sehen immer mehr Gewalt im Zusammenhang mit Wasser“, sagt Gleick, „weil Wasser immer knapper und wichtiger wird und der Klimawandel sich darauf auswirkt, wie viel Wasser wir haben und wo wir es bekommen.“

Oligarch warnt in Wien vor "zweitem Mariupol"

Angesichts der dramatischen Situation im ostukrainischen Swjewjerodonezk hat der in Wien lebende ukrainische Oligarch Dmytro Firtasch vor der Wiederholung eines Szenarios wie in Mariupol gewarnt. Firtaschs Holding GroupDF besitzt die Swjewjerodonezker Chemiefabrik Asot, in deren Bunkern sich 800 Zivilisten aufhalten sollen, darunter 200 Fabriksarbeiter. Russland müsse den laufenden Angriff bedingungslos einstellen, forderte der Ukrainer am Samstag laut einer Aussendung.

Trotz des verstärkten Angriffs russischer Truppen seien 200 Mitarbeiter in der Stickstofffabrik geblieben, um die Reste von dort lagernden “hochexplosiven Chemikalien” bestmöglich zu sichern und professionell zu schützen, hieß es in der Aussendung. Ein Großteil des in der Anlage gelagerten Stickstoffs sei jedoch rechtzeitig aus dem Konfliktgebiet evakuiert worden.

Bis Donnerstag sei man noch in der Lage gewesen, Lebensmittel, Wasser und andere wichtige Güter für Zivilisten in das Asot-Werk zu transportieren, erklärte Firtasch. Seit Freitag hätten jedoch keine Transporte mehr das Werk erreicht.