Was plant Sebastian Kurz 2025?
Während sich ÖVP, SPÖ und NEOS mühsam einer Koalitionseinigung annähern, werden im Schatten der Regierungsverhandlungen bereits andere Pläne und Varianten kolportiert. Egal wie die Ampel-Verhandlungen ausgehen, Karl Nehammer ist angeschlagen und sitzt schon lange nicht mehr fest im Sattel. Ein Name, der seit einigen Wochen immer wieder genannt wird, ist der des Ex-Kanzlers Sebastian Kurz. Viele in der ÖVP sehen in ihm den Einzigen, der die Volkspartei nach einer desaströsen Niederlagenserie unter Nehammer wieder auf Erfolgskurs bringen und Wahlen gewinnen kann. Aber was plant Sebastian Kurz 2025 wirklich? Eine Analyse von Eva Schütz.
Man muss anerkennen, dass Sebastian Kurz auch in der Privatwirtschaft seinen Kritikern zeigt, dass er erfolgreich unterwegs ist. Mit seinem Beratungsunternehmen in Österreich erzielte er zuletzt Millionengewinne, und sein IT-Start-up in Israel hat längst die Hundert-Millionen-Dollar-Schallmauer durchbrochen – sowohl beim Jahresumsatz als auch bei der Unternehmensbewertung. Und die Kurve zeigt weiter nach oben. Kenner des Ex-Kanzlers wissen jedoch, dass Geld nicht sein primärer Antrieb ist. Er zeigt sich neugierig für Neues, beschäftigt sich intensiv mit Innovationen sowie Künstlicher Intelligenz und pflegt beziehungsweise erweitert sein internationales Netzwerk – von Peking und Indien über (seine zweite Heimat) den Mittleren Osten, den Westbalkan, Berlin, Brüssel bis nach Washington und ins Silicon Valley.
Lange war Kurz politisch untergetaucht. Die Kommentierung der österreichischen Innenpolitik meidet er tunlichst. Wenn er spricht, dann leidenschaftlich über Geopolitik, den Krieg in der Ukraine, Konflikte in und rund um Israel und warnt bei jeder Gelegenheit vor Europas wirtschaftlichem und innovativem Rückfall im Weltkonzert der Großen. Trotzdem fällt auf, dass er zuletzt wieder eine stärkere mediale Präsenz zeigt. Seine Auftritte rund um die US-Präsidentenwahl waren ebenso auffällig wie sein Studiobesuch kurz vor Weihnachten in der deutschen Polittalk-Sendung „Maischberger“.
„Spätestens seit der Steiermark-Wahl und den gleichzeitig holprig laufenden Koalitionsverhandlungen läuft es in der ÖVP zunehmend unrund. Funktionäre reden schon offen darüber, dass Nehammer seine Chance hatte“, meint ein einflussreicher ÖVP-Ländervertreter.
Dieser Eindruck deckt sich auch mit einer Reihe von Umfragen, die in den vergangenen Wochen veröffentlicht wurden. Zwar mag man mit solchem Zahlenmaterial generell vorsichtig sein, doch der Trend geht bei allen Umfrageinstituten in die gleiche Richtung: Die Ampel genießt schon vor der Angelobung kein Vertrauen (ganz im Gegensatz zu den beiden vorherigen Koalitionen von Kurz mit der FPÖ und den Grünen). Noch schlimmer: Nehammers persönliche Werte und die der ÖVP sinken immer weiter – zugunsten der Freiheitlichen und Herbert Kickl.
Genau das wird in Teilen der ÖVP immer stärker kritisiert. „Es war ein schwerer strategischer Fehler von Nehammer, sich dermaßen von den Freiheitlichen abzugrenzen. Viele Gesprächskanäle zu den Blauen wurden abgebrochen. Das führt automatisch dazu, dass wir uns links der Mitte die Partner suchen müssen“, kritisiert ein ÖVP-Insider.
Daher fragen sich immer mehr, wann Sebastian Kurz wieder zurückkommt. Mit Kurz wäre eine Neuauflage von Türkis-Blau oder Blau-Türkis wesentlich einfacher. Auch die Differenzen zwischen Kurz und Kickl – Stichwort Ibiza – sind laut einem Kurz-Kenner leicht überwindbar. „Es sind zwar beide zwei Alphatiere, aber beide wissen auch, dass sie es schaffen würden, ein Mitte-Rechts-Programm zu zimmern und eine Koalition zu bilden. Egal in welcher Konstellation – Kurz ist für die ÖVP der Schlüssel für eine bürgerliche Regierung“, so ein langjähriger ÖVP-Kenner. Diese Koalitionsform würde vor allem in der Wirtschaft und Industrie bevorzugt. Auch in den Ländern, in denen die ÖVP bereits jetzt mit den Freiheitlichen koaliert, wird diese Option hinter vorgehaltener Hand präferiert. „Mit der Ampel haben wir als ÖVP nichts zu gewinnen, außer das Kanzleramt für Nehammer, und das ist auf Dauer viel zu wenig und auch kein Programm“, erklärt der Ländervertreter. Details aus den laufenden Koalitionsverhandlungen verstören immer mehr ÖVP-Mitglieder, der Unmut nimmt täglich zu.
Kurz hält sich aber weiter sehr bedeckt. Dennoch war vor Weihnachten in seinem Büro am Schubertring erhöhte Betriebsamkeit erkennbar. „Immer mehr Leute suchen wieder den Kontakt zu Kurz. Es sind einfache Funktionäre, Bürgermeister, ja sogar Landeshauptleute, die plötzlich wieder ‚auf einen Kaffee‘ mit Kurz wollen. Und auch mit mächtigen Bündevertretern kam es bereits zu ersten diskreten Treffen, die Kurz auf ein mögliches Comeback abklopfen“, erzählt ein Kurz-Vertrauter. Und weiter: „Jene, die ihn noch nicht direkt sprechen wollen, schicken Emissäre aus und treffen sich mit engen Kurz-Mitstreitern.“
Im Team von Kurz gibt es jedoch zwei Strömungen, wird erzählt. „Ein Teil des Teams setzt weiter auf die Karte Volkspartei. Sie sehen es als spannendes Projekt, Nehammer abzulösen und die Partei nach Mitterlehner im Jahr 2017 erneut aus der Krise zum Erfolg zu führen.“ Der andere Teil präferiert den Weg mit einer eigenen neuen Liste. „Kurz könnte abseits von Bündestrukturen und Landeshauptleuten eine eigene Bewegung aufbauen und wäre nicht mehr von ihnen abhängig. Das Geld für eine eigene Liste hätte er sich jedenfalls in den vergangenen drei Jahren selbst erwirtschaftet.“
Die Option mit einer eigenen Liste hat auch die ÖVP auf dem Radar und macht die Parteispitze zunehmend nervös. ÖVP-Haus- und Hofdemoskop Franz Sommer hat Kurz in seinen Umfragen schon längst wieder berücksichtigt. Intern hat Sommer laut übereinstimmenden Berichten bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass Kurz der Einzige sei, der die ÖVP wieder auf Kurs bringen kann, aber mit einer eigenen Liste auch die größte Gefahr für Nehammer und Co. darstelle.
2025 kann also für die ÖVP spannend werden. Blickt man in die Geschichtsbücher der Volkspartei, sieht man, dass es oft schnell gehen kann. Was Nehammer in den kommenden Wochen aus den Koalitionsverhandlungen liefert, könnte bereits die erste Weichenstellung mit sich bringen. Gestärkt wird er mit der Ampel jedenfalls nicht.
Kommentare