Als der Deutsche Bundestag am 29. Januar mit 348 Ja- zu 344 Nein-Stimmen den Fünf-Punkte-Plan der Union annahm, stand das Land Kopf. Durch die Zustimmung der AfD hatte sich die Union eine Mehrheit verschafft, um endlich eine Migrationswende einzuleiten – so jedenfalls die Theorie. Die linken Parteien im Bundestag tobten. Merz habe das „Tor zur Hölle“ geöffnet, schimpfte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Auch auf der Straße wurde es ungemütlich für die Union. Es kam zu massiven Übergriffen auf Parteimitglieder. Auf den anschließenden „Demos gegen Rechts“ wurde Merz mitunter in die Rolle eines Faschismus-Ermöglichers gerückt.

Doch danach passierte … nichts. Weder setzte die Bundesregierung um, was der Bundestag forderte. Noch pochten die Abgeordneten der CDU/CSU auf eine sofortige Umsetzung. Schon in den ersten Tagen nach der hitzig geführten Debatte im Parlament zeichnete sich ab, dass eine Wende in der Migrationspolitik nie wirklich zur Disposition stand. Eine Torpedierung der Sondierungs- und Koalitionsgespräche zwischen Union und SPD sollte tunlichst vermieden werden.

Von Zurückweisungen ist keine Rede mehr

Ursprünglich sah der Fünf-Punkte-Plan folgende Dinge vor:

Dauerhafte Grenzkontrollen zu unseren EU-Nachbarstaaten

Zurückweisung ausnahmslos aller Versuche der illegalen Einreise aus einem EU-Nachbarstaat

Vollziehbar Ausreisepflichtige werden sofort in Abschiebehaft genommen

Ausweitung der Befugnisse für die Bundespolizei bei Abschiebungen

Ausreisearrest für alle ausreisepflichtigen Straftäter und Gefährder

Am Samstag stellten die Sondierer von Union und SPD ihre ersten Verhandlungsergebnisse vor. Einige Punkte wurden aufgenommen, einige deutlich aufgeweicht, andere sind im Sondierungspapier gar nicht mehr zu finden. Von der Zurückweisung aller illegalen Einwanderer ist beispielsweise nicht mehr die Rede. Nun soll die „irreguläre Migration“ lediglich „reduziert“ werden. „Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen“, versprechen die Sondierer. Zurückweisungen an den Grenzen gibt es jedoch bereits jetzt, aber eben nicht flächendeckend.

Dabei hatte Friedrich Merz noch am 23. Januar den Wählern fest versprochen, die Grenzen für alle illegalen Migranten zu schließen: „Ich werde im Fall meiner Wahl zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland am ersten Tag meiner Amtszeit das Bundesinnenministerium im Wege der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers anweisen, die deutschen Staatsgrenzen zu allen unseren Nachbarn dauerhaft zu kontrollieren und ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen.“

Ohne Berufsqualifikation nach Deutschland

Auch Punkt 3 des Fünf-Punkte-Plans taucht nicht mehr im Sondierungspapier auf. „Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, dürfen nicht mehr auf freiem Fuß sein. Sie müssen unmittelbar in Haft genommen werden“, hatte der Bundestag durch die Annahme des Entschließungsantrags der Union verlangt. Die sofortige Verhaftung der illegalen Migranten steht inzwischen nicht mehr zur Debatte.

Laut Sondierungspapier soll gleichzeitig das Kontingent bei der Westbalkanregelung von 50.000 auf 25.000 heruntergesetzt werden. Damit würde lediglich die Hochstufung aus dem Juni 2024 rückgängig gemacht. Auch weiterhin könnten Personen aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien und dem Kosovo ohne Nachweis einer Berufsqualifikation nach Deutschland gelangen.

Merz versprach eine Wende in der MigrationspolitikAPA/AFP/FABRICE COFFRINI

Zudem soll der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten ausgesetzt werden – das sind jedoch ohnehin nur rund zehn Prozent der 120.000 Familiennachzügler des vergangenen Jahres. Das Auswärtige Amt dürfte auch in Zukunft fleißig Visa in der ganzen Welt verteilen. Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts bleibt hingegen gänzlich unangetastet. Der deutsche Pass wird durch die Turbo-Einbürgerungen somit weiterhin zur Ramschware, das Staatsvolk in seiner Zusammensetzung grundlegend verändert.

Die Sondierungsergebnisse bieten also oberflächliche und unkonkrete Formulierungen, ohne eine wirkliche Wende in der Migrationspolitik in Aussicht zu stellen. Die Masseneinwanderung nach Deutschland wird sich fortsetzen, nur eben ein bisschen langsamer.

Das Innenministerium verschickt eine Nicht-Antwort

Dass der durch den Bundestag beschlossene Fünf-Punkte-Plan nicht durchkommt, hatte sich frühzeitig angedeutet. Auf NIUS-Anfrage hatte bereits die amtierende Bundesregierung zu verstehen gegeben, dass sie den Willen des Parlaments weiter ignoriert – was sie juristisch darf, denn der am 29. Januar beschlossene Antrag der Union ist rechtlich nicht bindend. Brisant ist die Nicht-Beachtung einer Bundestagsmehrheit trotzdem, denn schließlich ist das Parlament vom Volk gewählt.

Auf die Frage, ob die Bundesregierung den Forderungen des Bundestages nachkommen oder sie ignorieren will, hieß es aus dem Innenministerium: „Die Bundesregierung teilt das Ziel, Migration geordnet und im Einklang mit humanitären Verpflichtungen zu gestalten und irreguläre Migration zu reduzieren. Dabei müssen Maßnahmen zur Steuerung und Begrenzung von Migration stets im Einklang mit dem Grundgesetz sowie europäischen und internationalen Verpflichtungen stehen. Zur Begrenzung der irregulären Migration hat die Bundesregierung umfassende Maßnahmen getroffen wie vorübergehende Binnengrenzkontrollen an allen deutschen Landgrenzen, bei denen auch umfassende Zurückweisungen erfolgen. Die künftige Bundesregierung wird – auch mit Blick auf die jüngsten parlamentarischen Initiativen und Beschlüsse – über weitere Maßnahmen zu entscheiden haben.“

Das Innenministerium verschickte damit eine klassische Nicht-Antwort, die übersetzt bedeutet: Wir machen hier gar nichts mehr, über den Rest hat die Nachfolgeregierung zu entscheiden. Doch die, so lassen es die ersten Ergebnisse der Sondierungsgespräche vermuten, will den Beschluss in seiner Gesamtheit auch nicht umsetzen. Die SPD hätte sich damit durchgesetzt. Zu drastischen Einschneidungen bei der Migrationspolitik wird es nicht kommen. Es bleibt bei kosmetischen Veränderungen.

Aus der Union blieb es still

Das hatte sich schon länger angekündigt, denn auch aus der Union hörte man seit dem 29. Januar kaum mehr etwas zum Fünf-Punkte-Plan. Es gab keine Pressemitteilungen zum Bundestagsbeschluss. Kein Abgeordneter pochte öffentlich auf die sofortige Umsetzung der Forderungen.

Zwei Tage nach der Entscheidung hieß es noch versteckt im Unions-Newsletter „FRAKTIONdirekt | Nr. 76“: „Der Entwurf des Zustrombegrenzungsgesetzes scheiterte an Rot-Grün, der Fünf-Punkte-Plan für die Eindämmung der illegalen Migration fand eine Zufallsmehrheit.“ Auch in der nächsten Ausgabe des Newsletters zwei Wochen später wurde der Fünf-Punkte-Plan kurz erwähnt. Merz äußerte hier jedoch „die Hoffnung auf neue parlamentarische Mehrheiten nach der Wahl, die eine Umsetzung dieses Plans möglich machen würden“.

APA/AFP/Odd ANDERSEN

Schon hier pochte die Union also nicht mehr auf eine sofortige Umsetzung des Plans, sondern vertröstete sich auf kommende Mehrheiten nach der Wahl am 23. Februar. Konkrete Forderungen oder Appelle an die Bundesregierung ließ man weiter vermissen. Auf Nachfrage bei der Unions-Fraktion, weshalb man seit dem 29. Januar öffentlich nicht mehr auf die sofortige Umsetzung des Fünf-Punkte-Plans drängte, erklärte ein Sprecher gegenüber NIUS: „Ich bitte um Verständnis, dass wir uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zum Stand der Sondierungen äußern.“ Doch nach dem Stand der Sondierungen wurde gar nicht gefragt.

Sollten sich die am Samstag vorgestellten Verhandlungsergebnisse zwischen Union und SPD auch im Koalitionspapier bestätigen, hieße das im Falle der Migrationsfrage: CDU-Chef Friedrich Merz hat sein Wort gebrochen. Eine tatsächliche Wende in der Migrationspolitik wird es unter seiner Kanzlerschaft nicht geben.

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Kommentare

  • MeinungsFreiheit sagt:

    Wir wurden und werden weiter nach Strich und Faden belogen!
    Von der EU, in Deutschland und in Österreich.
    Die EU ist vom einstigen Friedensprojekt zu einem Kriegsprojekt und Lügenkonstrukt verkommen.

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  • Karl sagt:

    Nach der Wahl ist vor der Wahl….beim nächsten Mal wirds noch enger….

  • Hasso sagt:

    Er macht halt die Wende von der Wende und davon dann wieder die Wende. Dieser Mann widerspricht so oft, daß er selber nicht mehr weiß, was er versprochen hat und schimpft dann sogar über seine eigenen Aussagen. Lachnummer. Will der etwas KanzlerIn werden?

  • Blues sagt:

    Merz kann fordern was er will !
    Er weiß genau wie unsere Politiker, dass er das mit den gültigen Gesetzen nicht umsetzen wird können. Zuerst kommen die Gesetze der EU und dann die des Staates. Das müsste er doch wissen !
    Und auch er steckt im selben Dilemma wie unsere schwarz/türkisen: Die Koalition mit Rechts wollen sie nicht und mit einer Koalition mit den Linken bekommt er das Thema nicht umgesetzt.
    Bleibt also hüben wie drüben nur eine Absichtserklärung, die aber KEINERLEI Auswirkung auf das Geschehen haben wird, so lange die EU das letzte Wort hat.
    Und vdL aus der EVP will ja weder unsere ÖVP noch die deutsche CDU/CSU widersprechen. Man wird sich ja in der Familie nicht gegenseitig wehtun.

    Wenn die jetzt regierenden Politiker nicht endlich etwas unternehmen und uns immer nur vera….en, dann wird es entweder irgendwann so einen Rechtsruck geben, dass sie nichts mehr zu sagen haben oder es gibt bürgerkriegsähnliche Zustände, die sie dann nicht mehr beherrschen. Die Stimmung ist langsam am Kochen im Volk, wenn man sich so umhört.
    Das Verdrehen der Tatsachen und das Anschwärzen der Kritiker und das Erschla gen mit der Naxi-Keule ist ja letztendlich in die Hose gegangen. Jetzt ist alles nur noch schlimmer.
    Kritischer Fehler, ich weiß.

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  • GF 99 sagt:

    CDU, CSU und ÖVP, fallen regelmäßig im Liegen um.

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  • Fpömußher sagt:

    Anscheinend ist Wählertäuschung, Länderübergreifend in großer Mode und hat auch keine Konsequenzen.

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  • Lebertran Pepi sagt:

    Wer die Systemmedien auf seiner Seite hat,kann ungehindert Lügen verbreiten,wer diese nicht auf seiner Seite hat,dem wird sogar zum Verhängnis,wenn er die Wahrheit unverblümt ausspricht,dem wird von den Systemmedien ein Strick gedreht!….

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  • Sog i sagt:

    Unglaublich, dass man solche Verlogenheit noch toleriert.

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    1. M. A. SUSLOW sagt:

      Diktaturen und ihre Herrscher halten sich ausschließlich durch Lügen an der Macht! Daher werden Lügen nicht nur toleriert, sondern gefördert!

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