Wunderwuzzi mit Kettensäge: Argentiniens Präsident Javier Milei ist ein Jahr im Amt
Das soll dem schillernden argentinischen Präsidenten Javier Milei erst mal jemand nachmachen: Innerhalb eines Jahres wandelte er ein Budgetdefizit von fünf Prozent des BiP in einen anhaltenden Haushaltsüberschuss um.
Seit 123 Jahren beißt Argentinien sich die Zähne an der Budgetpolitik aus. Nicht aber Javier Milei (54). Der im Dezember des Vorjahres gewählte Präsident kam, sah und siegte. Wie von Zauberhand verzeichnete er schon im ersten Quartal, ja nach einem Monat seiner Amtszeit einen Haushaltsüberschuss – der seither aufrechterhalten werden konnte.
Am ersten Tag seiner Amtszeit, am 10. Dezember 2023, versprach er “Mühe, Schweiß und Tränen”. Sein erklärtes Ziel: das wirtschaftlich darniederliegende Argentinien aus dem Sumpf zu ziehen. Prompt verschrieb er dem Land eine schmerzliche Rosskur. Nicht von ungefähr wird er häufig als +Präsident mit der Kettensäge” dargestellt.
Warum Kettensäge? Im Wahlkampf der argentinischen Präsidentenwahl zeigte er sich mehrmals mit einer Kettensäge in der Öffentlichkeit, um sein politisches Programm zu verdeutlichen: dem bürokratischen und finanzpolitischen Wildwuchs den Garaus machen.
"Jeden Tag deregulieren wir, und wir haben noch 3200 Strukturreformen vor uns"
Trotz massiver Ausgabenkürzungen im ersten Jahr seiner Amtszeit ist Milei bei den Argentiniern beliebter als seine beiden Vorgänger nach ihrem ersten Jahr. Mehr noch, in den vergangenen Monaten ist seine Popularität sogar noch gestiegen. Die Argentinier sind vor allem von der rapide sinkenden Inflation beeindruckt.
Die Teuerungsrate gilt seit Langem als Geißel Argentiniens, angeheizt durch die maßlosen Ausgaben der bisherigen Regierungen. Als Milei das Präsidentenamt antrat, lag die Inflation bei dreizehn Prozent im Monatsvergleich. Nachdem er daran ging, den argentinischen Peso abzuwerten, schnellte die Teuerungsrate zwar kurzfristig auf 25 Prozent hoch. Inzwischen liegt sie aber unter drei Prozent pro Monat.
Neben den Bemühungen Mileis um eine Stabilisierung der Makroökonomie haben er und sein Team Unmengen von Bürokratie abgebaut, die sich auf alles bezieht, von Flugreisen und Wohnungsmieten bis hin zu Scheidungen und Satelliteninternet. Und er ist noch lange nicht fertig. “Jeden Tag deregulieren wir, und wir haben noch 3200 Strukturreformen vor uns”, sagt er. Elon Musk, den er vor Kurzem in Mar-a-Lago getroffen hat, wolle seinem Beispiel folgen, sagt er.
„Hört nicht auf das, was ich sage, sondern schaut auf das, was ich tue.“
Die Kürzungen tun freilich weh. Die Wirtschaft schlitterte in diesem Jahr in eine Rezession, während die Arbeitslosigkeit hochschnellte. Der Anteil der in Armut lebenden Argentinier ist von 40 Prozent im Vorjahr auf 53 Prozent angestiegen.
Dennoch: Die Talsohle der Rezession scheint durchschritten zu sein. Das Wirtschaftswachstum dürfte dazu beitragen, Armut und Arbeitslosigkeit zu lindern. Nun hoffen Milei und seine Regierung, dass ein neues Gesetz, das gewaltige Investitionsanreize sowie mehrjährige Steuererleichterungen und Zollbefreiungen vorsieht, Kapital ins Land locken und das Wachstum ankurbeln wird. Betrachtet man die bisherigen Wirtschaftserfolge Mileis, wird ihm wohl auch das aufgehen.
Freilich, die Gefahr, abzuheben, ist vor diesem Hintergrund groß. Sein Umfeld himmelt ihn nach einem Jahr im Amt bereits als einen „Auserwählten“ an. Er selbst hat sich wiederholt eines zukünftigen Nobelpreises für würdig befunden. Alles nur Show? Vermutlich schon. Bei seinem Amtsantritt flüsterte der Wirtschaftsprofessor den Medien folgende Worte zu: „Hört nicht auf das, was ich sage, sondern schaut auf das, was ich tue.“
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