Es war eine dramatische Verfolgungsjagd im Salzburger Pinzgau. Ein Schlepper mit zehn Syrern in seinem Wagen hatte sich einer Polizeikontrolle bei der Einreise nach Bayern entzogen. Die Polizisten folgten ihm über fast 30 Kilometer. Der Fahrer – ein Rumäne – nahm auf Passanten, Polizisten und Insassen keinerlei Rücksicht, berichtet die Polizei. Trotz Regen, Schneefall und Glatteis setzte er seine Flucht fort. Mehrmals rammte er eine Polizeistreife. Es bestand Gefahr für unbeteiligte Passanten und Einsatzkräfte. Auch Warnschüsse konnten ihn nicht stoppen. Zuletzt blieb er im Schnee stecken.

Inmitten von winterlichen Fahrbedingungen ergriff der Fahrer die Flucht.APA/EXPA/ JFK

Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Polizeibeamten wegen Mordverdachts. Zwei Syrer wurden durch Schüsse der Polizisten verletzt, einer davon lebensgefährlich, berichten die „Salzburger Nachrichten“.

Staatsanwaltschaft kann „bedingten Tötungsvorsatz“ nicht ausschließen

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Salzburg, Elena Haslinger, bestätigte: Ein „bedingter Tötungsvorsatz“ könne „derzeit nicht ausgeschlossen werden“, sprich: Möglicherweise haben es beiden verdächtigen Polizisten bei ihrem Handeln für möglich gehalten haben, jemanden zu töten.

Ein „bedingter Tötungsvorsatz“ der Polizisten könne nicht ausgeschlossen werden, sagt die Staatsanwaltschaft.APA/BARBARA GINDL

Der Vorfall ereignete sich am 11. Dezember in den frühen Morgenstunden. Die Salzburger Polizei war damals von den Kollegen in Bayern verständigt worden. Der Lenker eines Kastenwagens hatte sich bei der Einreise der Kontrolle entzogen, indem er umdrehte und davonraste. Zunächst nahmen die deutschen Polizisten selbst die Verfolgung auf der Pinzgauer Bundesstraße vom Steinpass Richtung Saalfelden auf und wurden kurz danach von den heimischen Kräften abgelöst. Einer Salzburger Streife gelang es schließlich, dem Kastenwagen vorzufahren. Die Polizisten versuchten, das Fluchtfahrzeug zum Anhalten zu bringen. Vergeblich! Der Kastenwagen rammte wiederholt den Streifenwagen.

Lenker blieb im Schnee stecken und rannte anschließend davon

Schließlich gab einer der Polizisten während der Fahrt zwei Schüsse aus der Pistole auf das Fluchtfahrzeug ab, „um die unmittelbare Gefahr für Unbeteiligte und die Einsatzkräfte zu beenden“, sagt der Polizeibericht. Der Beamte schoss in Richtung Fahrerseite des Fluchtautos. Weil die beiden Einschüsse gegen die Scheiben erfolgten, auf Oberkörperhöhe der Insassen, kann die Staatsanwaltschaft „einen bedingten Tötungsvorsatz“ nicht ausschließen. Die Projektile dürften laut Polizei „im Fluchtfahrzeug eine Splitterwirkung entfaltet“ und dabei einen hinter dem Lenker sitzenden Syrer (19) an der Hand getroffen haben. Dieser Mann lehnte eine ärztliche Behandlung ab.

Inmitten von Schnee und Eis folgten die Polizisten dem Schlepper über fast 30 Kilometer.APA/EXPA/ JFK

Der Lenker – ein Rumäne (34) – setzte trotz der Schüsse die Flucht fort. Kurz vor Saalfelden verließ er dann die Bundesstraße, kam von der verschneiten Straße ab und blieb im Schnee stecken. Der Lenker rannte in der Dunkelheit davon, zurück im Wagen blieben zehn Syrer. Als zwei Polizistinnen die Insassen zum Aussteigen aufforderten, gab eine Beamtin (34) aus noch unbekannter Ursache einen Schuss aus dem Sturmgewehr der Polizei ab, der einen Syrer (27) im Kopf traf und lebensgefährlich verletzte.

Rücksichtslos gegenüber anderen Fahrern, Syrern und Polizisten

Den Lenker nahm die Polizei kurz nach dessen Flucht fest. Die Verfolgungsjagd hatte sich über fast 30 Kilometer gezogen. „Die Flucht erfolgte trotz schlechter Witterung mit Regen, Schneefall und Eisglätte, mit stark überhöhter Geschwindigkeit und ohne Rücksicht auf die im Fahrzeug befindlichen syrischen Staatsangehörigen, unbeteiligte Verkehrsteilnehmer sowie die eingesetzten Polizeikräfte“, hieß es im Polizeibericht. Die zehn Syrer wollten sich von dem mutmaßlichen Schlepper von Slowenien nach Deutschland bringen lassen.

Pinzgau war eingeschneit.

Die Staatsanwaltssprecherin Elena Haslinger unterstrich, dass das Ermittlungsverfahren noch im Anfangsstadium sei und die Ermittlungen „nicht bedeuten, dass das in Stein gemeißelt ist und so bleiben muss“. So müsse man abwarten, wie sich die beiden Beschuldigten verantworten. Es werde geprüft, ob Rechtfertigungsgründe über den Schusswaffengebrauch vorliegen.