Ein Recht auf Vergewaltigung für den Bürgermeister? Mit diesem Vorschlag – als Scherz gemeint – hat der SPÖ-Nationalratsabgeordnete Andreas Kollross, der gleichzeitig Bürgermeister in Trumau (Niederösterreich) ist, für ungläubiges Kopfschütteln und Entsetzen auf Social Media gesorgt. Vor dem Fernseher – es wurde „Braveheart“ gespielt – war er offenbar auf die Idee gekommen, wie sein mittlerweile gelöschtes Facebook-Posting nahelegt.

Diese Anregung findet aber niemand bisher besonders lustig, nicht einmal erheiternd, sondern geschmacklos, schockierend, schlicht ungeheuerlich.

Das Ritual, wonach der Landsherr die Braut eines Untertanen in der Hochzeitsnacht in sein eigenes Bett nehmen darf, imponierte dem SPÖ-Politiker an Mel Gibsons Film „Braveheart“ (Bild) am meisten – angeblich ganz ohne Eigeninteresse.Sunset Boulevard/Corbis via Getty Images

Ex-ÖVP-Abgeordneter Dönmez wurde aus dem Club ausgeschlossen

Mit Rücktrittsforderungen wie vor fünf Jahren der damalige ÖVP-Nationalratsabgeordnete Efgani Dönmez ist Kollross bisher freilich nicht konfrontiert. Dönmez war im September 2018 aus dem Klub der Volkspartei ausgeschlossen worden, wegen eines Tweets, der als Anspielung auf sexuelle Handlungen interpretiert wurde, die zum Karrieresprung einer deutschen Politikerin geführt hätten.

Efgani Dönmez wurde aus dem ÖVP-Klub ausgeschlossen – für einen Tweet, der seiner Meinung nach falsch interpretiert wurde.APA/HERBERT PFARRHOFER

Damals bemühte sich Kollross noch in Empörung (siehe unten). Ob er nun mit ähnlichen persönlichen Konsequenzen – oder noch weiterreichenden – zu rechnen hat, ist zurzeit ungewiss.

Facebook-Scherz über Jus primae noctis (deutsch: Recht der ersten Nacht)

Auf Facebook schrieb der Nationalrat in einem mittlerweile gelöschten Beitrag: „Weil gerade Braveheart läuft eine kurze Frage: Kann man eigentlich mittels Gemeinderatsbeschluss so ein Ius primae noctis für den Bürgermeister beschließen lassen? Frage mir aus Interesse. Keinerlei Eigeninteresse natürlich.“ Darunter ergänzte Kollross noch: Es handle sich um „einen Joke auf Basis kurzfristiger Langeweile“.

„Was für ein ungustiöser Ungustl und dummer Mann!“

Der Shitstorm auf X will zurzeit kein Ende nehmen. Mehrere weibliche X-Userinnen sind fassungslos: „Wie kommt man auf sowas. Unglaublich!“ Eine andere meint: „Was für ein ungustiöser Ungustl und dummer Mann!“ Eine weitere kommentiert: „Es gibt geschmacklose Witze. Die erzählt man und kommt drauf: keiner lacht. Soziale Kontrolle. Schreiben sollte man sie nie. Ja, und dann gibt es noch SEHR geschmacklose Witze“.

Kollross hat mit seinem Posting überdies die Aufmerksamkeit auf sein eigenes Äußeres gelenkt, das offenkundig als wenig attraktiv empfunden wird. Ein Twitter-User meint: „Für mich glaubwürdig, dass der wohlbeleibte Herr Kollross nicht für sich selbst frug. Rein von der Optik habe ich den Eindruck, dass er jede nach körperlicher Anstrengung anmutende Tätigkeit konsequent meidet.“ Ein anderer kommentiert: „Es ist ja schon bemitleidenswert, wenn übergewichtige Boomer glauben, sie wären #braveheart, weil sie tapfere Tweets schreiben. Aber Kollross identifiziert sich mit den vergewaltigenden Schurken.“

Grünen-Abgeordnete: „Inakzeptable Verhöhnung von Vergewaltigungsopfern“

Grünen-Nationalratsabgeordnete Meri-Disoski erklärt auf X: „Einfach nur schockierend: Drüben auf Facebook scherzt @SPOE_at Nationalrat & Bürgermeister @AndreasKollros über Vergewaltigungen, banalisiert damit sexualisierte Gewalt & diffamiert erwartbare Kritik vorsorglich als ,humorlos‘.“ Und: „Absolut nichts an der Frage, ob per Gemeinderatsbeschluss ein Recht auf Vergewaltigung (!) für den Bürgermeister beschlossen werden kann, ist lustig.“

Disoski: erinnert daran: Jede dritte Frau erlebe laut Umfragen sexualisierte Gewalt, sieben Prozent „sind vergewaltigt worden, weitere neun Prozent berichten von einer versuchten Vergewaltigung. Dieses Posting ist eine inakzeptable Verhöhnung dieser Frauen. Shame on you!“

Kollross kritisierte das Schweigen von Kurz nach Dönmez-Tweet

Nach einer Entgleisung von Efgani Dönmez hatte derselbe Andreas Kollross im September 2018 auf X gemeint: „Was genau hat #Kurz bisher zu #dönmez getan? Glaube das Übliche. Ganz laut geschwiegen.“

Die Reaktion ließ aber nichtlange auf sich warten. Wenig später folgte der Rauswurf von Dönmez.

Der Grund der damaligen Aufregung: Der Nationalratsabgeordnete hatte auf die Frage eines X-Nutzers, wie die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) zu ihrem Amt gekommen sei, geantwortet: „Schau dir mal ihre Knie an, vielleicht findest du da eine Antwort.“ Der Tweet des Politikers endete mit einem zwinkernden Smiley. In den Medien wurde die Aussage als Anspielung auf sexuelle Handlungen interpretierte, denen die Politikerin laut Dönmez ihre Karriere verdanke.

Kollross entschuldigt sich, politische Konsequenzen unklar

Mittlerweile hat sich Kollross für sein „unpassendes Posting zu ‚Braveheart‘“ entschuldigt. „Mir ist klar, dass das Posting nicht in Ordnung war und habe verstanden, was der Inhalt ausgelöst hat. Dafür möchte ich mich entschuldigen und künftig entsprechend handeln!“

SPÖ-Chef Andreas Babler übte ebenfalls scharfe Kritik: „Verharmlosungen von Gewalt gegenüber Frauen sind auf das Schärfste zu verurteilen und haben in der SPÖ nichts verloren“, erklärte er. „Das haben wir auch mit Andreas Kollross besprochen und seine Entschuldigung ist das Mindeste, was wir erwarten.“

Es bleibt abzuwarten, ob Kollross nach seinem unzweideutigen Scherz über rechtsfreie Vergewaltigungen für Bürgermeister noch weitere politische Konsequenzen ziehen muss, etwa den Rückzug von allen politischen Ämtern.