Prof. Markus C. Kerber warnt: Die Europäische Union will die Einstimmigkeit in Fragen der Sicherheitspolitik und der Außenpolitik abschaffen. Das ist brandgefährlich: „Besonders die mittelgroßen Nationalstaaten, wie beispielsweise Österreich, haben eine Menge zu verlieren, denn Einstimmigkeit garantiert nationale Souveränität.“

Kerber lehrt Finanzwissenschaften und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin, hat häufiger gegen die Europäische Zentralbank (EZB) geklagt als irgendjemand sonst, und ist ein jahrelanger Kritiker der Europäischen Kommission. Auf eXXpressTV warnt er mit Nachdruck vor den Plänen in Brüssel.

Prof. Kerber kritisiert die zahlreichen Vertragsbrüche der EU-Kommission.eXXpressTV

Von der Leyen und Borrell benützen jede Krise um eigene Macht zu erweitern

Die Europäische Kommission und insbesondere der EU-Beauftragte für Außenpolitik Josep Borrell „möchten ihre Zentralmacht vergrößern. Deshalb benutzen sie jede Krise – ob Pandemie oder Ukraine-Krieg – als Vorwand um ihre Zentralgewalt zu stärken“, kritisiert Prof. Kerber im TV-Gespräch mit eXXpress-Redakteur Stefan Beig. Eigenmächtig entschied Borrell etwa mit Hilfe der EU-Friedensfazilität, die eigentlich Friedenseinsätze finanzieren sollte, die Ukraine mit Waffen zu beliefern. Ebenso sei es „skandalös, dass Frau von der Leyen permanent nach Kiew fliegt, gekleidet in den Farben der Ukraine, und erklärt: Die Ukraine wird EU-Mitglied. Das ist eine Fragestellung, die Frau von der Leyen gar nichts angeht. Ausschließlich Mitglieder des Staatenbundes entscheiden, ob sie ein weiteres Mitglied und noch dazu ein so problematisches Mitglied aufnehmen wollen.“

Kerber gibt zu bedenken: Der Konsens darüber, dass die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nur einstimmig beschließt, war eigentlich die Vorbedingung dafür, „dass wir überhaupt der Europäischen Kommission und Herrn Borrell ein solches Mandat gaben.“

Prof. Kerber (r.) im Gespräch mit Stefan Beig (l.)eXXpressTV

EU-Kommission soll allgemeines europäisches Interesse definieren – das es in Wahrheit nicht gibt

Mit ihren 27 Mitgliedern sei die EU kein Bundesstaat, sondern ein Staatenbund mit souveränen Mitgliedstaaten, die „notwendigerweise völlig unterschiedliche Interessen haben“. Deshalb sei es schon Unsinn gewesen, der EU-Kommission im Lissabon-Vertrag die Definitionsmacht über das allgemeine europäische Interesse einzuräumen. „Denn es gibt ein solches allgemeines europäisches Interesse überhaupt nicht. Man kann bestenfalls Kompromisse zustande bringen.“

Die Vorgangsweise der EU sei immer dieselbe: EU-Präsidentin Ursula von der Leyen und Herr Borrell schafften einfach Fakten. „Wenn dann irgendwelche Mitgliedstaaten auch nur leise Bedenken anmelden, wie beispielsweise Deutschland, bei der zügigen, massenhaften Lieferung von Großkampfgerät, dann werden diese Staaten diszipliniert und man sagt ihnen: Sie sind doch nicht gegen Europa?“

Dank neuer Klauseln in den Verträgen könnten künftig Mehrheitsbeschlüsse ausreichen

Die Europäische Kommission hat ihre eigentliche Aufgabe, Hüterin der Verträge zu sein, schon längst aufgegeben. „Sie bewegt sich eindeutig in Richtung einer Brüsseler Diktatur.“ Für Kerber steht fest: „Was die Kommission plant und praktiziert, ist permanenter Staatsstreich gegen die nationalen Demokratien, begleitet von einem europäischen Diskurs, der sagt: Wer das nicht mitmacht, der ist gegen Europa.“

In Zukunft könnte die EU-Kommission noch andere Wege beschreiten, um sich gegen den Widerstand einzelner Mitgliedstaaten wie Österreich durchzusetzen. Darauf bereite sie sich „seit Jahren vor“, und zwar durch „Nutzung der sogenannten Brückenklauseln, um die Abstimmungsmodalitäten im Europäischen Rat zu ändern.“ Diese Klauseln gibt es seit dem Lissaboner Vertrag. Mit ihrer Hilfe lassen sich die im EU-Rat geltenden Beschlussfassungsprinzipien ändern. Dann würde künftig auch  eine qualifizierte Mehrheit statt Einstimmigkeit für Entscheidungen ausreichen. „So würde man eine größere Zahl von Politikagenden, einem Mehrheitsprinzip unterwerfen“, warnt Prof. Kerber.

Schrittweise versucht die EU auch, Steuern einzuheben

Obwohl es ihr nicht erlaubt ist, versucht die EU überdies, Steuern einzuheben. Sie tat es aber bereits insgeheim mit dem Wiederaufbaufonds „A New Generation EU“, der die wirtschaftlichen Folgen der Covid-Pandemie eindämmen soll. „Das sind natürlich verkappte Steuern. Damit ist zum ersten Mal ein großvolumiges Schuldenpaket von 800 Milliarden Euro geschnürt worden – das ganz katastrophal läuft, weil die Europäische Kommission die Verteilung der Mittel gar nicht bewältigen kann. Sie werden es auch nicht bewältigen können bei der Refinanzierung. Zwischenzeitlich haben sich die Zinsen erhöht.“

Im Video ist das gesamte Interview mit Prof. Markus C. Kerber zu sehen.