Fast alle nationalen und internationalen Medien übernahmen die Katastrophen-Meldungen aus Norditalien: Der Pegel des immerhin bis zu 372 Meter tiefen Sees sei in den vergangenen zwei Monaten um zwei Meter gefallen. Noch 25 Zentimeter weniger – so hieß es am 24. August – und die meisten Fähren könnten nicht mehr fahren und Boote würden auf dem Trockenen liegen. Ein ganz drastisches Bild zeichnete Silvia Marchionini, Bürgermeisterin der Stadt Verbania am Lago Maggiore.

“Ein trockener See bedeutet, dass Boote nicht ankommen, die Werften wirtschaftliche Einbußen und Arbeitsplatzverluste hinnehmen müssen, das natürliche Ökosystem des Sees geschädigt wird und weniger Touristen kommen”, sagte die Politikerin, die von allen zitiert wurde. Auch vom eXXpress – allerdings recherchierte der eXXpress weiter zu dieser Prophezeiung.

Horror-Szenarien ohne konkrete Angaben

Die Horror-Geschichten vom “Langensee”, wie der Lago Maggiore auf deutsch heißt, hatten alle einen Schönheitsfehler. In keiner einzigen wurden die Pegelstände genannt. Zwei Meter weniger Wasser in zwei Monaten – aber von was? Noch 25 Zentimeter weniger bis zum Super GAU – aber von welchem Ausgangspunkt.

Zur Aufklärung: Der offiziell verkündete Pegelstand des Lago Maggiore betrug am 30. August um 11.20 Uhr 193,74 Meter. Noch vier Tage zuvor waren es um 2.40 Uhr 192,27 Meter. Dazwischen, am 28. August um 20.10 Uhr waren es 193,51 Meter. Eindeutig: Der Wasserstand des Sees steigt erkennbar an.

Der See liegt im Augenblick absolut im Mittel

Also 193,27 Meter am Mittwoch gegen Mittag – doch was bedeutet das? Heuer hatte der Lago Maggiore in den ersten Monaten von Jänner bis April folgende Tagesmittel: 192,53 im Jänner, 192,89 im Februar, 192,94 im März und 192,92 im April. Die Monatsmittel weichen um ein paar Zentimeter ab, sind in den Hydrodaten des Lago Maggiore aber detailliert erfasst.

Ein Vergleich, der veranschaulicht, in welcher Messbreite sich der “Langensee” seit Jahrzehnten bewegt: Sein bislang höchstes Jahresmittel erreichte er 1960 mit 194,06 Metern. Sein tiefstes 1949 mit 192,83 Metern.

Sein durchschnittliches Jahresmittel beträgt 193,50 Meter. Ein bisschen weniger, als aktuell gemessen wurde. Als die Alarmmeldungen liefen, lag er allerdings etwas unter dem Jahresmittel.

Übrigens: Auch der Gardasee ist heuer nicht ausgetrocknet, ebenso wenig wie der österreichische Neusiedler See. Das Problem der Klima-Schock-Propheten: Die Zeit – und auch alle via Internet abrufbare Daten sowie Webcams.