Nach der gescheiterten Eroberung Kiews zog Russland seine Truppen im Osten der Ukraine zusammen – aus gutem Grund. Hier befinden sich die reichen Rohstoffvorkommen des Landes: Gas, Öl und Seltene Erden. Allein in der Oblast Cherson, in der nun ein “Referendum” zur völkerrechtswidrigen Annektion stattfinden soll, sind zwei Drittel aller Rohstoffe des Landes. Damit hat Moskau Energiereserven, Metalle und Mineralien im Wert von zwölf Billionen US-Dollar unter seine Kontrolle gebracht, wie kürzlich die Risikoanalyseagentur SecDev ermittelt hat.

Putin hat das wirtschaftliche Kraftzentrum der Ukraine besetzt. Nun droht ganzen Industriezweigen der Nachschub wegzubrechen. Schon jetzt sind die wirtschaftlichen Einbrüche verheerend.

Wirtschaftseinbruch um mehr als 37 Prozent

In den besetzten Gebieten sind zuvor 27 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erwirtschaftet worden, berichtet die ukrainische Wirtschaftsministerin Julia Swyrydenko der “Welt am Sonntag”. Sie unterstreicht: “Putin betreibt auch einen wirtschaftlichen Krieg gegen die Ukraine” – und das durchaus erfolgreich.

Die ukrainische Erste Vizepremierministerin und Ministerin für wirtschaftliche Entwicklung und Handel, Julia Swjrydenko, spricht vor einem G7-Handelsministertreffen in in Deutschland.APA/AFP/John MACDOUGALL

Im zweiten Quartal brach die ukrainische Wirtschaft um mehr als 37 Prozent ein. Bis Jahresende sollen es der Weltbank zufolge 45 Prozent sein. Ganz anders ist da die Lage in Russland, wo ein Minus von “nur” elf Prozent erwartet wird. Auch die Inflation hat die Ukraine viel härter erfasst. Während sich der russische Rubel wieder erholt hat, hat die ukrainische Hrywnja gegenüber dem Dollar so stark verloren wie noch nie.

So stark hat die Hrywnja gegenüber dem Dollar noch nie verloren.

"Die größte Fabrik des Landes ist in den Händen Russlands"

Die ukrainische Ministerin bekennt offen: “Wenn man die wirtschaftlichen Prognosen von Russland und der Ukraine vergleicht, gewinnt Russland gerade an der ökonomischen Front dieses Krieges.” Sämtliche Unternehmen können kaum mehr produzieren. “Putin hat die größte Fabrik des Landes, Asowstal in Mariupol, angegriffen. Sie ist in den Händen Russlands und komplett zerstört. Dadurch gehen uns hohe Einnahmen verloren”, sagt Swyrydenko.

Damit verliert der Staat enorme Steuereinnahmen, ebenso fehlen Devisen aus dem Export von Getreide und Stahl. Zurzeit verbraucht der Krieg 80 Prozent des Budgets. Besonders die Gehälter der Soldaten kommen Kiew teuer. Der Staat lässt seine Kämpfer offensichtlich spüren, dass er auf ihre hohe Motivation wert legt. Zu Beginn des Krieges hat Kiew das Monatsgehalt eines Soldaten von 340 Dollar auf 3400 verzehnfacht.