Der Queer-Beauftragte der deutschen Bundesregierung, Sven Lehmann (43, Grüne), ist unzufrieden. Die Ministerien von Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) haben einen Gesetzesentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz geeinigt, und der geht dem Grünen-Politiker nicht weit genug.

Bußgeld, sobald man ehemalige Identität einer Transperson offenbart

In einer Beschwerde bringt er vor allem drei Kritikpunkte an: „Die Hürden zur Verhängung eines Bußgelds […] sind zu hoch“ erklärt er. Wer die frühere Geschlechtsidentität einer Trans-Person offenbart, wird gemäß dem Gesetzesentwurf mit der Zahlung von Bußgeldern bestraft. Allerdings ist das an eine Bedingung geknüpft: Die Trans-Person muss auch geschädigt worden sein. Das stört Sven Lehmann. Bereits die „Schädigung sollte mit einem Bußgeld belegt werden, unabhängig davon, ob die*der Täter*in erfolgreich war“, unterstreicht Lehmann in seiner Stellungnahme.

Papa oder Mutti?

Doch damit noch nicht genug: Auch Familienmitglieder sollen künftig beim Verstoß gegen das Offenbarungsverbot Bußgelder zahlen müssen. In der bisherigen Fassung sind sie aufgrund eines „schützenswerten Interesses“ vom Offenbarungsverbot ausgenommen.

Kinder dürfen zu (ehemaligem) Familienvater nicht mehr „Papa“ sagen

Das bedeutet im Klartext: Wenn ein Familienvater seine Geschlechtsidentität ändert, darf er/sie von seiner Ehefrau nicht mehr als Ehemann bezeichnet werden. Seine Kinder wiederum dürfen ihn nicht mehr mit „Papa“ ansprechen. Selbst wenn sie damit keine Schädigung verursachen, könnten sie von ihrem Vater bzw. ihrer Mutter geklagt werden. Eine Unterhaltung mit bisher unwissenden Freunden genügt. Bereits das Wort „Papa“ wäre immer und überall untersagt.

Sven Lehmann (Grüne) ist Staatssekretär beim Familienministerin und Queer-Beauftragter der Bundesregierung.APA/AFP/POOL/Christoph Soeder

Sven Lehmann (Bündnis 90/Die Grünen) ist überdies parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Von 2010 bis 2018 war er Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen Nordrhein-Westfalen. Seit 2017 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages. Als Beauftragter der Bundesregierung ist er für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt zuständig.

Täglicher Geschlechtswechsel möglich

Verkompliziert werden dürfte die von ihm geforderte Strafmaßnahme durch seine nächsten, den zweiten Korrekturvorschlag. Es geht um die Sperrfrist vor einer erneuten Geschlechtseintragänderung von frühestens einem Jahr, und um die dreimonatige Wartezeit nach dem Einreichen eines Antrags auf Geschlechtsänderung beim Standesamt. Dies seien „nicht zumutbare“ Hürden.

Geschlechtswechsel leicht gemacht, am besten täglich

Damit bestünde de facto die Möglichkeit, täglich sein Geschlecht zu ändern. Das könnte die Verhängung von Bußgeldern zusätzlich erhöhen. Zumindest wäre es dann denkbar, Straf-Zahlungen tätigen zu müssen, weil man unsicher ist, welche Geschlechtsidentität jemand an einem bestimmten Tag hat.

Trans-Personen mit Penis dürfen von Frauenhäusern ausgeschlossen sein

Der dritte Kritikpunkt betrifft die Verankerung des Hausrechts von Frauenhäusern, Saunen und anderen Betreibern. Dieses sei „transfeindlich“.

Hierbei geht es um die Sorge von Frauenrechtlern, Männer könnten in Frauenräume eindringen. Erst kürzlich sorgte eine Transperson in einer Wiener Frauensauna für Empörung – der eXXpress berichtete. Auf Veranlassung des deutschen Justizministers Buschmann wurde daher das Hausrecht verankert. Es soll Betreibern zumindest in Einzelfällen ermöglichen, (Trans-)Personen abzulehnen.

Für den Grünen Lehmann ist die Sorge, dass Männer das Selbstbestimmungsgesetz nutzen könnten, um in Frauenräume einzudringen, „problematisch“. Es sende ein „fatales Signal“. Dadurch würden Trans-Personen in den Zusammenhang mit Missbrauch gestellt. Überdies sei die Verankerung des Hausrechtes rechtswidrig. Betreiber sollen pre-operative Trans-Frauen – das sind Frauen mit Penissen – aus Frauenräumen nicht ausschließen dürfen. Das Gesetz soll gemäß Lehmann in einer parlamentarischen Beratung überarbeitet werden.