Wer aktuell im Internet nach dem Wiener Traditionsgasthaus Reinthaler in Leopoldstadt sucht, findet neben Reservierungsmöglichkeiten und einer üppigen Speisekarte, auch allerlei Artikel über angebliche Rassismusvorwürfe, was nicht erst aber besonders seit der Black-Lives-Matter-Bewegung Existenzen zerstören kann. Der Vorwurf: Eine Gewerkschafterin soll dort im Juni vergangenen Jahres wegen ihrer Hautfarbe nicht bedient worden sein, was das Gasthaus von Anfang an vehement bestritten hat. Publik wurde die Causa, weil die Autorin Veronika Bohrn-Mena die Behauptung der mit ihr befreundeten Gewerkschafterin über ihren Account auf Twitter (aktuell über 13.000 Follower) verbreitete.

Vorwürfe waren falsch

So sei ihre Freundin nicht bedient worden, weil sie schwarz sei, behauptete Bohrn-Mena damals, und verlinkte die Homepage des Lokals. Dutzende Personen verbreiteten die schwere Anschuldigung ungeprüft, binnen weniger Stunden braute sich ein gewaltiger Shitstorm über dem Lokal zusammen. Jetzt, rund ein dreiviertel Jahr später, muss Born-Mena ihre Vorwürfe zurückziehen und sich entschuldigen.

 

Der Grund: Die Wirtsfamilie war nach gründlicher Abwägung rechtlich dagegen vorgegangen. Öffentlichkeitswirksam bettelte Bohrn-Mena auf Twitter um Spenden für das Gerichtsverfahren und sammelte so mehr als 7000 Euro ein. „Klage wegen Antirassismus“ nannte sie die Aktion, vielmehr ging es aber um Kreditschädigung aufgrund falscher Behauptungen.

Anstatt sich direkt zu entschuldigen sammelte Bohrn Mena Spenden gegen die Klage.Screenshot/Twitter @VBohrnMena

Ende Februar einigten sich beide Seiten vor dem Wiener Handelsgericht schließlich auf einen Vergleich (Az:  19 Cg 27/20x), der besagt, dass Bohrn-Mena nicht nur ihre Behauptung öffentlich zurückziehen, sondern sich auch entschuldigen muss. „Ich habe Frau Reinthaler persönlich kennen gelernt, und freue mich, dass wir uns letztenendes doch noch einigen konnten“, veröffentlichte die einstige Anklägerin nun kleinlaut die Richtigstellung auf Twitter. Doch der angerichtete Schaden dürfte damit kaum behoben sein, denn die Richtigstellung dürfte weit weniger Reichweite und Öffentlichkeit erhalten, als die zuvor veröffentlichten Vorwürfe, die einen Nerv des Zeitgeists getroffen haben.

Per Vergleich einigten sich beide Parteien vor dem Handelsgericht Wien

„Es gibt keinen Gewinner, nur Verlierer“, resümiert Kirsten Reinthaler, seit 16 Jahren Chefin des Gasthauses, die vergangenen Monate gegenüber dem eXXpress, die mehr als nur eine Nervenprobe waren. „Tatsache ist, dass es Rassismus gibt. Es gibt verletzte Seelen, deren Alltag durch Rassismus zur Hölle wird. Das kann auch eine Wahrnehmungsverschiebung zur Folge haben“, unterstreicht sie ihre klar antirassistische Haltung, „aber genauso vernichtend sind Vorwürfe, die sich dann bei genauerer Betrachtung in Luft auflösen. Und solche Vorwürfe sind ebenfalls die Gefühlshölle.“

Twitter-Mob zerstört Ruf Unschuldiger

Die Autorin Daniela Kickl, die den Fall von Anfang an intensiv verfolgt hat und seither in einem engen Austausch mit der betroffenen Wirtsfamilie stand, zeigt sich gegenüber dem eXXpress alarmiert über die Mechanismen in den sozialen Medien: „Es kann doch nicht sein, dass jemand einfach solche schweren Vorwürfe verbreitet und so der Ruf von unschuldigen Menschen zerstört wird.“ Gerade in den Bereichen des Anti-Sexismus und des Anti-Rassismus habe sie schon öfter verfolgt, wie das „Twitter-Gericht“ vorschnelle Urteile fällt, die einem Realitätscheck kaum stand halten würden. „Die Anhänger dieser selbst ernannten Ankläger sorgen dann dafür, dass die Vorwürfe verbreitet werden und sich eine Welle der Empörung aufbaut“, sagt Kickl weiter. Sie habe tiefstes Mitgefühl mit der Wirtsfamilie, die sehr unter den Angriffen gelitten hat.