Vor den beiden Wiener Konzerten der deutschen Welt-Band Rammstein kann ein kurzer Blick nach Hamburg nicht schaden, um zu beurteilen, was im Augenblick Sache ist bei den Vorwürfen gegen Frontmann Till Lindemann (60) ist. Dem Sänger wird seit Monaten vorgeworfen, Mädchen nach den Konzerten unter Alkohol und Drogen gesetzt zu haben , um sie gefügig zu machen. Bewiesen ist freilich nichts.

Im Gegenteil, Stand Dienstag: Das Landgericht Hamburg hat gerade eine Einstweilige Verfügung gegen eine Youtuberin erlassen. Sie darf die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs von Mädchen nach Rammstein-Konzerten nicht weiter aufrecht erhalten. Begründung des Senats: “Bei den Kernvorwürfen handelt es sich um prozessual unwahre Tatsachenbehauptungen und Bewertungen, für die es keine Anknüpfungstatsachen gibt, weil es an der entsprechenden Glaubhaftmachung fehlt.”

Das ist auch das Problem der Staatsanwaltschaft in Wien, die nach der jüngsten Schilderung einer Österreicherin nicht tätig werden will und kann. Die junge Frau, die anonym bleiben möchte, sieht sich als Opfer sexuellen Missbrauchs. Nachdem sie einvernehmlichen Sex mit Rammstein-Sänger Lindemann abgelehnt habe, soll dieser sie mit dem Gesicht in eine Matratze gedrückt und ihr mit der flachen Hand heftig auf den Po geschlagen haben. Der Abdruck sei Tage später sichtbar gewesen, wurde auch fotografisch dokumentiert.

Keine Beweise - aber Konzerte sollen abgesagt werden

Wann sich das Ganze wo abgespielt haben soll, ist ebenso nebulös wie die Identität der angeblich Geschädigten. Der Staatsanwaltschaft in Wien sind die Hände gebunden. “Wir wissen ja nicht einmal, ob wir örtlich überhaupt zuständig wären”, sagte eine Sprecherin. Davon abgesehen: Das mutmaßliche Opfer hat keine Anzeige erstattet.

Obwohl es also bislang keinerlei Beweise für eine Schuld des Rammstein-Frontmannes gibt und auch für die Mitglieder einer Rockband im Rechtsstaat die Unschuldsvermutung gilt, forderten zuletzt die Wiener Grünen in Person ihrer Frauensprecherin Viktoria Spielmann die Absage der beiden Wiener Konzerte.

Mehr als 17.000 Menschen haben eine Petition unterzeichnet, die “Keine Bühne für Täter” fordert. Die Initiatoren haben zu Gegendemos zu den Wiener Konzerten aufgerufen. Mit mindestens 500 Teilnehmern wird am Mittwoch vor dem Happel-Stadion gerechnet – in Berlin waren es 300.

Kulturminister Kogler (grüne) will nicht "eingreifen"

Während es an der Grünen-Basis also kräftig rumort, lavieren sich die Grünen-Chefs – immerhin zuständig – durch. Vize-Kanzler und Kulturminister Werner Kogler habe zwar vollstes Verständnis für die Forderung nach der Absage der beiden Rammstein-Konzerte, “eingreifen” werde er aber nicht. Dies gelte auch für Grünen-Kulturstaatsekretärin Andrea Mayer.

Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) reagierte zwar “wütend” auf die Schilderung des angeblich jüngsten Rammstein-Opfers und forderte die bedingungslose Aufklärung des Sachverhalts – was nicht geht (siehe oben) – eine Absage der Konzerte aber forderte sie nicht.