Zweimal springt Christoph Baumgartner mit dem linken Bein aufs Feld, ehe es für ihn losgehen kann. Aleksandar Dragovic muss am Spieltag immer weiße Socken tragen – auch wie er die Schienbeindeckel umbindet, muss für den Verteidiger immer nach dem genau gleichen Schema ablaufen. Österreichs Fußball-Teamspieler haben ihre Spleens. Sie geben ihnen Sicherheit. Von einigen wollen sich die Akteure, die am Samstagabend das EM-Achtelfinale gegen Italien bestreiten, aber auch lösen.

Er habe sehr viele abergläubische Rituale, erklärte Dragovic. “Aber ich arbeite daran, dass ich mir das abgewöhne. Es ist ein Blödsinn, aber fast jeder Sportler hat sie in einer Art und Weise.” Dramatisch sind die Zwänge nicht. “Es sind viele kleine Dinge, auf die ich alle achte. Am Ende des Tages hat es aber nichts damit zu tun, ob man gut oder schlecht spielt, ob man gewinnt oder verliert. Man setzt sich das in den Kopf.”

Baumgartner schnürt immer zuerst jenen Schuh, mit dessen Sohle ihm im entscheidenden EM-Gruppenspiel gegen die Ukraine das Goldtor zum 1:0 gelungen ist – den rechten. Wenn er das Feld betritt, folgt die zweifach eingesprungene Linke. “Das sind so kleine Sachen, die mir eine gewisse Sicherheit geben”, erklärte der 21-Jährige. “Aber ich bin nicht extrem wie zum Beispiel Rafa Nadal im Tennis, bei dem man das sehr stark sieht.”

Nadal ist so etwas wie das Nonplusultra der Spleens. Dessen permanentes Ausrichten seiner Trinkflaschen und Zupfen an Hose, Leiberl, Ohr und Nase sind längst legendär. Im ÖFB-Team hat es keinen Spieler so stark erwischt. Marko Arnautovic bekreuzigt sich dreimal und deutet Richtung Himmel, bevor er einen Fußballplatz betritt. “Ich bin sehr gläubig.”

Xaver Schlager versucht, seinem Körper an einem Spieltag zu signalisieren, dass es sich um einen besonderen Tag handle. “Der ganze Tagesablauf ist ein Ritual. Ich esse ungefähr immer dasselbe, habe eine halbe Stunde Mittagsschlaf, gehe danach kalt duschen, höre Gute-Laune-Musik.”

Sein früherer Salzburg-Kollege Stefan Lainer wiederholt gerne Dinge, die er vor besonders guten Leistungen gemacht hat – auch wenn er das eigentlich für irrational hält. “Wenn man zum Beispiel vor einem Spiel Linsen-Bolognese gegessen hat und dann gut gespielt hat, will man das Gleiche vor dem nächsten Spiel wieder essen”, erklärte der Rechtsverteidiger. Philipp Lienhart hat einen pragmatischen Zugang: “Mit dem rechten Fuß zuerst den Platz zu betreten mache ich meistens, wenn ich daran denke – wenn nicht, habe ich auch kein Problem.”

Kapitän Julian Baumgartlinger ist für diese Art von Ritualen nicht sonderlich empfänglich. “Meiner Meinung nach kann Aberglaube hin und wieder ganz stark blockieren”, sagte der ÖFB-Kapitän. Er habe seine Abläufe in der Spielvorbereitung. “Hin und wieder höre ich Musik oder lese etwas, um mich zu beruhigen oder abzulenken. Richtige Rituale in dem Sinn – zuerst Socken rechts, dann Socken links – habe ich nicht.”

Welche Stutzen sie sich zuerst anziehen, darüber machen sich laut eigenen Angaben auch Konrad Laimer und Andreas Ulmer keine Gedanken. Sie haben ebenso wie Stürmer Sasa Kalajdzic ihr persönliches Aufwärmprogramm als gewohnten Ablauf. “Aber es gibt bei mir nichts Abergläubisches”, meinte Angreifer Kalajdzic.

Das gilt auch für den Teamchef. “Ich bin nicht abergläubisch und habe auch keine Rituale vor einem Spiel”, sagte Franco Foda. “Auch als Spieler hatte ich das nicht.” Mit seinem ehemaligen Co-Trainer Imre Szabics – der Ungar war vom ÖFB im April zu Fehervar FC abgewandert und durch seinen früheren Sturm-Graz-Kollegen Jürgen Säumel ersetzt worden – habe er immer am Vortag eines Spiels Schokopalatschinken gegessen. “Aber das war wegen Imre, nicht wegen mir.” (APA/red)