
Rudolf Öller: Mikroaggression
Political Correctness hat mit der Verbannung bestimmter Wörter und Phrasen durch selbsternannte Sprachpolizisten begonnen. In Büchern von Mark Twain wurde beispielsweise „Nigger“ durch „Slave“ ersetzt, stellt eXXpress-Kolumnist Rudolf Öller fest.
Es kümmert die ewig beleidigten Wortkrieger nicht, dass dieser Eingriff in die Weltliteratur eine dumme Fälschung ist, weil Nigger im 19. Jahrhundert noch ein gebräuchliches Wort war. Der nächste Schritt war bereits die Menschenjagd. Wer in der Öffentlichkeit ein verbotenes Wort verwendet, muss mit der Beschädigung des Ansehens, eventuell sogar mit dem Ende der beruflichen Existenz rechnen. Diese grobe Verletzung der Menschenrechte wird bekanntlich als „cancel culture“ bezeichnet. Es handelt sich um öffentliche Verurteilungen samt Strafvollzug durch ewig beleidigte woke Inquisitoren.
Radikale Ideologen hören niemals auf, wenn sie einmal in Fahrt sind. Im Feldzug gegen Vernunft und Freiheit folgt konsequent ein Schritt auf den nächsten. Asoziale Internetmedien mit eingebauten Zensurrobotern befeuern die Entwicklung. Altmedien wie Zeitungen, TV-Sender und andere, ducken sich schweigend unter der Hegemonie der „Achtsamen“ oder machen aktiv mit. Wenn schon feig, dann ordentlich.
Die nächste Welle der Achtsamkeit ist bereits in Vorbereitung, die „Mikroaggression“. Harvard-Psychiater Chester Pierce hat diesen fragwürdigen Begriff schon vor einem halben Jahrhundert geprägt. Die Mikroaggression als Vorwurf wird zurzeit an denjenigen amerikanischen Universitäten propagiert, an denen einst die political correctness erfunden worden war. Mikroaggression bedeutet, dass bereits das Stellen bestimmter Fragen geächtet werden soll. Asiatische Studenten, die für ihre mathematische Begabung bekannt, und an US-Universitäten statistisch auffallend präsent sind, sollen beispielsweise nicht mehr gefragt werden, ob sie Mathematik studieren. Diese gezielte Frage wertet angeblich Bevölkerungsgruppen ab, denen man nur geringere mathematische Begabungen zugesteht.
Der Ursprung jeder Kultur
Diese Entwicklung ist deshalb fatal, weil das Stellen von Fragen der Ursprung jeder Kultur ist. Das beginnt schon in der Familie. Neugierigen Kindern und Jugendlichen, die Fragen stellen, kann man eine bessere Zukunft voraussagen als denjenigen, die alles glauben. Isaac Newton sah den fallenden Apfel und fragte sich, ob hier das gleiche Naturgesetz am Werk sei, das die Planeten auf ihren Bahnen hält. Die Beantwortung der Frage brachte das Gravitationsgesetz. Max Planck fragte sich, welchen Zusammenhang es zwischen der Temperatur eines schwarzen Ofens und der Wellenlänge der abgestrahlten Wärme gibt. Die Antwort mündete direkt in die Quantenphysik. Albert Einstein las Galileo Galileis Werk „Der Dialog“. Eines der Kapitel ließ ihm keine Ruhe. Er begann über Fragen zur Relativität der Bewegung nachdenken. Die Buchlektüre und Überlegungen zur Lichtgeschwindigkeit wiesen Einstein schließlich den Weg zur Relativitätstheorie.
Die ersten Mikroaggressionsaktivisten sind bereits unterwegs. Die „Achtsamen“ – das deutsche Wort für immerzu beleidigte woke Zeitgenossen – reden über eine Klima“katastrophe“. Die Frage, warum es im Mittelalter und während der Herrschaft der Römer und mehrmals auch davor ohne Kohlekraftwerke wärmer war als heute, und warum die Menschen die damaligen Klima“katastrophen“ überlebt haben, wird ausgeblendet. Eine weitere nicht gestellte Frage betrifft die Kernenergie. Die Grünen lehnen die Kernenergie ab. Die Frage, was denn die neueste Generation der Kernkraftwerke mit der folgenschweren Fehlkonstruktion des RBMK-1000-Reaktors in Tschernobyl zu tun hat, wird von den Grünen nicht gestellt, daher auch nicht beantwortet. Keine Fragen, keine Antworten. Punkt, aus, Amen.
Wer die drohende Ausweitung der political correctness auf unzulässige Fragen nicht sieht oder sehen will, der möge auf einer öffentlichen Diskussion über Integrationspolitik die Frage stellen, warum eingewanderte Japaner, Chinesen, Thailänder, Vietnamesen, Inder und Philippinos keine Integrationsbeauftragten benötigen, die meisten Muslime aber sehr wohl. Mit etwas Glück erntet man nur nebelige Antwortattrappen. Meist folgen mit Nazivorwürfen unterlegte Gegenfragen. Merksatz: Stelle dauerbeleidigten Zeitgenossen keine Fragen! Es könnte ihren Zustand ritueller Verletzlichkeit stören.
Die üblichen Phrasen
Weitere Fragen, die nicht gestellt werden sollen, betreffen bestimmte Regionen. Afrika war am Ende des zweiten Weltkriegs wegen der Bodenschätze und der reichen Ernten (südlich der Sahara) ein reicher, ja geradezu prosperierender Kontinent. Südostasien war damals bitterarm. Heute ist es umgekehrt. Warum ist das so? Die Achtsamen präsentieren als Antwort irgendwelche Betroffenheitsgeschichten über Kapitalisten, Ausbeutung und dergleichen. Die üblichen Phrasen.
Eine weitere Frage, die wir nie in öffentlichen Diskussionen zu hören bekommen, betrifft die Verteilung der Nobelpreise. Die überwiegende Zahl der Nobelpreise ging bisher nach Europa und in die USA. Eine erstaunlich hohe Zahl an Nobelpreisen (weit über hundert) ging an Juden in aller Welt. Die rund zwei Milliarden Muslime haben bisher nur drei wissenschaftliche Nobelpreisträger hervorgebracht: Ahmed Zewail und Aziz Sancar (beide in Chemie) und Mohammad Abdus Salam (Physik). Warum ist das so? Allein die Frage ist für Dauerbeleidigte ein klarer Fall von Mikroaggression.
Unsere vermeintliche Meinungsfreiheit verhält sich zur echten Freiheit wie eine Spitzmaus zu einem Elefanten. Wir werden es nicht erst in der Zukunft erleben, denn wir erleben es heute schon. Nicht nur die Verwendung bestimmter Wörter ist verboten, auch gewisse (mikroaggressive) Fragen dürfen in Talkshows, Podiumsdiskussionen usw. niemals gestellt werden. Sagen wir es geradeheraus: Wer bei dieser Selbsterniedrigung mitmacht, ist an seiner geistigen Leibeigenschaft selber schuld.
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Kommentare
früher hat man einfach „besserwisser mag keiner“ gesagt. aber heute sind die belEErer überall!
Die Frage, welche die Wiener Gymnasialschülerin an Waldhäusl gerichtet hat, wurde hier auch von manchen Kommentatoren als Microaggression wahrgenommen, welche die folgende unterirdische Beantwortung provoziert habe.
Es muss natürlich lauten: “Das (!) darf man…” Wenn man sich zu viel mit “Woke” beschäftigt, geht`s an die grammatikalische Substanz…
Noch wollen diese Leute “nur ” Worte verbieten, bald aber werden sie sich auf Gedanken stürzen. Und die Tatsache, dass sie sich an einem Mark Twain vergreifen, ist doppelt empörend. Was ein Literat schreibt, dass darf man lieben oder hassen. Es darf einen auch kalt lassen. Aber man hat ihm nichts ins Werk zu schmieren.
Alles nette Umschreibungen für Gehirnwäsche.
Diese Aufpasser bezeichnen sich selbst als “woke”, also erwacht, aufgewacht.
Aber: Das Gegenteil ist der Fall.
Wie ein alter Wachhund, der auf einem Auge blind und an einem Ohr taub ist, beginnen sie zu bellen, sobald sie etwas vernehmen, was nicht in ihr Weltbild passt und von einer bestimmten Seite kommt. Dazu eignen sich am besten so verschwommenen Regeln wie Gendern oder political Correctness. Diese selbstgerechten Verhaltens-Polizisten dösen – wenn sie nicht gerade etwas bemerken, wofür es sich laut (und medienwirksam) zu bellen – auf Kosten der Allgemeinheit vor sich hin und verschwenden nicht einen winzigen Gedanken daran, eben für diese Allgemeinheit Nützliches zu leisten.
Ein armseliges Leben nach selbst erfunden Regeln – nach Rezept, wie in einem billigen Kochbuch.
Deshalb würde ich diese Ideologen nicht als “woke” bezeichnen, sondern als “Snoozer” (einer oder eine, der/die sein/ihr Leben verdöst). (In diesem Fall muss ich beide Geschlechter anführen.)
Wach bleiben!
Weltliteratur, ist das nicht Kunst? Fällt deren Fälschung nicht unter den Begriff “Kunstfälschung”? Ich frag nur ganz naiv – ist denn sowas erlaubt? Und wenn ja, gibt es dann eine Generalamnestie?
Gebe Herrn Öller in Vielem recht. Die Geschichte von der “zensierten” Weltliteratur (“Huckleberry Finn” von Mark Twain) habe ich vor Jahren schon im Internet nachrecherchiert: ein (1) Verlag hat eine (1) bearbeitete Ausgabe herausgebracht, in der ” Nigger” durch “Sklave” ersetzt wurde.
Das ist gar kein so skandalöser Vorgang, denn Lieratur-Bearbeitungen – vor allem “für die Jugend”- gab es immer.
Kaum einer, der in seiner Kindheit und Jugend “Tom Sawyer” “Huckleberry Finn”, “Moby Dick “, “Gullivers Reisen” oder ” Der letzte Mohikaner” gelesen hat hat den unbearbeiteten Originaltext bzw. die unbearbeitete Übersetzung gelesen, sondern meist eine gekürzte, gestraffte, jugendfreie Bearbeitung.
Ich denke und hoffe, dass in amerikanischen Buchhandlungen, Bibliotheken und Literatur-Seminaren weiterhin Mark Twains Originaltexte zu haben und zu lesen sind. Nur in der Ausgabe eines kleinen Verlages wurden das angesprochene Wort geändert.
So gesehen ist die Mark Twain-Geschichte eigentlich eine “urban legend”.
Zum Glück gibt es ja keine zentrale Stelle, die vorschreibt, dass Klassiker zu bearbeiten sind.
Und eines ist klar: das Original-Kunstwerk ist immer nur der unbearbeitete Text.
Ein sehr interessanter Beitrag mit sehr interessanten “Fragen”. Schaut man gerade zu unseren DE Nachbarn und an die Vorhaben deren Regierung respektive den Aussagen deren Aussenministerin, bauen sich wiederum Fragen auf, die man schlicht nicht beantworten kann, weil derart fassungslos, es nicht möglich ist. Ja, es erinnert schön langsam an die Spanische Inquisition, nur das man (noch ) nicht am Scheiterhaufen landet..
Verbale Kommunikation mit RotGrünen Fanatikern ist für normale Menschen Zeitverschwendung.Die kann nur mehr – wenn überhaupt- ein Wunder helfen.
Richtig!
Wo steht eigentlich geschrieben, was man sagen und fragen darf; welche Worte verwendet oder nicht verwendet werden dürfen? Ich kenne kein diesbezügliches Gesetz.
Ich sehe es noch weiter: alles, was in früheren Jahren anständiges Schulwissen war, darf nicht heute negativ belastet werden – denn das ist Diskriminierung vom (Un)Feinsten gegenüber der älteren Generation! Wer hat das Recht, von Menschen zu verlangen, dass sie je nach Gutdünken einiger, neu lernen sollen (müssen), was einer Minderheit gerade nicht passt: heute dies und morgen das!
Die Selbstgerechten diskriminieren am meisten. Dem muss Einhalt geboten werden!