Es begann in den Sechzigerjahren, als die Studenten an der Universität Berkeley Redefreiheit und freie politische Aktivitäten forderten. Wissenschaften blühen bekanntlich nur dort auf, wo es Meinungs- und Redefreiheit gibt. Die Bewegung in Berkeley wurde „Free speech movement“ genannt. Auf dem Campus gab es „sit-ins“, es traten auch Flowerpower-Künstler wie Joan Baez und andere auf. Die Bewegung war erfolgreich, die Rechte der Studenten hinsichtlich Meinungsäußerungen und Mitbestimmung wurden ausgeweitet.

Berkeley ist nicht nur naturwissenschaftlich-technisch ausgerichtet wie die ebenfalls in Kalifornien liegenden Universitäten Stanford und CALTECH. In Berkeley gibt es außerdem zahlreiche kulturwissenschaftliche Lehrstühle, die auch unter der originellen Bezeichnung „Orchideenfächer“ bekannt sind. „Free speech movement“ war eine der Initialzündungen für eine Orchideen- und Hippiebewegung, die heute allgemein „68er“ genannt wird.

Nachdem in den Neunzigerjahren die Gender-Philosophin Judith Butler in Berkeley die seltsame „Queer“-Ideologie erfunden hatte, kippte die Stimmung an der einst freiheitsorientierten Universität ins Gegenteil. Meinungsterror ersetzte die Meinungsfreiheit. „Demonstranten“ randalierten auf dem Campus in Berkeley mit Baseballschlägern, als Milo Yiannopoulos, Ann Coulter, Ben Shapiro und andere in Berkeley sprechen wollten. Es handelt sich um konservative nicht-linke Journalisten und Kommentatoren. Die Androhungen von Gewalt durch die radikalisierten Studenten waren so drastisch, dass die Veranstaltungen abgesagt werden mussten.

Durchgeknallter Genderismus-Queer-Woke-Korrektheits-Sexismus-Rassismus-Tsunami

Studenten und Professoren in Berkley hatten eine neue Kategorie von Verbrechen erfunden und propagiert: Das Meinungsdelikt. Diese perverse Denkweise wurde im Laufe der Zeit weiter entwickelt und gesteigert, denn Begeisterung und Aggressivität steigen bekanntlich nicht mit dem Widerstand der Gegner, sondern mit mangelnder Abwehr. Nichts befeuert Aggressoren mehr als eine Politik der Beschwichtigung. Aus der Niederschlagung des „Free speech movement“, aus der von Judith Butler erfundenen Queer-Ideologie, aus der Aufwärmung des „Anti-Rassismus“ und „Anti-Sexismus“ entstand allmählich eine radikal intolerante Bewegung gegen freies Denken und Reden. Diese Welle entwickelte sich zu einem durchgeknallten Genderismus-Queer-Woke-Korrektheits-Sexismus-Rassismus-Tsunami. Der Erfolg der Ideologiewelle ist auch auf Feigheit und Dummheit bürgerlicher Zeitgenossen zurückzuführen, die in einem grotesken Anfall von Fortschrittswahn mitmachen.

Eine der bedenklichsten Ableger dieses Ideologie-Springflut ist der Triggerwarnungs-Schwachsinn, der einen Teil künftiger Generationen in „Schneeflocken“ (amerikanisch: generation snowflake) verwandeln wird. Mit dem Begriff „Trigger“ (Auslöser) bezeichnet man eine Warnung vor möglichen unangenehmen Auslösereizen. Es geht im Wesentlichen darum, dass Menschen vor „verstörenden“ Äußerungen, Bildern, Berichten usw. geschützt werden sollen. Das Gleichstellungsbüro an der Universität Bonn hat kürzlich ein Informationspapier für Professoren und Dozenten veröffentlicht, in dem „Inhaltshinweise“ für vermeintlich schlimme Themen gegeben werden. In dem Papier tauchen Sätze auf wie „Wenn verstörende Inhalte besprochen werden, sollten Sie sich von Zeit zu Zeit bei den Studierenden erkundigen, wie es ihnen geht, oder fragen, ob sie eine Pause benötigen. Lassen Sie sie wissen, dass Ihnen bewusst ist, dass das betreffende Material eine emotionale Herausforderung darstellen kann.“

Der Text führt zur Frage, wo in Zukunft Krankenschwestern, Priester auf Palliativstationen, Rettungsfahrer, Notärzte und ähnliche Berufe herkommen sollen. In meiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Rettungssanitäter musste ich schwerverletzte oder tote Kinder aus verunglückten Fahrzeugen herausholen. Das schmerzt, niemand steckt so etwas ungerührt weg. Irgendjemand muss das aber machen, und glücklicherweise wird es auch in Zukunft Notfallsanitäter, Krankenschwestern, Feuerwehrmänner, Bergretter und Polizisten geben, die mutig und weit weg von der Welt der Triggertypen agieren.

Naive Bürgerliche tragen den Kulturkampf mit

Apropos Rettungssanitäter. Bei kaum einer anderen Tätigkeit sieht man so viele verschiedene Wohnungen von innen – von der 500 Quadratmeter-Villa bis zur Substandard-Garçonnière. Man trifft auch verschiedene leidgeprüfte Patienten und Angehörige. Ich weiß nicht mehr, wie viele ich in all den Jahren beruhigen oder trösten musste, es waren zahlreiche. In meiner Heimat Oberösterreich gibt es das Sprichwort „Ein jeder hat sein Binkerl zu tragen“. Gemeint ist, dass viele von uns von konkreten Sorgen und Nöten geplagt werden. Manchmal sind solche Sorgen nicht einmal im familiären Umkreis bekannt.

Eine bestimmte Sorgenkategorie ist mir in all den Jahren nie zu Ohren gekommen. Es ist dieser Genderismus-Queer-Woke-Korrektheits-Sexismus-Rassismus-Trigger-Unfug, der nur in verwöhnten Akademikerkreisen zirkuliert, in denen über alles möglich schwadroniert wird, nur nicht über die wahren Probleme der Menschen. Die substanzlose Abgehobenheit der Wokewelt präsentierte der an der Portland State University (US-Staat Oregon) lehrende US-Professor Peter Boghossian. In den Jahren 2017 und 2018 veröffentliche er zusammen mit James A. Lindsay und Helen Pluckrose mehrere absichtlich unsinnige Arbeiten in Fachzeitschriften der Kulturwissenschaften über Queer-Studies, Rassismusforschung, Genderstudien und andere „Wissenschaften“. Er bewies damit, wie schon zwanzig Jahre zuvor Physikprofessor Alan Sokal in New York, wie einfach es ist, linksideologische Nonsens-Beiträge in kulturwissenschaftlichen Zeitschriften zu veröffentlichen. Trotzdem leiden wir alle unter diesem von Spinnern induzierten und von naiven Bürgerlichen mitgetragenen Kulturkampf.