
Rudolf Öller: Ungebildete Bürokraten
Die US-Regierung ließ zwischen 1942 und 1945 die Atombombe bauen. Auch Deutschland wäre damals in der Lage gewesen, eine Uranbombe herzustellen. Deutschland hatte eine entwickelte Industrie, brillante Atomphysiker, allen voran Werner Heisenberg, und im besetzten Belgien lagerten Tonnen an Uran aus dem Kongo, weiß eXXpress-Kolumnist Rudolf Öller.
Die Atomkernspaltung war zu Weihnachten 1938 in Berlin entdeckt worden. Im Frühjahr 1939 schickten die Hamburger Physiker Paul Hartek und Wilhelm Groth einen Brief an das Reichskriegsministerium, in dem der Bau einer Kernspaltungswaffe empfohlen wurde. Dieser Brief wanderte über mehrere Schreibtische und verschwand in einem Aktenordner. Später nahmen sich einige Offiziere und Wissenschaftler doch der Sache an. Der Physiker Werner Heisenberg leitete ein kleines Forschungsteam. In Haigerloch auf der Schwäbischen Alb wurde ein einfacher Forschungsreaktor errichtet, der aber mangels an angereichertem Uran-235 nicht funktionierte. Die deutschen Physiker wussten, was auf dem Spiel stand, aber die Meinung einiger Bürokraten, Atomphysik sei in Wahrheit minderwertige „Judenphysik“, verhinderte im Gegensatz zu den Amerikanern ein erfolgreiches Projekt. Bürokratie plus Ideologie verhinderten die deutsche Bombe.
Santebal-21
Der Vietnamkrieg ging nach dem Abzug der Amerikaner am 30. April 1975 zu Ende. Die Roten Khmer waren schneller. Sie marschierten am 17. April in Phnom Penh ein und errichteten ein Terrorregime. Ihr Führer Pol Pot hatte an Hitler, Stalin und Mao bewundert, dass sie eine neue Gesellschaft aufbauen wollten durch Ermordung aller Menschen, die nicht ihren Vorstellungen entsprachen. Noch am Tag des Einmarsches der Roten Khmer wurden die Einwohner von Phnom Penh auf das Land getrieben. Das Ziel war die Rückkehr zu einer reinen Agrargesellschaft. Innerhalb weniger Wochen ermordeten die Roten Khmer Politiker, Akademiker, Lehrer und Journalisten. Eine von mehreren Schaltstellen des Terrors war die im Zentrum von Phnom Penh liegende Schule „Toul Sleng“, die in „Santebal-21“ (S-21) umbenannt wurde. Santebal bedeutet Staatssicherheit, 21 war die Rufnummer des dort stationierten Funkgeräts.
Der Mechaniker Chum Mey aus Phnom Penh ist einer von wenigen Überlebenden des Foltergefängnisses S-21. Ich hatte vor drei Jahren das Glück, mit ihm in Phnom Penh persönlich sprechen zu können. Als Herr Mey seinerzeit fürchtete, dass sein Ende nahte, bemerkte einer der sadistischen Soldaten, dass er einen geschickten Mechaniker vor sich hatte. Dem gequälten Häftling gelang es, nicht nur Schreibmaschinen, sondern auch Nähmaschinen, Fahrräder und sogar motorisierte Fahrzeuge zu reparieren. Das rettete ihm das Leben. Bürokraten der roten Parteiführung, die sich „Angka“ (Organisation) nannte, hatte übersehen, dass zum Funktionieren einer Gesellschaft auch Handwerker nötig sind. Bürokratie plus Ideologie setzten dem Regime schließlich ein Ende.
Kühlschränke
Kurz vor dem Zusammenbruch der kommunistischen Sowjetunion lebten Bürokraten – so wie überall auf der Welt – in Luftschlössern. Sie produzierten mangels an Wissen eine Schnapsidee nach der anderen. Es gibt Berichte aus der damaligen Zeit, dass die Chefs von Waffenfabriken den Befehl bekamen, auf einmal Kühlschränke oder andere Haushaltsgeräte zu produzieren. Von Fertigungstechnik und Logistik hatten die Bürokraten keine Ahnung. Angelesenes und erarbeitetes Wissen sind zweierlei. Bürokratie plus Ideologie ließen die Sowjetunion unrühmlich kollabieren.
Energiewende
Eine meiner Lieblingsgeschichten ist folgende: Der britische Nobelpreisträger Joseph John Thomson hatte in seinem Labor das Elektron entdeckt. Bürokraten, die ihn zuvor besucht hatten, gaben Thomson den Rat, sich endlich mit nützlichen Dingen zu beschäftigen. Das veranlasste Thomson zum Kommentar: „Hätten Regierungslaboratorien bereits in der Steinzeit gearbeitet, wir hätten heute prima Steinbeile, doch niemand hätte die Metalle entdeckt.“
Ausgerechnet das Land, das hervorragende Wissenschaftler wie Gottfried Wilhelm Leibniz, Wilhelm Röntgen, Robert Koch, Emil Behring, Heinrich Hertz und viele andere hervorgebracht hat, das also die intellektuelle Kapazität haben sollte, Umwelt- und Energieprobleme langfristig sinnvoll zu lösen, kehrt auf Befehl lebensfremder Ideologen und Bürokraten zurück zu den Bauernhöfen der Romantik. Natürlich geht es den Technikstürmern nicht um Klimaschutz, sondern um Gesellschaftsveränderung. Nicht nur deutsche Physiker wie Sigismund Kobe (der Exxpress berichtete am 24. 10. 2021 darüber) behaupten, dass die Verfechter der „Energiewende“ die Gesetze der Physik unterschätzen: „Wenn weiterhin … natur- und ingenieurwissenschaftliche Prinzipien ausgeblendet werden, wird das gesamte Konzept der Energiewende platzen wie eine bunte Seifenblase.” Der Philosoph und Wissenschaftsjournalist Alexander Grau hat das – ebenfalls im Oktober 2021 – auf den Punkt gebracht: „Unsere Gesellschaft wird beherrscht von Allmachtsphantasien. Alles scheint lösbar, wenn man nur radikal genug handelt: etwa der Klimawandel oder die Corona-Pandemie. Eine gefährliche Haltung. Sie zeugt nicht nur von absolutem Realitätsverlust, sondern fördert auch autoritäre Politik.“
Diese autoritäre Politik will bestimmte Kraftwerke und Heizungsmethoden verbieten, andere vorschreiben, bestimmte Fahrzeuge bevorzugen, andere untersagen, uns das Essen bestimmter Nahrungsmittel ausreden, den Konsum vegetarischer diktieren, die Verwendung bestimmter Wörter kriminalisieren, ein sprachzerstörendes Gendern verordnen und die Geschlechter weit abseits der Biologie neu definieren usw. Es soll eine unfreie und dumme Retro-Gesellschaft entstehen.
Die Protagonisten despotischer Politik sind wie immer Bürokraten und Aktivisten, die, wenn überhaupt, nur über angelesenes Marginalwissen verfügen. Sie sitzen in Wien, Berlin, Brüssel und leider auch an Universitätsinstituten. Die nächsten relevanten Wahlen, die Wahlen zum EU-Parlament, finden in einem Jahr statt. Nur hier können die Wähler ihre Macht einsetzen. Wer nicht wählen geht, stärkt in Wahrheit die Parteien der ungebildeten Bürokraten und macht sich am woken Marsch in die neue Unfreiheit und Armut mitschuldig.
Rudolf Öller ist promovierter Genetiker der Universität Tübingen und seit Jahrzehnten sowohl als Kolumnenschreiber als auch als Buchautor publizistisch tätig. Öller ist gebürtiger Oberösterreicher, hat in AHS und BHS Naturwissenschaften und Informatik unterrichtet und war ehrenamtlicher Rettungssanitäter, Blaulichtfahrer und Lehrbeauftragter beim Roten Kreuz. Er lebt heute in Vorarlberg.
Kommentare
Na ja ich wuchs noch mit Serien wie Captain Future auf – aber was passierte da mit Bebemus – DER Stadt, welche in mehreren Milliarden Jahren an der Stelle New Yorks stand? SIE verkam weil es keine Handwerker gab, welche die notwendigen Reparaturen ausführen könnten! Edmund Hamilton hatte also Weitsicht – und das sogar in den 40-igern, denn da hat er die Romane, auf welchen die Mangaserie nämlich basierte, geschrieben!
Da gibts zwei hervorragende, spannende Bücher aus den 40ern in den Archiven:
Solonevic, Ivan Luk’janovic : Iwan Solonewitsch. Die Verlorenen
Perfekte, packende Beschreibung eines bürokratischen Systens, durch Terror durchgesetzt. Groteske Ideen, brutal durchgedrückt ohne Rücksicht auf Verluste.
Sind leider völlig unbekannt geblieben, denn Hitler kommt darin nicht vor.
Ich kann nur sagen BRAVO;BRAVO,BRAVO!!!
Ausgezeichneter Beitrag. Was hier angeprangert wird ist staatlicher Interventionismus und Planwirtschaft. Unser Problem heute ist, dass trotz der schrecklichen Erfahrungen im 20. Jhdt. der Staat auch in den demokratischen Ländern immer mächtiger und bestimmender wird. Ein gutes Beispiel ist die sogenannte Energiewende, die als Vehikel für eine weitere Zunahme des staatlichen Einflusses verwendet wird und uns letzten Endes jede Freiheit nehmen wird.
Frage an Exxpress,wo ist die Rubrik mit den alten Kommentaren hingekommen???….. gibt’s die nicht mehr?
Herrn Öller müsste noch ein Begriff der ehemaligen Landesrätin E. Gehrer in Erinnerung sein. Wenn sie merkte, dass die Beamten zu blockieren versuchten, sprach sie von der “Innovationsresistenten-Blockade-Elite”. Original:”Ich brauche keine Bedenkenträger sondern Problemlösungen”.
Was die aktuelle deutsche Politik betrifft, so sollten sie das Buch von Dietrich DÖRNER lesen: die Logik des Misslingens. Wird aber nichts nützen weil bestimmte Politiker:
a) geistig nicht in der Lage sind die Aussagen zu begreifen, und
b) beratungsresistent sind?
Aber allein der Punkt: “gewaltsame Lösungsversuche” sollte zu denken geben!
Fehler wie: mangelnde Nebenwirkungsanalyse oder
Annahme linearer Trends oder Tendenz zur Übersteuerung, finden ohnehin keine Beachtung!
(und denken sie Österreich gleich mit!)
Bürokraten” haben gestern (Talk im Hangar 7) anhand der “Manöverkritik” (Corona-Maßnahmen) ihre Visitenkarte abgegeben, ihren Schwanengesang angestimmt, gleichzeitig ihre menschliche Unzulänglichkeiten deutlich gemacht und bewiesen, dass der vielzitierte “Marsch durch die Institutionen” (© Rudi Dutschke) schon stattgefunden hat.
Vom “timing” her perfekt, stehen immerhin Wahlen bevor.
Auf der einen Seite die verstockten Sünder, die nicht wissen oder wissen wollen, dass ein Sündenbekenntnis – „Pater, peccavi. Mea culpa. Mea maxima culpa“ ihr einziger Ausweg aus der Misere gewesen wäre. Das hat (profan) meist auch eine strafmildernde Wirkung –
Ohne Einbekenntnis (Geständnis) kein Vergeben.
Zuzugeben, sich geirrt zu haben, erfordert eben menschliche Größe. Sich zwischen (nicht gegebener) Sachkenntnis und politischer Verantwortung durchzuschummeln kann nicht ein zukunftsweisender Weg sein.
Eine auf der anderen Seite an der Tag gelegte Engelsgeduld allerdings auch nicht.
Merk’s, Wähler:
Nicht das Erzählte reicht, sondern nur das Erreichte zählt.
Ohne statuiertes Exempel (Salzburg!) wird sich nichts ändern und die Dilet-tanten (und -onkels) werden weiter machen wie bisher.
Sehr zum Missvergnügen der Bürger.
Und die Alternative? Sprüche klopfen von wegen es muss sie was ändern, ist zu wenig! Da braucht es Alternativen mit Substanz!
Steht ja alles oben:
Rausschmeißen, die ganze Bande und den “Herrschaften” noch vorher klar machen, was die Anmerkung im Beipacktext der hochgelobten “PCR-Tests” (Goldstandard) “Nicht für diagnostische Zwecke geeignet!” bedeutet.
Das war seit Anfang 2020 bekannt, wenn nicht schon früher, und sollte von Anbeginn Klarheit geschaffen haben.
Ohne diese fragwürdigen Tests hätte sich der Steuerzahler grob gerechnet an die 50 Milliarden (das sind die Zahlen mit den neun Nullen) erspart.
Das ist etwa die Hälfte eines Jahresbudgets des Staates Österreich.
Substanz genug?
„Rausschmeißen alle…“ wenn das die Substanz ist, dann Demokratie gute Nacht!
Die Akademiker haben ein Wissen aber sie sind nicht weise nicht im geringsten
Ja, an der Uni wird die Nacherzählung unter Vermeidung eigener Ideen abgeprüft. 70 Prozent werden Beamte.
Sie können gerne versuchen, ohne die Dienste und Errungenschaften von Akademikern zu leben. Viel Spaß dabei!
Auf die Dienste von Genderforschern et al. kann ich GERNE verzichten
Akademiker, wiss.Arbeitende u.sonst.Wirtschaftsweisen äußern sich leider erst,wenn sie im Ruhestand sind! In den Medien wird derzeit überhaupt nicht diskutiert.Ist auch ein Zeichen dafür,dass hier Angst um den derzeitigen Arbeitsplatz,Lobbyverlust und Furcht vor Ausgrenzung besteht.Schade eigentlich!
Manchmal habe ich den Eindruck, dass es ganze Berufsgruppen gibt, denen jegliches Verständnis für und jede Ahnung von Technik und Mathematik abgeht: Historiker, Kommunikations- und Politikwissenschaftler, Sozio- und Psychologen, Juristen. (Frauen sind nicht nur mitgemeint, sondern hauptsächlich). Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel, aber oben genannte Berufsgruppen finden sich dafür überproportional an den Schaltstellen der Medien und der Politik. Technische Nackerbatzln allüberall. Aber voller Sendungsbewusstsein, dafür ohne Genierer, was die Auswirkungen ihrer Einflüsse betrifft!
Da haben Sie recht. Aber auch diese Berufsgruppen werden gebraucht.
Ein großes Lob und Dankeschön
an Herrn Rudolf Öller
für diese grandiose Kolumne.
Ein hervorragender Kommentar. Leider werden wir nur durch schlechte Erfahrungen so weit auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, dass ein Umsteuern wieder möglich wird. Die “spannende” Frage, “fällt” Österreich noch runter oder sind wir schon aufgeprallt?
Eine etwas vereinfachte Darstellung, der Entwicklung der Welt aber in Ansätzen sicher dazu beitragend! Stellen wir uns doch umgekehrt vor, jeder Wissenschaftler, jeder Ideologe hätte freie Hand in seinem Tun….. Wo wären wir oder wären wir garnicht mehr ?
Hervorragend wie immer, Herr Dr. Öller!
Eigentlich reicht der „Billa Hausverstand“ um bessere Politik zu betreiben, als es derzeit in Österreich und vor allem in Deutschland der Fall ist. Ideologien sind keine Naturgesetze und sind fast immer frei von Logik.
Bravo, Danke.
Danke, Herr Öller, für Ihren Beitrag. Für mich ist es immer wieder erstaunlich, wie heutige Politiker egal welchen Alters, auch ältere eigentlich gut gebildete, die Zusammenhänge der Gesellschaft (politisch, wirtschaftlich, wissenschaftlich) nicht mehr erkennen wollen oder können. Ältere Personen scheinen oft ein Gedächtnis verloren zu haben, andere in der Bildung tiefe Lücken.
Und plaudern einfach so drauf los wie es ihnen gefällt.
Jetzt sollen sich alle auf KI verlassen (ohne zu wissen was KI ist). Da werden wir bald verlassen sein.
Danke Herr Öller! Genau so ist es. Das zweite große Problem nach den ideologiebesessenen Links/Grün Politikern und ihrem Mangel an Bildung, Hausverstand und nicht zuletzt Intelligenz, sind die große Masse der Nichtwähler. Zum jammern geht’s meistens noch, aber den Arsch in die Wahlkabine zu bringen, dazu reicht’s nicht mehr!
…..Hr.Öller ,sie könnten ein Bruder meiner Gedanken sein,im Moment fühlt sich die Weltenlage derzeit so instabil an,daß es mir den Angstschweiß auf die Stirn treibt und die Ausgeliefertheit unseren unfähigen abgehobenen Politikern gegenüber gibt mir sowieso den Rest!!😠 ….ihr Kommentar einfach Spitze!👍
Danke,soviel an politischer Wahrheit auf so engem Raum ! Kompliment
Auffällig…..Akademisch Gebildet und doch ungebildet….eine sich neu entwickelnde Spezies
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, was ist Bildung? Es lohnt sich, wenigstens zwischen Anwendungswissen und Zusammenhangswissen zu unterscheiden! Das eine schließt aber das andere nicht aus!