Zugenommen hat eindeutig das Jammern, und zwar bei den Versagern und Neidern. Eine der wichtigsten Erfahrungen, die ich als langjähriger ehrenamtlicher Rettungssanitäter machen durfte, war die Erkenntnis, dass Menschen, denen es wirklich schlecht geht, nicht (mehr) jammern.

Gemetzel

Wir blicken jetzt auf einige negative Seiten der so genannten „guten alten Zeit“. Während des kalten Krieges lebten alle Menschen in Ost- und Westeuropa auf einer Zielscheibe von atomaren Raketen. Diese Zielscheiben gibt es nach wie vor, es sind aber deutlich weniger geworden, und die gefürchteten chemischen Kampstoffe wie Sarin, Soman und VX wurden aus Europa entfernt. Offiziell zumindest. In Vietnam tobte ein furchtbarer Krieg, in Kambodscha ließ ein wahnsinniger Marxist das halbe Volk ausrotten, und in Deutschland ermordeten ein paar gefährliche Idioten, die sich RAF nannten, Politiker und Banker. Die mittlere Lebenserwartung war damals niedriger, ein Sommerurlaub an der Adria galt als Luxus, und die Bürger Osteuropas durften überhaupt nur innerhalb der Warschauer Pakt-Staaten mit ihren giftigen Zweitakt-Autos herumfahren. Der Bodensee war so verdreckt, dass an vielen Stellen Badeverbot herrschte, und auf den Straßen Europas herrschte ein Gemetzel, obwohl die Zahl der Autos niedriger war als heute. Zu Beginn der Siebzigerjahre gab es ein Allzeithoch von Verkehrstoten in Österreich und Deutschland. Damals starben auf unseren Straßen zehnmal mehr Menschen pro Jahr als heute.

Es wäre langweilig, alle Verbesserungen der letzten Jahrzehnte aufzuzählen, wie etwa die gestiegene Lebenserwartung und die kleiner werdenden Zahlen an Verkehrstoten. Stattdessen erlaube ich mir, eine persönliche Sicht der Veränderungen anzuführen.

Rolling Stones

Die Zeit meiner Jugend war nicht nur begleitet von den B-52-Bombern in Vietnam und der Berliner Mauer, sondern von einer heute weder wahrnehmbaren noch vorstellbaren Aufbruchstimmung. Ich besitze noch Platten der Rolling Stones, von Fleetwood Mac, Jefferson Airplane, Led Zeppelin, Queen und anderen. Das war nicht triviales und seelenloses Näseln, das wir alljährlich auf Song Contests zu hören bekommen. Das war kraftvolle Rockmusik. Sie war ein Echo der damaligen Stimmung. Ich verfolgte mit Begeisterung die bemannten Mondlandungen und war von den Riesengeräten, die man Computer nannte, so eingenommen, dass ich mir selber das Programmieren beibrachte. Ich hatte im Rahmen eines Seminars Zugriff auf eine universitäre Großrechenanlage. Die Fortran-Programme wurden – heute unvorstellbar – auf Lochkarten gestanzt. Der Code meines größten Programms füllte eine große Schuhschachtel.

Ein großes Glück, eigentlich das Beste, das einem Studenten passieren kann, ist das Entstehen einer neuen Wissenschaft hautnah miterleben zu dürfen. Ich hatte damals gewisse Probleme, meinen Freunden und Verwandten zu erklären, was ich in einem Labor in Deutschland machte. Sobald ich erklärte, dass es eines Tages möglich sein werde, ein Haar oder einen Blutstropfen einer bestimmten Person oder ein Kind seinem genetischen Vater eindeutig zuordnen zu können, erntete ich ungläubiges Staunen. Was wir damals machten, war Rock ‘n Roll, heute ist es Routine.

Niemand fragte vor Jahrzehnten, ob irgendjemand wegen eines „Mohren“biers beleidigt ist. Wir hätten darüber nur gelacht. Niemand fragte, ob das, was wir im Labor machten, ethisch gerechtfertigt sei, denn von der Revolution in der Biologie hatte kaum jemand eine Ahnung, am wenigsten Ideologen und Dogmatiker. Es war die Aufbruchstimmung, die uns glauben ließ, alle Probleme seien lösbar. Bekanntlich wird man mit den Jahren klüger und realistischer, aber die grandiose Stimmung meiner Jugendzeit hat sich bei mir für immer eingeprägt. „Glory Days“ von Bruce Springsteen zählt seit den Achtzigern zu meinen musikalischen Favoriten. Den armseligen Klebern, die sich „letzte Generation“ nennen, gehört mein Mitleid.

Die Zeit der Spießer

Heute leben wir in einer Zeit des Spießertums. Nicht die Bürgerlichen, auch nicht die so genannten Konservativen sind die wahren Spießer, sondern die Linken und viele ihre Wähler. Bücher werden umgeschrieben, bestimmte Wörter werden verboten, unschuldige Menschen werden wegen ihrer „falschen“ Gesinnung öffentlich verunglimpft, Dauerbeleidigung ist angesagt und manche Medien führen ein Wettrennen um die schaurigsten Berichte über den kurz bevorstehenden Weltuntergang. Die Zeugen Jehovas mit ihren Armaggadongeschichten sind vergleichsweise Amateure.

Es wird in Parteien regelmäßig darüber debattiert, welche Themen mehr Wähler bringen. Ich vermute, dass diejenige Partei auf die Siegerstraße zurückkehren wird, die eine positive Aufbruchstimmung erzeugen kann. Ich weiß, dass das wegen des dumpfen Spießertums der Wokies zurzeit schwierig ist. Eines von vielen Werkzeugen bestünde darin, an die Parteispitze glaubwürdige und endlich einmal mutige Personen mit Schulabschluss und Berufsausbildung zu stellen. Blender, die sowohl Schule als auch Berufsausbildung abgebrochen haben, können mit ihrem lauten und hohlen Geschwätz schlichte Gemüter beeindrucken. Eine Aufbruchstimmung können sie nicht erzeugen.

Hier können Sie den exxpress unterstützen

Ihr Beitrag hilft, unsere Berichterstattung noch weiter auszubauen und diese weiterhin kostenlos und top-aktuell zu Verfügung zu stellen.

Jetzt unterstützen!

Kommentare

  • Blaues Wunder sagt:

    Ich lese aus diesem Kommentar die Schlußfolgerung:
    Als es in den USA und Europa den Menschen weniger gut ging, haben sie die Initiative ergriffen, vor allem an ihrer Zukunft gearbeitet. Heute ist das Ansprechen oder gar das Verändern der Mißstände streng verboten, um rot-grün-woke Phantasien und Ideologien nicht zu stören. Tief überzeugt bin ich, daß diesen Narr-ativen die Wahrheit und vor allem die vernunftbegabte Mehrheit der Bevölkerung ihren Platz in dieser Welt zuweisen wird.

    16
  • Hedr sagt:

    S.g. Herr Öller!
    Vielen Dank für diesen hervorragenden Artikel. Made my day, wie man heutzutage sagt. Bitte weiter so.

    84
    3
  • Monika W. sagt:

    Danke für den Artikel. Stimmt schon, dass viele auf einem hohen Niveau rumjammern.
    Doch ich halte es mit Nuhr:” Wir leben in einer Gesellschaft der Dauerempörten, die sich ständig über jeden und alles empören.”
    Und uns letzlich vorschreiben wollen, was wir zu denken haben.
    Denn von diesen Obermoralisten wird keine andere Meinung geduldet, da sie für sich in Anspruch nehmen im Besitz der einzig guten Wahrheit zu sein.
    Und unterstützt von vielen Mainstream Medien und Politikern wird versucht uns umzuerziehen, damit wir brav folgen und ja nicht aufmucken.
    Denn unmündige nicht selbstständig denkende Bürger und Bürgerinnen kann man besser gängeln.
    Deshalb ist es gut, dass es exxpress.at und noch einige unabhängige Medien gibt, wo man sich noch informieren kann. 👍

    79
    5
  • Igonta sagt:

    Computer ehemals: die Auswertung des empirischen Teils meiner Dissertation wurde noch auf Lochkarten gestanzt. ( die existieren noch immer 😎)!

    18
    1
  • Oliver Benz sagt:

    Schulabschluss und gute Bildung, idealerweise Hochschulbildung, sind sicherlich ein guter Weg und ein Indiz, dass die betroffene Person einen guten Ausgangspunkt hat. Die Sache ist nur die, was nützt gutes Wissen wenn sich darunter kein Können verbirgt? Als mein Sohn vor Jahren maturiert hat und ich danach, wie andere Eltern auch, auf einer Maturafeier eingeladen war und Gelegenheit hatte mit einigen dieser jungen “gebildeten” Menschen zu sprechen, war ich teilweise entsetzt wie dumm so manche darunter waren und sogar offen zugaben den ganzen Mist, den sie für die Maturaprüfungen lernen mussten, jetzt endgültig ad acta legen zu können und auf ewig vergessen.
    Ich kenne Akademiker, denen ich nicht einmal zutrauen würde Geschirr abwaschen zu können geschweige denn Werkzeug in die Hand zu nehmen. Ich kenne aber ehemalige Buschauffeure, die sich in die Informatik begeben haben, es geschafft haben ganze Abteilungen leiten zu können und jetzt gerade mit Maximalpension in die Rente gehen. Es gibt sie also, diese Naturtalente, denen nicht irgendein Institut eine “Prüfung” abgenommen hat und sie dann mit Titeln dekorierte, die später Tür und Tor öffnen sollen.
    Man sollte Menschen nach ihren bisherigen Leistungen beurteilen und nicht nach Papieren. Ein gutes Beispiel dazu wäre der ehemalige Bundespräsident Franz Jonas, der es vom einfachen Schriftsetzer zum höchsten Amt im Staate brachte und später den Doktor Hc verliehen bekam. Was den neuen SPÖ Chef angeht, ich würde jetzt nicht über seine “abgebrochenen” Berufswege sprechen sondern über seine bisherigen “Taten”. In diesem Fall bräuchte man gar nicht über seine Ausbildungen zu sprechen, sein bisheriger Weg ist mehr als aussagekräftig und spiegelt sicherlich sein Innerstes wieder. Einen Dr.Hc wird der bestimmt nicht ernten.
    Kurz und gut, was wir brauchen sind Menschen mit Hirn, Geist, praktischem Denken und Können. Egal wie das angeeignet wurde.

    74
    1
  • Encolpius sagt:

    Eine treffende Analyse. Und nach der nächsten Wahl wissen wir dann mehr …

    62
    4
  • Creator sagt:

    “Ein großes Glück, eigentlich das Beste, das einem Studenten passieren kann, ist das Entstehen einer neuen Wissenschaft hautnah miterleben zu dürfen.” . Was für ein Glück, Gender Studies, Kindergartenpädagogik, “Supervision, Coaching, Mediation” oder “Blockchain & Distributed Ledger Technologies” und Data Science beim Entstehen zuzusehen. Echt jetzt? Das Problem daran ist die mangelnde Freiwilligkeit. Bei Smartmetern, Handys und Autos darf man jetzt schon für Totalüberwachung (=Assistenzsysteme wie EU-Notrufassistent mit Tracking und Positionsangabe) zahlen und wird nicht gefragt. Im Gegenteil, es braucht aktiven Widerstand, um ein Opting-Out und Privatspähre zu bekommen. Ambros hat das in “Ein Mensch möcht i bleiben” klar formuliert.

    34
    1
    1. Stottlemeyer sagt:

      Die hieraufgezählten “Wissenschaften” haben mit echten Wissenschaften absolut nichts zu tun.

      22
  • Anarchist sagt:

    Lieber Hr. Öller!
    Ein Artikel, der die jetzige Zeit genau beschreibt! Tut irgendwie gut! Bitte weiter so!

    38
    2
  • Echt toll sagt:

    ECHT TOLL dieser Beitrag! Ich habe das mit Begeisterung verwendet, was Sie programmiert haben🤣😲🤔 Lotus 123…. was bitte war EXCEL für ein Fortschritt! Anfänglich habe ich die erste ‘Maus’ gehasst🤣🤣🤣 3 Tage später schon die erste Lohnverrechnung ‘selber’ programmiert 😃🤪🤔 Es gab ja nix zu kaufen (Programme) das Wort APP war noch gar nicht erfunden.
    Wenn in Ö ein Wort nicht existiert wird erst gar nicht programmiert🤔😲 überspitzt formuliert! 🤗😃🤤

    15
    1
  • Euander sagt:

    Dass es in der Politik nur noch um das Gewinnen von Wählerstimmen geht, zeigt auch die Tatsache, dass trotz “Koste es was es wolle” das Wort “Sparpaket” aus der politischen Diskussion völlig verschwunden ist und durch das inflationstreibende Prinzip Gießkanne ersetzt wurde. Das gefährdet die Zukunft der Kinder viel stärker wie die herbeigeschriebene Klimakatastrophe.

    71
    1
  • Alle anzeigen