Russland verlagert seine Handelstätigkeiten zunehmend in den Osten. Ursprünglich war Moskaus neue Orientierung nach Asien politisch motiviert, unter dem Eindruck der Sanktionen. Mittlerweile sei die Wende aber unumkehrbar und stütze sich nur mehr auf wirtschaftliche Gründe, behauptet der Wirtschaftsexperte und Putin-Berater Boris Jurjewitsch Titow (62). Die westliche Wirtschaft sei nämlich träge, während in Asien alles boomt. Russischen Unternehmer hätten erkannt: Geschäfte im Osten sind lukrativer.

Abwendung vom „statistischen“ Westen

Boris Titow ist Unternehmer und Politiker, darüber hinaus Beauftragter des Präsidenten für Wirtschaftsrechte und Experte des Moskauer Wirtschaftsforums. Russland wende sich bei seinen Handels- und Wirtschaftskooperation kontinuierlich ab vom „statischen“ Westen, erklärte er gegenüber der russischen Agentur RIA Novosti.

Boris Titow trifft den russischen Präsidenten Wladimir Putin im Kreml.APA/AFP/SPUTNIK/Mikhail METZEL

Zunächst sei dieser Prozess eine politische Reaktion auf die westlichen Sanktionen gegen Moskau gewesen, sagte er am Rande des Östlichen Wirtschaftsforums in Wladiwostok. Nun habe er sich aber weiterentwickelt und beruhe auf wirtschaftlichen Erwägungen.

„Auch nach Ende der Sanktionen werden unsere Unternehmen nicht in den Westen zurückkehren“

Titow ist überzeugt: „Selbst wenn wir uns vorstellen, dass wir wieder mit dem Westen befreundet sein werden, dass sie ihre Sanktionen aufheben, werden unsere Unternehmen nicht in den Westen zurückkehren … Es ist viel interessanter, in die sich entwickelnden Märkte des Ostens einzutreten und gemeinsam zu wachsen, als im Westen zu verharren.“

Boris Titow ist Vertreter der russischen Wirtschaft.APA/AFP/Kirill KUDRYAVTSEV

Seit Beginn der Russland-Sanktionen habe sich „alles dramatisch verändert. Wir können nun mit Sicherheit sagen, dass diese Wende unumkehrbar ist und nicht auf politischen, sondern in erster Linie auf wirtschaftlichen Gründen beruht“.

„Asien heute Zentrum der Entwicklung, nicht Europa“

Zwar sei die westliche Wirtschaft gut entwickelt, aber bereits „zu stark investiert und träge“. Anders in Asien: „Im Osten boomt alles, dort geht es schnell voran, entwickelt sich rasant. Und das gilt nicht nur für China, Indien und Indonesien, sondern auch für viele andere Länder. Sie sind heute das Zentrum der Entwicklung, nicht Europa, schließlich sind dort unsere Hauptverbraucher von Energie“, ergänzte der russische Beamte und Ombudsmann für Wirtschaftsfragen.

Asiens Rohölimporte stiegen im Sommer auf ein Rekordhoch, weil die beiden größten Abnehmer – China und Indien – große Mengen an verbilligtem russischen Öl abnahmen. Russland wurde zum Hauptlieferanten der beiden Länder. Allein in die Volksrepublik China flossen im Juli 2,04 Millionen Barell pro Tag über Pipeline- und Seeimporte.

67 Prozent der Russen befürworten Russlands Ostorientierung, nur elf Prozent lehnen sie ab. Das ergabe eine neue Umfrage des staatlichen russischen Meinungsforschungszentrums (VTsIOM).