Der Verfassungsgerichtshof hat im Dezember das Kopftuchverbot für Volksschülerinnen aufgehoben. Soll uns das bewegen?

Ich finde sehr nachdrücklich: ja. (Nur um Missverständnisse zu vermeiden: Das Erkenntnis wird natürlich nicht kritisiert, denn im demokratischen Österreich ist ja Kritik an „der Justiz“ nicht erlaubt.)

Die Höchstrichter meinten, man dürfe nicht „eine Religion“ und ihre Zeichen herausheben. Also integrieren wir die Religion Islam und nicht die Mädchen?

Viele haben sich über das Erkenntnis gefreut, nicht nur die IGGÖ. Endlich wieder ein Stück des blau-türkisen Erbes vernichtet, höhnten viele – als ob die Entfaltungsfreiheit kleiner Mädchen nicht über kleinliche Parteien-Schadenfreude gehen sollte. Und da waren die „modernen“ Feministinnen, die ums Binnen-I kämpfen, aber im Kopftuch eine unabhängige Entscheidung der Frau sehen (wirklich, bei Unter-Zehnjährigen?).

Der Kampf ums Kopftuch hat ausgerechnet die Ur-Emanze Alice Schwarzer zur Lieblingsfeindin ihrer jungen Erbinnen gemacht. Der Kopftuchzwang lasse sich von Islamismus nicht trennen, wird sie nicht müde zu betonen, mit dem Islam habe er jedenfalls nichts zu tun. Im Koran in der Sure 24:31 steht nur, die Frau solle die Augen niederschlagen, ihre Keuschheit bewahren und ihren Schmuck nicht zeigen. Daraus wurde ein „Schutz vor lüsternen Blicken“ und „Belästigungen“ – was bei Unter-Zehnjährigen hierzulande ein strafrechtliches Delikt (Pädophilie) wäre. Dazu haben wir ja unseren Rechtsstaat (der übrigens nicht immer so weise gewesen ist: Wie lange haben Frauenrechtlerinnen gekämpft, bis Vergewaltigungsopfern nicht mehr die Schuld zugeschoben wurde, weil sie durch ihren kurzen Rock dazu aufgefordert hätten…).

"Das Kopftuch abzulehnen hat nichts mit links oder rechts zu tun"

Ist es wirklich in Ordnung, wenn 6-Jährige in Österreich „freiwillig“ Kopftuch tragen müssen? Oder ältere Mädchen ohne Kopftuch in Wiener Parks von selbsternannten „Sittenwächtern“ zur Räson gebracht werden? Die nächste Station ist dann die Zwangsheirat – von 200 jährlich weiß man offiziell – die Dunkelziffer lässt sich erahnen. Nur 35 solcher bedauernswerten Mädchen (oft noch im Kindesalter) schaffen es, Hilfe bei Caritas und ähnlichen Schutzeinrichtungen zu finden. Und da will der moderne Feminismus nicht erkennen, dass das Kopftuch nicht Symbol der selbstbewussten islamischen Frau ist, sondern ihrer Entrechtung? Das Kopftuch abzulehnen, hat nichts mit „links“ oder „rechts“ zu tun – wie so gerne unterstellt wird –, sondern tatsächlich nur mit Frauenrechten.

Bei den Olympischen Spielen in Barcelona 1992 hat die algerische Läuferin Hassiba Boulmerka Gold im 1500m-Lauf gewonnen. Trainieren konnte die Sportlerin nur in Europa, denn in ihrer Heimat hatte man wegen ihrer (lasziven?!) Sportbekleidung Kopfgeld auf sie ausgesetzt.

Vielleicht wären die Lauf-Shorts der Hassiba Boulmerka das bessere Symbol für die Emanzipation der Frau.