Der Minister denkt und – nein, nicht Gott, aber die Landeskaiser lenken. Jetzt kann man Rudolf Anschober nicht unbedingt überbordende Entscheidungsfreude nachsagen. Aber wenn er denn irgendetwas fordert, anordnet, nachdrücklich verlangt, dann stößt er sofort an seine Grenzen – und die setzt ihm der alles überschattende Föderalismus. Neun Landeskaiser gegen einen Bettler-Minister: Das ist das ungleiche Match in der Gesundheitspolitik.

Natürlich kann man sagen: Wer zahlt, schafft an. Und vordergründig zahlen in unserem Gesundheitssystem die Länder (die Spitäler) und die Sozialversicherung (den niedergelassenen Bereich). Das Geld freilich ist einmal mehr unser aller Steuergeld. Aber wir lassen eben nur mit uns anschaffen.

Und während alle um die bestellten, nicht bestellten, nicht gelieferten, in jedem Fall nicht ausreichenden Impfdosen streiten, schweigt man elegant über den wahren Impfskandal hinweg.

Es herrscht ein feudalherrliches Impfregime

Dadurch nämlich, dass man den Landeskaisern die Oberhoheit über das bundesländerweise durchgeführte Impfen übertragen hat, ist da ein feudalherrliches Impfregime ausgebrochen. In jedem Bundesland werden andere Gruppen vorgezogen, für den Normalbürger undurchsichtige Prioritäten gesetzt. Was bleibt, ist die Spritze als Gratifikation.

Beispiel gefällig?
Der Impfplan des Gesundheitsministers hätte eigentlich das vorgesehen, was ihm die Ärzte geraten hatten: Zuerst die vulnerablen Gruppen, also die Bevölkerung über 65 und Hochrisiko-Patienten, impfen. Bis Ende März hätte das geschehen sollen. Jaja, mögen sich die großen Neun gedacht haben. Und wie das Leben so spielt, sieht der Plan in jedem Bundesland eben anders aus.

In Wien, wo der Gesundheitsstadtrat behauptet, eine Corona-Politik mit Hirn zu machen, sind nicht einmal noch die 90jährigen durchgeimpft. Es ist ja der Impfstoff knapp, das weiß doch jeder! Und jetzt wird sogar ein Sonderkontingent an die über 75jährigen verabreicht. Beinahe nach Impfplan. Nur: Für den Zivildiener bei Wiener Wohnen, der Büroarbeiten erledigt, für den Sozialarbeiter vom Verein Soziales Wien, der im Homeoffice sitzt, für alle möglichen nicht gefährdeten, aber den Mächtigen nahestehenden Gruppen hat der Impfstoff gereicht.

Und hätte die Polizei andere Ergebnisse bei der Personalvertretungswahl, hätten sich die Beamten vielleicht doch nicht hinten in der Impfschlange anstellen und bei jedem Einsatz bei einer Anti-Corona-Demo mit vier weiteren infizierten Beamten rechnen müssen.

Machtpolitisches Spiel mit der Gesundheit der Bevölkerung

Sogar als gelerntem Österreicher, der man langsam, leidvoll und lebensbegleitend an die ach so objektiven Kriterien des parteipolitischen Farbspektrums bei Wohnungsvergabe bis Postenbesetzung gewöhnt wurde, könnte einem der Kragen platzen: weil hier mit der Gesundheit von Menschen machtpolitisch gespielt wird, weil man Stimmenmaximierung auf Kosten der Pandemiebekämpfung betreibt.
Wer uns brav wählt, wird geimpft.

Hätte der Gesundheitsminister das Impfen der Gesundheitskasse übertragen – was mit einer kleinen Änderung des ASVG ganz einfach gewesen wäre -, hätte sein Impfplan eine echte Chance auf Verwirklichung gehabt. Dort muss nämlich niemand an die Stimmen bei der nächsten Wahl denken, sondern nur an die Gesundheit der Menschen.