
Ruth Pauli: Nieder mit der Geschichte!
Der Zeitgeist zieht uns wieder einmal am Nasenring hinter sich her. In weiten Teilen der Welt stürzen die Denkmäler, weil so mit der Geschichte abgerechnet werden soll. Da dürfen wir doch nicht nachstehen.
Wien will sich ja ohnehin endlich von dem ungeliebten Lueger-Denkmal befreien. Ach ja, auch Straßennamen müssen landauf, landab weg. Es lebe die Gegenwart, nieder mit der Geschichte! Zum Glück gibt das „Aufarbeiten“ der österreichischen Straßennamen vielen Kommissionen Arbeit. In Wien hat man vor ein paar Jahren noch sang- und klanglos den Lueger-Ring in Universitätsring umgetauft, andere Straßennamen gelassen, aber selektiv mit Zusatzschildern versehen (bei Karl Renner etwa wird uns nicht mitgeteilt, wie sehr er für den „Anschluss“ geworben hat).
Vernünftige Grazer
Das sind denn auch die beiden Wege, die meist das Resultat langer Experten-Sitzungen sind. In Graz entschied man sich für die sehr gute Tafel-Lösung. Denn eines muss all den Kämpfern gegen die Benennungen klar sein: In den meisten Fällen wissen die Menschen gar nicht mehr, wer der Namensgeber ihrer Straße überhaupt war. Es sind nur Adressen, meist sinnentleert und ohne Geschichtsbezug. Und der kann durch solche Erklärungen auf Schildern wieder hergestellt werden. Aber bitte auf allen Schildern.
Radikale Lösungen in Salzburg
Die Salzburger tendieren dagegen zur Radikallösung: Weg mit diesem Karajan-Platz – der Mann war zwar ein genialer Musiker, der die Sommer-Festspiele zur unübertroffenen Cash-Cow des Kulturtourismus gemacht, dann auch noch die Oster-Festspiele gegründet hat – aber, auch wenn er sich nicht aktiv schuldig gemacht hat, war er doch NSDAP-Mitglied (diese genaue Unterscheidung zwischen Schuld und „Dabeisein“ war ein wichtiges Anliegen des großen Weisen Simon Wiesenthal – wir sollten uns daran erinnern). Also weg mit Karajan. Und weg mit der öffentlichen Erwähnung von Waggerl und Konsorten. Im Übereifer wurde im gar nicht so fernen München unlängst sogar Erich Kästner als Belasteter und damit eines Straßennamen Unwürdiger gebrandmarkt. Ausgerechnet Kästner, dessen Bücher bei der großen Bücherverbrennung in Flammen aufgingen. Sein Verbrechen? Er ist nicht emigriert. Also weg mit ihm.
Hassobjekte in Wien müssen weichen
Das Lueger-Denkmal wiederum, dem die Wiener Kulturstadträtin einen Runden Tisch widmet, gehört zu den Lieblings-Hassobjekten einer Gruppe der gegenüberliegenden Universität für Angewandte Kunst. Nach Demolierungen, Beschmierungen und Rufen nach dem Fall der Statue wird denn auch überlegt, ob man es nicht in ein neues Kunstwerk hinein „kontextualisieren“ soll. Hand aufs Herz: Wer erkennt den dunklen Herrn überhaupt, auf dessen Kopf die Tauben nicht nur sitzen? Wer ordnet ihm was zu – und da wäre einiges: die Wiener Hochquellwasserleitung, die Kommunalisierung von Gas- und Elektrizitätsversorgung sowie der Straßenbahn, große (damals moderne) Versorgungseinrichtungen und, ja, der politisch eingesetzte, schreckliche Antisemitismus. Über das Che Guevara-Denkmal in Wien wird übrigens nicht diskutiert – obwohl es erst 2008 errichtet wurde, als man bereits wusste, dass Che für unzählige Todesurteile an „Gegnern der Revolution“ verantwortlich war.
Die Welt entledigt sich ihrer Denkmäler
In der ganzen Welt fallen die Denkmäler – bis hin zu denen von Columbus, weil er der Urvater des weißen Kolonialismus gewesen sein soll. Und in England wird diskutiert, ob man die Tatsache, dass die große Schriftstellerin Jane Austen Tee getrunken hat, nicht in den politisch-korrekten Zusammenhang stellen muss: als böse Angewohnheit weißer Kolonialisten.
Geschichte sollte nicht mit Moral gleichgesetzt werden
Solche abstrusen Auswüchse sollen aber das Grundproblem nicht ins Lächerliche ziehen. Und das ist unser Umgang mit der Geschichte. Der ist bei der derzeit modischen Auseinandersetzung mit Figuren der Geschichte ein äußerst selbstgerechter. Ja, heute sind hierzulande Frauen den Männern gleichgestellt – aber darf ich von meiner heutigen Warte aus einen Felix Mendelssohn ablehnen, nur weil er ganz sexistisch seiner komponierenden Schwester nicht erlaubt hat, ihre Werke zu veröffentlichen? Wissen wir so genau, dass man in 200 Jahren all unser Handeln als richtig einstufen wird? Schon deshalb sollten wir aufhören, Geschichte mit Moral zu verwechseln. Auch wir werden einmal beurteilt. Und viele werden uns dann (hoffentlich nur) komisch finden.
Unbeeindruckt von dystopischen Meinungstrends und spitzzüngig gegen Nonsense-Gerede artikuliert sich auch Ruth Pauli (70). „Erst denken, dann twittern“, warnte die Autorin und langjährige ehemalige Innenpolitik-Redakteurin einmal. Schon früh blickte die gebürtige Wienerin über den österreichischen Tellerrand, ihre Studien- und Forschungsjahre führten sie in die USA, die Sowjetunion und nach Frankreich. Nach der Promotion über russische Literatur arbeitete sie unter anderem bei der „Wochenpresse“, der „Presse“ und dem „Kurier“. Sie brachte mehrere Bücher heraus, ob als Übersetzerin, Autorin oder als Herausgeberin.
Kommentare
Es ist völlig abwegig, Ereignisse und Perönlichkeiten der Vergangenheit mit den Grundsätzen, Einstellungen und Gesetzen der Gegenwart zu messen. Jede Zeit hatte ihre eigenen Charakteristika, die Lebensumstände der Menschen waren völlig andere als heute, ebenso die entsprechenden Auffassungen von Gerechtigkeit. Diese aus heutiger Sicht zu be- und -verurteilen zeugt von Überheblichkeit und Unverständnis.
Bis 1984 ist es sich nicht ausgegangen – aber 2021 kann Winston Smith im Wahrheitsministerium seine Arbeit beginnen …
Lies Orwell 2024. Die Fortsetzung von 1984. Spuelt in Merkels Deutschland….
In Wien gibt es nun auch eine Linke Partei. Wie war das mit der Nachfolgepartei der SED? Das ist alles in Ordnung, oder?
Die Haxelbeisser nagen auch an 100 jährigen Knochen, wenn es der Bewegung hilft.
Jede Stadt oder Land hat seine Geschichte, daran werden wir erkennbar, täglich auf die eine oder andere Weise erinnert.
Aber es ist gut so, denn an jeder dieser Geschichten sollte man sich zukunftsorientiert zum besseren halten. Auch das positive dieser unerwünschten Statuen sollte man hervorheben, den Menschen dahinter, es gibt auch gute Dinge dabei.
Mal ehrlich, haben wir nicht auch dunkle Flecken heutzutage???
Beim Che Guevara Denkmal dreht es einem wirklich den Magen um. Ein rassistischer, homophober Massenmörder wird von der Linken verehrt.
Aber die fanden ja auch die DDR ganz o.k., die flüchtenden Bürgern in den Rücken schießen ließ, nicht wahr, Frau Jelinek?
Ja, auch weg mit Kreisky Straßen Plätze dem ein Führer der Schuldenpolitik,hehe.
Wie so oft hat wiederum Frau Pauli den Nagel auf den Kopf getroffen und analysiert wie
SCHEINHEILIG und scheinmoralisch
da viele Leute sind wenn sie jetzt großmäulig, großkotzig und selbstgerecht über über Persönlichkeiten die sich nicht mehr wehren können weil sie schon tot sind herziehen.
Dass es heute keinen Hitler-Platz mehr gibt ist bei allen Parteien unbestritten. Bei allfälligen Umgestaltungen und Umbenennungen müssen Alle eingebunden werden: Ohne Volksabstimmung wo Alle, also Alle Bürger der jeweiligen Gemeinde, abstimmen dürfen geht’s nicht!!
All diese Aktionen wo sich ein paar Pseudo-Intellektuelle anscheinend wichtig machen:
Das kostet etwas. Das kostet Steuergelder. Es kostet einen Verwaltungsaufwand, da werden Beamte beschäftigt. Adressänderungen kosten etwas, Drucksorten, Visitenkarten, Stempel, Stadtpläne, Schautafeln, Hinweisschilder, Internetauftritte, Webseiten – für die Öffentlichkeit u. für Private: Da muss dafür gezahlt werden.
Wir haben es im gesamten Westen mit einer Bilderstürmerei der kulturmarxistischen “Generation Woke” zu tun. Der lange Marsch der 68er und ihrer Erben durch die Institutionen hat sich voll ausgezahlt. Die neokommunistische Frankfurter Schule hat den Kulturkampf gewonnen. Kinder und Jugendliche aus nicht-linken Milieus werden durch Indoktrination und Gehirnwäsche an Kindergärten (Frühsexualisierung), Schulen, Unis und durch die Mainstreammedien auf Linie gebracht. Wie man in 200 Jahren unser Handeln einstufen wird, fragt Frau Pauli? In 200 Jahren wird das in Europa niemand mehr interessieren, denn dann herrscht hier längst die Scharia.
Wer seine Geschichte vergisst, hat keine Zukunft! Und Bgm. Lueger hat für die Entwicklung Wiens mehr getan als z.B. der Kinder- und Frauenmörder Che Guevara, dem die Roten ein Denkmal gesetzt haben. Man kann Lueger kritisieren, aber seine Leistungen sind unbestritten. Basta! Übrigens, die Welt ist verrückt geworden. Die Linken drehen durch.
Wahrscheinlich hat es zu jeder Zeit Personen gegeben, welche versuchten, die Geschichte zu fälschen, aber leider finden in der Gegenwart diese Selbstgerechten viel zu viel Gehör, sodass es schon sehr beängstigend wirkt.
Danke, Fr. Pauli für Ihren Beitrag. Ja es in der Tat abzulehnen, dass ein paar Selbstgerechte die Geschichte umschreiben wollen.