Nach der Pandemie ist vor der Pandemie. So sehr auch alle Geduldsfäden am Reißen sind, das Ende der ausschließlichen Corona-Politik steht bevor – und dann ist alles wieder nicht gut. Denn dann steht Österreich wieder da wie zuvor: als Land mit einem Reformstau, der aus dem vorigen Jahrhundert stammt.

Dann muss diese Koalition das versprochene Beste aus zwei Welten bringen. Da wird Regierungs-Mut gefragt sein. Das Überleben einer Katastrophen-Gegenwart wurde – trotz aller weit verbreiteten Besserwisserei – ordentlich gemanagt, jetzt geht es um die Reparatur der Zukunft.

Und ganz oben auf der Prioritätenliste steht: Rettet die Lost Generation!
Bildungsminister Faßmann hat schon Recht, wenn er freundlich beruhigt, auch den Absolventen der Schmalspur-Matura 2021 stehe ein chancenreiches Leben offen. Sie sind nicht die Lost Generation.
Aber, Herr Minister: Was ist mit den Pflichtschulabgängern der Corona-Jahrgänge? Wie hat sich da das Distance Learning ausgewirkt?
Schon vor den Schulsperren gab es erschreckende Befunde: Jeder fünfte Pflichtschulabgänger war ein funktionaler Analphabet. Buchstaben entziffern und Entziffertes verstehen, da liegt ein weiter Weg dazwischen. Wer ihn nicht schafft, dem entgleitet sein Leben, kaum dass es eigentlich angefangen hat.
2019 beherrschten zwei Drittel der Lehrstellensuchenden in Wien nach der Pflichtschule weder Lesen, noch Schreiben oder Rechnen auf lehr- und berufsnotwendigem Niveau. (Nebenbei gesagt, zeigten dabei auch die maturabestückten Aufnahmsprüflinge der lehrerbildenden Hochschulen gravierende Schwächen.)
Man traut sich kaum auszumalen, wie das nach bald drei Semestern Corona-Schule aussieht.

Statt an die Kinder zu denken, hätschelte man Ideologien.

Jahrzehntelang haben die Bildungspolitiker nur über Schulformen gestritten: Eine Schule für alle oder die passende für jeden Einzelnen. Statt an die Kinder zu denken, hätschelte man Ideologien. Dann kam das Unheil der Pisa-Studien: Plötzlich wurde nur mehr für die Tests gestrebert, ohne dass die jungen Menschen etwas davon gehabt hätten.
Schluss damit. Lesen, Schreiben und Rechnen sind Grundvoraussetzung für ein gelingendes Leben. Das muss die Schule wieder bringen. Sonst produziert sie nicht nur ein Heer von Arbeitslosen, sondern vor allem unglückliche Menschen. Ja, man kann sich mittlerweile fast alle wichtigen Seiten im Internet vorlesen lassen. Aber diese Funktion ist für Blinde gedacht. Nicht für jene, denen die Schule im Grunde alles schuldig geblieben ist.