Der liberale EU-Abgeordnete Moritz Körner (FDP) bezeichnet die Analyse als “schonungslos” und sagt: “Nur selten fällen die vom Europäischen Parlament beauftragten Experten ein so vernichtendes urteil über Gesetzesvorschläge der Europäischen Kommission.”

Moritz Körner (FDP): "EU-Kommission soll ihren Schüffeldienst sofort zurückziehen."Wiki Commons / s.h.schroeder

Vor knapp einem Jahr hat die EU-Kommission den umstrittenen Entwurf präsentiert. Er sieht unter anderem die zwangsweise Durchleuchtung privater Kommunikationsinhalte auf Anordnung vor. Demnach sollen Inhalte auf den Endgeräten von Nutzern durchleuchtet werden, noch bevor sie für den Versand verschlüsselt werden. Client-Side-Scanning nennt sich das. Experten laufen von Anfang an dagegen Sturm. Sie sprechen von einem massiven Eingriff in Grundrechte, der überdies die verschlüsselte Kommunikation aufhebt.

Der Wissenschaftliche Dienst des EU-Parlaments schließt sich dieser Kritik nun an: “Das Scannen von Inhalten auf den persönlichen Geräten der Nutzer in der Ende-zu-Ende-verschlüsselten Kommunikation verstößt gegen den Kern des Rechts auf Datenschutz”, heißt es in der Studie.

Ohne Anlass sollen Daten von allen Nutzern eines Dienstes überwacht werden

Gemäß der Kommission soll die EU künftig Anbieter von Kommunikationsdiensten dazu verpflichten können, nach bekanntem wie unbekanntem Bildmaterial zu suchen. Darüber hinaus soll die Kontaktaufnahme von Erwachsenen zu Minderjährigen aufgespürt werden können. Diese Scan-Anordnungen würden alle Nutzer eines Dienstes betreffen – unterschiedslos. Die Studienautoren sehen hier klar das Grundrecht auf Privatsphäre und auf vertrauliche Kommunikation “in einem ernsthaften Ausmaß” beeinträchtigt.

Die damit einhergehende notwendige Datensammlung würde auch gegen die EU-Grundrechtecharta verstoßen, weil in gigantischem Ausmaß ohne konkreten Anlass personenbezogene Daten überwacht und verarbeitet würden. Dagegen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) schon mehrmals Urteile gefällt, etwa bezüglich der Vorratsdatenspeicherung. Massenüberwachung ohne Anlass ist demnach unzulässig. Illegal ist es auch, Diensteanbieter zu einer generellen Überwachung zu verpflichten. Darüber hinaus verletze der Vorschlag die Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit sowie die unternehmerische Freiheit.

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat umfassenden Überwachungsmaßnahmen schon in der Vergangenheit für unzulässig erklärt.Getty

Praktisch enorm aufwändig, kaum durchführbar, wenig effizient

Der Wissenschaftliche Dienst hat auch Bedenken, ob das Vorhaben technisch überhaupt durchführbar ist. Hinzu kommt ein gewaltiger – und natürlich sündteurer – Mehraufwand für die Behörden. Es sei fraglich, ob die Ermittler die Fülle an anfallendem Material überhaupt bearbeiten können. Die neuen Technologien würden “zu einer Zunahme der gemeldeten Inhalte und einer Abnahme der Genauigkeit führen, was sich erheblich auf die Arbeitsbelastung der Strafverfolgungsbehörden auswirken wird”, stellen die Experten fest.

Fazit: Die Verordnung dürfte vor dem Europäischen Gerichtshof scheitern, weil sie gegen die Charta der Grundrechte verstößt. Mittlerweile schließen sich immer mehr EU-Abgeordnete unterschiedlicher Fraktionen der Kritik an. Die geplante Chatkontrolle würde darüber hinaus einen gewaltigen Aufwand bedeuten, wäre aber nicht nur grundrechtswidrig, sondern wohl auch wenig effizient um sexualisierte Gewalt gegen Kinder im Internet zu bekämpfen. Moritz Körner hält fest: “Die Europäische Kommission wäre gut beraten, ihre Schnüffelinitiative sofort zurückzuziehen.”