Was für eine Tragödie: Von außen sieht er idyllisch aus, der Gemeindebau in der Weißenböckstraße 1-3 in Wien-Simmering. Im Jahr 1924 wurde er errichtet und ist mittlerweile denkmal- und fassadengeschützt. Doch genau diese äußere Fassade täuscht: In der Zwischenzeit sind mehrere Häuser akut einsturzgefährdet. Das musste Wiener Wohnen bei einer Zustandserhebung am Donnerstag selbst feststellen. Im Keller fehlen nämlich die Stützpfeiler.

Umgehend mussten neun Haushalte auf der Stelle ausziehen – ohne Vorwarnung und innerhalb von zwei Stunden. Sie wurden in einem Hotel beim Hauptbahnhof untergebracht. Neun weitere Parteien werden am Montag ihre Sachen packen müssen. Wie es mit den restlichen der insgesamt 56 Parteien weitergeht, ist momentan unklar.

Alles begann mit der Sanierung im Jahr 2003

Die schockierten Bewohner sehen die Schuld bei Wiener Wohnen selbst. Die Probleme haben nämlich mit einer umfassenden Sanierung im Jahr 2003 begonnen. Anschließend hat Wiener Wohnen die Warnungen nicht ernst genommen, klagen die Mieter.

„Ich bin total von den Socken und kann keinen klaren Gedanken fassen“, sagt Michaela Wollner. Sie wohnt seit mehr als 30 Jahren in der Weißenböckstraße. Aufwändig und teuer sei die Sanierung im Jahr 2003 gewesen, berichtet sie dem eXXpress. Es handelte sich um eine sogenannte „Sockelsanierung“, bei der eigentlich etappenweise das gesamte Wohnhaus instandgesetzt werden sollte. „Wir mussten dafür 15 Jahre lang, bis 2017, bezahlen. Etwa 300 Euro pro Monat hat es mich gekostet“, berichtet Wollner.

Angekündigt wurde nur eine Zustandserhebung. Dass die Bewohner auch ausziehen müssen, wussten sie nicht.

Thermalsanierung ohne Entlüftung: Jahrelang bildeten sich Schimmel

Doch gleichzeitig wurde alles schlimmer. Überall bildete sich Schimmel, Putz bröckelte in den Innenräumen ab. Der Fehler war anscheinend: Wiener Wohnen verschaffte dem Haus eine Thermalsanierung, ohne sich jedoch um die Entlüftung zu kümmern. Zuvor waren die Wände nicht ganz dicht gewesen, deshalb waren diese Probleme nicht entstanden. Im Rahmen der umfassenden Sanierung hätte man unbedingt darauf achten müssen, meinen Bau-Experten.

Darüber hinaus war bei der Sanierung im Jahr 2003 offenbar niemandem aufgefallen, dass im Keller keine Stützpfeiler vorhanden sind. In den vergangenen 20 Jahren begann es daraufhin überall zu schimmeln. Die Bewohner klagten, Wiener Wohnen verschickte Prospekte über die richtige Häuserpflege und sah zu – bis es zu spät war.

Die böse Überraschung

Alleinerziehende Mutter und 90-jähriger Mann betroffen

Am 6. Juli klopften Wiener Wohnen und die Baupolizei an die Tür und richteten einigen schockierten Bewohnern aus, sofort ihre wichtigsten Dinge mitzunehmen und das Haus innerhalb von zwei Stunden zu verlassen. Neun Parteien mussten ohne Vorwarnung auf der Stelle ausziehen, darunter eine alleinerziehende Mutter mit ihren zwei Kindern, eine 78-jährige Frau, die zuvor auf eigene Kosten das Stiegenhaus erneuern ließ, ein 90-jähriger Mann und eine 80-jährige Bewohnerin. Sie alle wurden in einem Hotel untergebracht.

Am Montag werden neun weitere Parteien ihre Wohnungen verlassen, darunter Michaela Wollner, die allerdings darauf bestanden hat, in einer Wohnung in Simmering unterzukommen. Sie denkt nicht daran, in einen anderen Bezirk zu ziehen, weil sie sich um ihr Enkelkind kümmert, das hier zur Schule geht.

FPÖ: Beweis für Unfähigkeit von Wiener Wohnen

Betroffen ist bisher die erste Häuserreihe des Wohnbaus. Wie es um die drei anderen Häuserreihen bestellt ist, wird sich zeigen. Wiener Wohnen muss aber schon seit längerem gewusst haben, dass die Lage ernst ist, vermuten einige Bewohner aufgrund von Gesprächen in diesem Jahr. Die Sanierung der Häuser soll nun ein Jahr dauern.

Landtagsabgeordneter Wolfgang Kieslich und Bezirksvorsteher-Stellvertreterin Katharina Krammer (beide FPÖ) machten sich ein Bild. In der Mitte: Die empörte Bewohnerin Andrea Cay.Kieslich

Ein empörter Mieter hat sich an die Politik gewandt, und den FPÖ-Landtagsabgeordneten Wolfgang Kieslich, sowie Bezirksvorsteher-Stellvertreterin Katharina Krammer (FPÖ) alarmiert. „So etwas haben wir im Bezirk noch nicht erlebt”, meint Kieslich. „Das ist ein weiterer Beweis für die Unfähigkeit von Wiener Wohnen, die seit Jahren auf die von Mietern aufmerksam gemachten Mängel (feuchte Wände, Schimmel) nicht reagierten“, sagt er gegenüber dem eXXpress. Das alles geschehe auf dem Rücken der verzweifelten Bewohner.

Der eXXpress hat am Wochenende noch niemanden von Wiener Wohnen erreicht und wartet auf eine Rückmeldung.