Vorläufig wird noch Gas aus Russland fließen, vermutet der Politikwissenschaftler Ralph Schöllhammer (Webster University) im Gespräch mit eXXpress-Moderatorin Anna Chiara Maria Schreyer. Besonders hart würde die EU ein Gas-Stopp im Winter kommen. Im Falle eines solchen kalten Winters dürfte der Notfall-Plan der EU kaum helfen. Es gebe bereits Risse innerhalb der EU, der Ukraine-Krieg mache überdies Fehler sichtbar, die schon vorher begangen worden waren, sagt Schöllhammer.

Keine Einigkeit in EU über Gas-Notfall-Plan

Der Gas-Notfall-Plan von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dürfte gleich im Ansatz scheitern. Italien, Portugal, Spanien haben bereits klar gemacht: Für sie komme eine Gas-Reduktion nicht in Frage. Im übrigen hätten sie hier „nie über die eigenen Verhältnisse gelebt“ – eine Spitze gegen Deutschland, dass im Zuge der Euro-Krise solches gerade den Südstaaten vorgeworfen hat.

Die viel beschworene europäische Einheit bröckelt, findet Top-Politologe Schöllhammer.eXXpressTV

„Die Kommission hat gesagt, wir müssen Energie sparen, sie haben gesagt, wir machen nicht mit“, kommentiert Schöllhammer. „Dass es eine viel beschworene europäische Einheit gibt, klingt gut, sie ist in der Realität anscheinend nicht vorhanden.“

Die Energiepreise werden hoch bleiben

Vieles zeige aber: „Die Menschen stellen sich schon auf ein Gas-Aus ein.“ Das zeigten etwa die Preise für Holz, die bereits stark gestiegen sind. „Die Nachfrage wächst.“ Schellhammer ist überzeugt: „Für dieses und das nächste Jahr werden die Energiepreise hoch bleiben. Ein Preisdeckel hilft da nichts und könnte die Folgen noch verschlimmern.“ Zwar hat Europa viel von alternativen Energien gesprochen, sich aber dann doch „schmutzige fossile Brennstoffe aus Russland geholt“, und sich stark darauf verlassen, dass „der Gasfluss stattfindet“.

eXXpress-Moderatorin Anna Chiara Maria Schreyer im Gespräch mit SchöllhammereXXpressTV

Oft diene der Ukraine-Krieg als Ausrede für vieles, etwa die Inflation. US-Präsident Joe Biden spricht etwa von der „Ukraine Inflation“. Doch zu dieser Teuerungswelle wäre es ohnehin gekommen, angesichts der lockeren Geldpolitik und der steigenden Schulden.

Deutschlands Industrie steckt schon länger in der Krise

„Russland war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, unterstreicht Schöllhammer. „Deutschlands Industrie steckt schon länger in der Krise.“ Und: „Von den 100 größten Unternehmen Europas sind die wenigsten unter 40 Jahre alt. Wir haben die Digitalisierung vollständig verschlafen.“

Die Einigung beim Getreideexporte sei ein Erfolg Russlands. Schließlich wurden ja die Sanktionen, damit Gas und Getreide wieder „fließen“. „Sobald sich die Situation wieder zuungunsten Russlands entwickelt, könnte sich das ändern.“